Standortpolitik:Hoch oben am Himmel

Standortpolitik: Das Service-Modul für die Orion-Kapsel wird bei Airbus in Bremen gebaut.

Das Service-Modul für die Orion-Kapsel wird bei Airbus in Bremen gebaut.

(Foto: Airbus)

Die Krise der maritimen Wirtschaft hat Bremen hart getroffen. Heute setzt das Land auf die Raumfahrtindustrie.

Von Angelika Slavik

Der Musiker James Last gehörte zu den berühmtesten Söhnen Bremens. Zu den unzähligen Alben, die er bis zu seinem Tod 2015 veröffentlichte, gehörte auch eines mit dem Titel "Grenzenloses Himmelblau". Das passt ganz gut zu seiner Heimatstadt, denn auch Bremen begeistert sich fürs Firmament - wenn auch weniger musikalisch als wirtschaftlich.

Bremen ist heute ein relevanter Standort der Raumfahrtindustrie. Komponenten für die europäischen Ariane-Trägerraketen und für die Satelliten des Navigationssystems Galileo werden hier gefertigt. Bei EADS/Airbus arbeitet man an einem Modul für die bemannte Nasa-Raumkapsel Orion. Und auf dem Campus der Universität gibt es einen 150 Meter hohen Fallturm für Experimente in der Schwerelosigkeit, die sonst nur bei Parabelflügen oder direkt auf der Raumstation ISS möglich wären. Dazu kommen zahlreiche Gründer, die sich in dieser Branche behaupten wollen und von den Kontakten hier profitieren. Insgesamt beschäftigen 140 Unternehmen und 20 Institute in und um Bremen rund 12 000 Menschen in der Raumfahrtindustrie. Sie erwirtschaften vier Milliarden Euro Jahresumsatz in der Region - sind also ein prägender Wirtschaftsfaktor für das Land.

Tatsächlich hat Bremen als Standort für Wirtschaft und Wissenschaft zahlreiche Erfolge vorzuweisen, die Etablierung eines Raumfahrtclusters ist nur einer davon. Auch als Standort für die Automobilindustrie ist Bremen gefestigt, im Daimler-Werk arbeiten etwa 12 500 Menschen, es ist damit der größte private Arbeitgeber in der Stadt. Dazu kommen zahlreiche Traditionsunternehmen, und auch wenn einige davon mittlerweile zu großen internationalen Konzernen gehören, ist da dieses alte Erbe: Kaffee, Tee, Schokolade.

Dass Bremen trotz aller Erfolge seit Jahrzehnten in Schwierigkeiten steckt, hat auch mit der Branche zu tun, die das Land einst groß gemacht hat: die maritime Wirtschaft. Der Niedergang der Schiffsindustrie traf seit den Achtzigerjahren viele Werften in Bremen und Bremerhaven, viele tausend Arbeitsplätze gingen verloren. Daran, die Langzeitarbeitslosigkeit zu reduzieren, ist Bremen bislang grundlegend gescheitert. Die sozialen Unterschiede im Bundesland sind hoch.

Besonders in Bremerhaven haben die Bemühungen um neue Wirtschaftsimpulse oder wenigstens etwas Optimismus bislang nur wenig gefruchtet. Hier sind nicht nur die Zahlen schlecht, sondern auch die Stimmung. Einzelne Stadtviertel wurden über viele Jahre dem Verfall preisgegeben. Versucht man nun, sie zu revitalisieren, macht das auch vielen Bewohnern Angst vor Gentrifizierung.

Ebenfalls eine langjährige Bremer Baustelle ist das Schulwesen: Beim Pisa-Test, der die Leistungen von Schülern unterschiedlichen Alters misst, belegt Bremen seit fast zwei Jahrzehnten immer den letzten Platz. Das liegt weniger am System an sich, als daran, dass es im Land vergleichsweise viele sozial schwierige Viertel gibt. Kinder, die dort zu Hause sind, haben es erheblich schwerer, in der Schule mitzuhalten. Die Zahl der Schüler, die besondere Förderung bräuchten, hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen, die Zahl der Lehrer, die so eine Förderung anbieten können, aber nicht. Das ist nicht nur ein soziales, sondern auch ein wirtschaftliches Problem: Ohne gute Ausbildung ist es schwer, sich am Arbeitsmarkt zu behaupten. Und der Wirtschaft fehlen dann mittelfristig sowohl Fachkräfte als auch kaufkräftige Konsumenten.

"The sky is not the limit", bewirbt sich Bremen als Standort. Nicht alle kommen so hoch hinaus.

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