Stahl-Streik abgewendet:"Wir sind sehr zufrieden"

Einigung in letzter Minute: Die 85.000 Stahlkocher in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Bremen bekommen 3,5 Prozent mehr Lohn. Stahlkonzerne finden das Ergebnis akzeptabel, die IG Metall jubiliert, nur Metall-Arbeitgeber-Verbandschef Kannegießer hält den Abschluss für zu hoch.

Die Arbeitgeber und die Gewerkschaft IG Metall einigten sich in Dortmund nach über sechsstündigen Verhandlungen auf diese Gehaltssteigerung.

Damit verhinderten sie quasi in letzter Minute den ersten Tarifstreik in der Stahlindustrie seit rund 26 Jahren. Am Freitag hätte die IG Metall ansonsten mit der Urabstimmung über einen Streik begonnen.

Für die Monate April bis August erhalten die Beschäftigten 500 Euro als Einmalzahlung. Ab September gibt es dann für 12 Monate 3,5 Prozent mehr Lohn. Außerdem sollen Auszubildende einmalig 100 Euro erhalten.

"Fairer Kompromiss"

"Wir sind sehr zufrieden", sagte der Verhandlungsführer der IG Metall, Detlef Wetzel. Dies sei ein "außerordentlich gutes Ergebnis" und ein "fairer Kompromiss". "Es gibt keine Branche, die auch nur annähernd ein so gutes Ergebnis erzielt hat", meinte er.

Mit dem Ergebnis sei eine Beteiligung an der Produktivität der Branche erzielt worden. Die Verhandlungen seien allerdings sehr hart gewesen.

"Vernünftigerweise hätten wir uns einen anderen Kompromiss gewünscht", sagte der Vorsitzende des Arbeitgeberverbandes Stahl, Helmut Koch. "Leider haben wir unsere Vorstellungen nicht so umsetzen können."

Dennoch könne man damit leben. "Entscheidend ist, dass wir einen Arbeitskampf in unserer Industrie vermieden haben", so Koch. Es seien schwierige und zähe Verhandlungen gewesen. Die Stimmung sei jedoch "ordentlich" gewesen.

Der Präsident des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, Martin Kannegiesser, hat den Tarifabschluss dagegen als zu hoch kritisiert. Auch wenn es der Branche derzeit recht gut gehe, sei die Vereinbarung von 3,5 Prozent nicht angemessen, sagte er.

Die neue Gesprächsrunde war auf Veranlassung der Arbeitgeber kurzfristig zu Stande gekommen, nachdem am Dienstag der IG Metall-Vorstand in Frankfurt die Urabstimmung für einen Streik beschlossen hatte.

Die Abstimmung sollte vom 13. bis 19. Mai stattfinden. Die IG Metall hatte jedoch gleichzeitig mehrfach Gesprächsbereitschaft bis zum Beginn der Abstimmung signalisiert. Die Gesprächsrunde war von der Gewerkschaft vor der Einigung als "letzte Chance" vor einem Arbeitskampf bezeichnet worden.

Die Tarifpartner hatten ihre Verhandlungen vor einer Woche ergebnislos abgebrochen. Die IG Metall war mit einer Forderung von 6,5 Prozent bei einer Laufzeit von 12 Monaten in die Tarifrunde gegangen und hatte dies mit der guten Ertragslage der Unternehmen begründet.

Die Arbeitgeber hatten zuletzt ein Angebot von 2,4 Prozent mit einer Laufzeit von 19 Monaten und einer Einmalzahlung von 800 Euro vorgelegt.

Die IG Metall will noch am Mittwoch ihre Mitglieder über das Verhandlungsergebnis informieren. Am Donnerstag tritt dann in Sprockhövel (Ennepe-Ruhr-Kreis) die Tarifkommission der Gewerkschaft zusammen, um über eine Annahme des Abschlusses und damit die Absage der Urabstimmung zu beraten. Die Annahme des Gesprächsergebnisses gilt als sicher.

Maßgeblich für Ostdeutschland und Saarland

Der Abschluss der westdeutschen Stahlindustrie gilt als maßgeblich für die anderen beiden Tarifgebiete Ostdeutschland und Saarland. Die Verhandlungen im Osten haben bereits begonnen. Im Saarland steht der Beginn noch aus.

Der neue Abschluss liegt deutlich über dem der vorherigen Vertragsperiode, die Ende März auslief. Bei einer Laufzeit von 19 Monaten gab es damals nach vier Nullmonaten zunächst eine Erhöhung um 1,7 Prozent für zehn Monate, dann für fünf weitere Monate nochmals 1,1 Prozent. Der damalige Abschluss lag nach Angaben der IG Metall insgesamt leicht unter der Inflationsrate.

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