Starker Euro:Das hat Europa nicht verdient

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Der Spurt der Gemeinschaftswährung lässt viele Fragen offen. Wie praktisch, dass zumindest die Schwäche des Dollars angekündigt worden war. (Mai 2003)

Hans von der Hagen

Man hat ja viel gelernt, in den letzten Jahren. Dass es Europa schlecht und den USA besser geht. Dass allein die Vereinigten Staaten den Mumm haben, die ganze Welt mitzureißen. Das eigentlich nur dort klug gehandelt, beherzt gearbeitet und gehörig reformiert wird.

Ändern soll sich das vorerst auch nicht. Manche behaupten gar "nie", weil wir alten Europäer ohne neue Ideen sind.

Und jetzt das: Der Euro steigt, dass man ächzt.

Hieß es doch immer, dass eine Währung im weitesten Sinne so etwas wie die Aktie eines Landes sei. Wenn sie also steige, die Marktteilnehmer viel Vertrauen in einen Staat setzten. Gibt es denn nun plötzlich soviel Zuversicht für die Euro-Länder?

Genau genommen wurde dem Euro nur ein einziges Mal etwas zugetraut, das war vor seiner Einführung, bevor es richtig ernst wurde. Bis auf über 1,30 Dollar sahen ihn übermütige Volkswirte wuchern. Die Zentralbanken beispielsweise würden sich förmlich auf ihn stürzen, um etwa Teile ihrer Dollarreserven gegen Euro zu tauschen. Das würde den Kurs treiben.

Pünktlich zum Euro-Start begann indes der lange tiefe Fall, der selbst die größten Pessimisten nicht enttäuschte.

Als die Gemeinschaftsdevise dann allerdings knapp über 81 US-Cent halt machte, waren viele zur Überzeugung gelangt, dass dieses Niveau angesichts der aktuellen Verfassung von Euroland eigentlich ganz angemessen sei. Die Europäer hätten nun das, was sie bräuchten.

Immerhin - als leicht unterbewertet galt der Euro schon. 85, vielleicht 90 US-Cent sollte er schon haben, hieß es. Langsam kam er dann auch wieder in Fahrt, mit vielen Pausen zwar, aber mit der Richtung nach oben.

Der Anstieg nährte die Optimisten und irgendwann im zweiten Quartal 2002 ging es schneller. Plötzlich war die Parität da, es folgte eine neuerliche Ruhephase und dann ging es richtig los. 1,05 - 1,10 - 1,15 und am vergangenen Dienstag sogar mehr als 1,19 Dollar.

Suche nach den Ursachen

Warum nur? Europa geht es nicht besser als den Vereinigten Staaten, die noch dazu mit dem derzeit schwachen Dollar, den niedrigen Zinsen und den jüngsten Steuersenkungen beinahe schon die besten aller Voraussetzungen für einen Aufschwung haben.

Es fehlt also an Argumenten, die einen starken Euro erklären können, darum werden immer wieder die Gründe für einen schwachen Dollar aufgetischt: Die enormen US-Defizite im Staatshaushalt und im Außenhandel, die hohe Arbeitslosenquote und die tiefe Wachstumsrate.

Die schwache Konstitution des US-Haushalts ist freilich nicht neu und die Entwicklung der Fundamentaldaten zeigt eher positive Tendenzen. Daher kann die Wirtschaftslage allein kaum die Schwäche des Dollar erklären — schon gar nicht angesichts der jüngsten trostlosen Konjunkturdaten der EU.

Was eher hilft, ist ein Blick auf die Zinsunterschiede beidseits des Atlantiks. In Europa erhalten Anleger für kurzfristige Staatspapiere mit derzeit 2,20 Prozent etwa doppelt so viel wie in den Vereinigten Staaten — bei gleichem Ausfallrisiko. Die großen Investoren verhalten sich da nicht anders als die kleinen: Sofern die Risken ähnlich sind, wird das Geld dort angelegt, wo es mehr bringt. Im Umkehrschluss heißt das dann aber auch, dass nach der für Anfang Juni erwarteten Zinssenkung seitens der EZB der Kurs des Euro wieder nachgeben könnte.

Doch die Zinsdifferenz zwischen Europa und USA kann den Euro-Anstieg ebenfalls nicht hinreichend begründen, zumal sich der Euro derzeit auf einem Niveau bewegt, das einen Rückschlag — ganz unabhängig von einer möglichen Zinssenkung — zunehmend wahrscheinlicher macht.

Noch weitere Gründe werden immer wieder genannt: Manche Investoren, die zuletzt wieder auf einen fallenden Euro gesetzt haben, müssten jetzt eilig Euro nachkaufen. Oder: Zentralbanken würden derzeit ihre Eurobestände zulasten von Yen und Dollar aufstocken.

Deutlich wird jedenfalls: Währungsbewegungen lassen sich nicht eindimensional erfassen, oft genug spielt sogar die Politik eine Rolle. Zwar bewegen Worte allein meist nicht viel — das bewies die EU in Zeiten der Euro-Schwäche oft genug — doch hat zuletzt die wiederholte Betonung der Vorteile eines schwachen Dollar seitens der US-Regierung die Finanzmärkte eben doch verunsichert (Graphik).

Bleibt die Frage, ob sich Europa eine starke Währung leisten kann. Die EZB hat keine Probleme damit: Die Gemeinschaftswährung sei "zurück in der Normalität", meinte jüngst das niederländische EZB-Ratsmitglied Nout Wellink. Immerhin liege der Euro nur auf seinem Startniveau.

Wellink sagte auch, dass "eine starke Währung die Wirtschaft unter Druck setzt" und die Wirtschaft sich daran anpassen und stärker werden müsse.

Das mag richtig sein, wünschenswert ist es in der gegenwärtigen Lagen jedoch nicht, zumal Europa mit einer schwächeren Währung auf eines der elegantesten und günstigsten Konjunkturprogramme überhaupt verzichtet.

Eine starke Währung muss man sich leisten können. Doch Europa hat sie sich noch nicht verdient.

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