Raumfahrt:Gedränge im Orbit

Raumfahrt: Techniker haben die Oneweb-Satelliten im Januar in Baikonur in ein spezielles Modul der Trägerrakete Sojus platziert, die die Einheiten im Erdorbit aussetzt.

Techniker haben die Oneweb-Satelliten im Januar in Baikonur in ein spezielles Modul der Trägerrakete Sojus platziert, die die Einheiten im Erdorbit aussetzt.

(Foto: oh)

Space-X hat bereits einige Hundert Internet-Satelliten gestartet, nun ziehen Oneweb und Airbus nach. Astronomen gefällt das nicht.

Von Hans von der Hagen und Dieter Sürig

Seit dem Mai vergangenen Jahres lässt sich mitunter ein neues Phänomen am Sternenhimmel beobachten: Wie ein Zug in der Nacht ziehen Dutzende leuchtende Punkte dicht hintereinander über den dunklen Himmel: Es sind Satelliten der Raumfahrtfirma Space-X. Vor allem in den Tagen nach ihrem Start ist das gut zu beobachten, später verteilen sich die Satelliten.

Mittlerweile sind bereits 242 von ihnen unterwegs, bis zu 42 000 sollen es womöglich einmal werden, um ein weltumspannendes Internetsignal aus dem All liefern zu können. Space-X nennt es Starlink. Allein für 2020 sind 24 Missionen dafür angesetzt. Das Besondere ist: Die Starlink-Satelliten sind vergleichsweise klein und leicht. Spötter sprechen von Wegwerfsatelliten - fällt mal einer von ihnen aus, ist das aus Sicht der Betreiber nicht weiter tragisch - es sind genügend andere in einer solchen sogenannten Konstellation vorhanden, welche die Aufgaben des ausgefallenen Satelliten übernehmen können.

Es gibt derzeit diverse Planungen für Internet-Konstellationen, Space-X ist gerade am weitesten. Doch nun beginnt auch der Aufbau des Konkurrenzprojektes Oneweb. Dahinter steckt eine britische Telekom-Firma, die eine Konstellation von zunächst 650 bis zu knapp 2000 Satelliten auf 1200 Kilometern Höhe platzieren will, die vom Airbus-Konzern gebaut werden. Sechs Einheiten der jeweils 150 Kilogramm schweren Satelliten befinden sich bereits seit fast einem Jahr in der Erdumlaufbahn. Weitere 34 folgen nun, der Start ist für diesen Donnerstagabend mit einer Sojus-Rakete von Baikonur in Kasachstan aus geplant, wo auch die Astronauten regelmäßig zur Raumstation ISS aufbrechen.

Oneweb will bereits im kommenden Jahr ein weltweites Hochgeschwindigkeits-Internet möglich machen

"Der Start wird für Oneweb ein gewaltiger Schritt nach vorne", sagt Jean-Marc Nasr, Leiter von Airbus Raumfahrtsysteme. "Mit dem Start erfüllt sich nun eine vierjährige Reise, und es ist erst der Anfang", sagt Oneweb-Chef Tony Gingiss. Beide Unternehmen haben das Joint Venture Oneweb Satellites 2016 gegründet, um die Einheiten für die Konstellation zu bauen.

Die ersten Oneweb-Satelliten hat Airbus noch in Toulouse hergestellt. Im Juli 2019 hat das Joint Venture dann ein Werk gleich in der Nähe des US-Raketenstartplatzes Cape Canaveral in Florida eröffnet, um die Satelliten dort in Serie fertigen zu können. Nach eigenen Angaben zu einem Fünfzigstel der Kosten herkömmlicher Hersteller. 100 Mitarbeiter bauen auf zwei Produktionslinien täglich zwei Einheiten zusammen. Oneweb will bereits im kommenden Jahr ein weltweites Hochgeschwindigkeits-Internet möglich machen - zunächst für See- und Luftfahrt, Behörden, Schulen und Unternehmen. Bis dahin sollen monatlich etwa 30 weitere Satelliten ins All starten, von Ende 2020 soll dafür auch die neue europäische Trägerrakete Ariane 6 genutzt werden. Derzeit sind nach Angaben der Betreiber mehr als 20 weitere Starts geplant, vor allem mit der Sojus.

Space-X will zunächst eine Konstellation von 700 Satelliten aufbauen. Das sei die Mindestzahl, damit das Internet auf der Erde überhaupt funktionieren könne, sagte Space-X-Manager Hans Koenigsmann im vergangenen Jahr im Interview mit der SZ. Zunächst bleibt das Angebot auf Nordamerika beschränkt, bald darauf soll es aber auch auf andere Länder ausgedehnt werden - geht es nach Space-X, könnte es in Deutschland in zwei bis drei Jahren verfügbar sein.

Neues Projekt der Esa

Der Aufbau von Satellitenschwärmen gilt in der Branche als zukunftsträchtig. Gerade erst hat die Europäische Raumfahrtagentur Esa unter dem Namen Innuendo ein Projekt gestartet, bei dem das Prinzip auf den Bereich Navigation übertragen werden soll. Die Vorteile dieser Konstellationen sind offensichtlich: Die Starlink-Satelliten etwa umkreisen die Erde in nur einigen Hundert Kilometern Höhe. Das bedeutet, dass die Signalwege kurz und die Systeme entsprechend schnell sind. Zugleich sollen defekte Satelliten vergleichsweise zügig in der Atmosphäre landen und die Komponenten weitgehend verglühen.

Dennoch gibt es auch Kritik: Experten gehen davon aus, dass die vielen Tausend geplanten Satelliten den Weltraum vermüllen. Nicht nur, weil die Lebensdauer der Satelliten eher kurz sein dürfte. Je nach Umlaufbahn könnte es auch Jahre dauern, bis defekte Satelliten tatsächlich in der Atmosphäre enden. Schon jetzt soll die Ausfallquote bei fünf bis zehn Prozent liegen, heißt es in Astronomenkreisen. Ein weiteres Problem zeigte sich im September vergangenen Jahres: Da der Verkehr im Erdorbit zunehmend dichter wird, konnte nur ein Ausweichmanöver der Esa einen Zusammenstoß eines Starlink- und eines Esa-Satelliten verhindern. Ärger anderer Art erleben hingegen Astronomen, die derzeit Fotoaufnahmen des Alls machen: Mitunter erweisen diese sich als unbrauchbar, weil mal wieder ein himmlischer Satellitenzug durch das Bild gefahren ist.

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