Stahlkonzern:"Wut, Ärger"

Thyssenkrupp - Hochofen

Ein Stahlarbeiter in Duisburg: Die hiesige Industrie leidet unter billigen Importen mit laschen Umweltauflagen.

(Foto: Rolf Vennenbernd/dpa)

Der Konzernumbau von Thyssenkrupp erleichtert die Investoren, doch er verunsichert Beschäftigte.

Von Benedikt Müller, Duisburg

So erleichtert Investoren über die Wende bei Thyssenkrupp sind, so sehr verunsichert sie die Beschäftigten: Der Industriekonzern hatte am Freitag angekündigt, dass er seine Stahlwerke doch nicht in ein Gemeinschaftsunternehmen mit dem Konkurrenten Tata auslagern wird, weil die EU-Kommission dies blockiere. Stattdessen will Thyssenkrupp zu einer schlanken Dachgesellschaft werden, 6000 Stellen abbauen und das profitable Geschäft mit Aufzügen an die Börse bringen.

"Freitag ist eine Bombe explodiert und wir wissen nicht, wann die nächste Bombe explodiert", sagt Knut Giesler, Bezirksleiter der Gewerkschaft IG Metall in Nordrhein-Westfalen. Dass Thyssenkrupp betriebsbedingte Kündigungen zunächst nicht ausgeschlossen hat, habe zu "Frustration, Wut, Ärger" geführt, sagt Tekin Nasikkol, Betriebratschef der Stahlsparte.

Denn: Im Falle der Stahlfusion mit Tata hätte der Ruhrkonzern zumindest seinen 27000 Stahlwerkern Beschäftigungs- und Standortgarantien bis Ende 2026 versprochen. "Dieser Weg ist uns nun verstellt", konstatiert Personalvorstand Oliver Burkhard. Stattdessen haben Thyssenkrupp und die IG Metall jetzt ein "Brückenabkommen" getroffen, das "der Unsicherheit etwas entgegensetzt", so Burkhard. Demnach gelten die Garantien immerhin bis Ende diesen Jahres weiter. "Diese Brückenvereinbarung gibt uns jetzt Zeit, um in Ruhe ein Zukunftskonzept für den Stahl zu erarbeiten." Die Gewerkschafter sehen den Vorstand hier bis Jahresende gefordert.

Wie sehr der Umbau nottut, zeigen indes die Zahlen für die erste Hälfte des laufenden Geschäftsjahres, die Thyssenkrupp nun vorgelegt hat. Demnach verdient der Konzern in allen Sparten weniger Geld: Das Komponentengeschäft und die Stahlwerke leiden unter der schwächeren Nachfrage der Autoindustrie, die Aufzugssparte unter höheren Kosten, der Stahlhandel unter niedrigeren Weltmarktpreisen. Im Anlagenbau ist der Verlust binnen Jahresfrist angewachsen. Unter dem Strich steht nach sechs Monaten ein Gewinn von nur 36 Millionen Euro - 89 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum, da Thyssenkrupp nun gut 100 Millionen Euro für eine drohende Kartellstrafe aus mutmaßlichen früheren Vergehen zurückstellen musste.

Der Traditionskonzern ist hoch verschuldet, nachdem er vor Jahren Milliarden für eine letztlich defizitäre Expansion nach Amerika ausgegeben hatte. Thyssenkrupp verdient seit Jahren nicht genug Geld, um in die Zukunft aller Geschäfte zu investieren. Der Aktienkurs war in der vergangenen Woche auf den tiefsten Stand seit 15 Jahren gestürzt. Da half es nur ein wenig, dass der angekündigte Strategiewechsel den Börsenwert am Freitag um 28 Prozent nach oben trieb. Am Dienstag gab die Aktie zeitweise drei Prozent nach.

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