Wirtschaftspolitik:Wie Deutschland die Provinz retten kann

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Ländliche Regionen in Deutschland: Wohlstand ist woanders. (Foto: ZB)

Supermärkte schließen, die Arztpraxen auch, die Jungen ziehen weg - die Kluft zwischen Land und Stadt wächst. Die Politik muss endlich fördern, was immer mehr fehlt: Orte, die lebenswert sind.

Kommentar von Harald Freiberger

Wohin eine falsch verstandene Romantik des Ländlichen führen kann, beschreibt Juli Zeh in ihrem Roman "Unterleuten". So heißt das imaginäre Brandenburger Dorf, in dem Weltverbesserer aus Berlin ihre Utopie des einfachen Lebens zu verwirklichen versuchen. Dabei brechen alte und neue Konflikte zwischen und mit Einheimischen auf. Die Geschichte endet in Gewalt und Chaos, und die Moral könnte sein, dass man vom flachen Land besser die Finger lässt. Es ist eh nicht zu retten.

So ähnlich klingt es, wenn Reint Gropp, der Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH), über das Thema spricht: "Natürlich ist es hart zu sagen, wir müssen ländliche Räume aufgeben", sagte er vor Kurzem. "Aber nur so haben wir eine Chance, die Unterschiede zwischen Ost und West irgendwann auszugleichen." Die breite Förderung von Regionen lenke staatliches Geld in falsche Richtungen. Er schlägt vor, gezielt die Städte zu unterstützen, nur so ließen sich die wirtschaftlichen Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland ausgleichen. Das flache Land, so klingt es, muss dann eben schauen, wo es bleibt.

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Deutschland droht auseinanderzufallen. Das ist politisch hoch gefährlich

Wohl selten ist ein Wirtschaftsforscher mit seinen Ansichten derart daneben gelegen. Sein Vorschlag, die Städte zu bevorzugen und das Land zu vernachlässigen, würde eines der größten Probleme verschärfen: die Kluft zwischen Stadt und Land, die in den vergangenen Jahren bedrohlich gewachsen ist. Deutschland droht auseinanderzufallen. Das ist nicht nur ein wirtschaftliches Problem, sondern auch politisch hoch gefährlich. Deshalb ist es zentrale Aufgabe von Politik und Wirtschaft, die Kluft zu verringern, nicht zu vergrößern.

Zum Glück gibt es auch andere Ansichten. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) veröffentlichte nun eine Studie, die das glatte Gegenteil behauptet: Es sei falsch, nur noch in Städte als Leuchttürme zu investieren. Alle Regionen müssten gefördert werden. In ihrem Kern sei die Spaltung zwischen Osten und Westen in Deutschland nämlich eine Kluft zwischen Stadt und Land.

Diese Spaltung lässt sich überall beobachten: hier die wirtschaftlich boomenden Großstädte und Ballungsräume wie Hamburg, Berlin, München, Rhein-Neckar und Rhein-Main, die immer weiter auswuchern, dazu prosperierende Mittelstädte wie Freiburg und Regensburg. Dort kleine und zunehmend auch mittelgroße Orte, in denen es an der Grundversorgung mangelt und die Menschen nicht mehr einkaufen oder zum Arzt gehen können. Schön ist es weder hier noch dort: In den Ballungsräumen kollabiert der Verkehr, und die Immobilienpreise sind derart explodiert, dass sich selbst gut Verdienende kein eigenes Heim mehr leisten können. Auf dem Land dagegen steigt der Frust. Es gibt wenig Traurigeres als Orte, aus denen das Leben gewichen ist.

Junge Menschen vom Land ziehen in die Ballungsräume. Das flache Land wird dadurch noch flacher, die Großstädte überhitzen noch stärker. Was in Deutschland immer mehr fehlt, ist die gesunde Mitte: Orte, in denen das Leben für die Menschen lebenswert ist.

Man sieht an den USA, was passiert, wenn man die Provinz vernachlässigt

Deshalb darf die Politik nicht mehr weiter Geld in die großen Leuchttürme pumpen, sie muss gezielt kleine Leuchttürme aufbauen und pflegen. Dazu gehört es, Behörden und Fachhochschulen in kleinere Städte zu legen - ein Weg, den etwa Bayerns Landesregierung ansatzweise erfolgreich verfolgt. Dazu gehören Zuschüsse und steuerliche Vorteile für Unternehmen, die sich abseits der Ballungsräume ansiedeln. Dazu gehört ein schneller Ausbau leistungsfähigerer Internetleitungen. Es braucht einen nationalen Pakt, um das Stadt-Land-Gefälle zu verringern.

Natürlich kann es für die große Politik nicht darum gehen, jedes kleine Dorf zu fördern. Das ist Aufgabe der Kommunen selbst. Im Übrigen gibt es viele Initiativen im Land, die dafür kämpfen, dass ihr Dorf, ihr Markt oder ihre Kleinstadt lebenswert bleibt. Bund und Länder können diese Initiativen aber unterstützen, indem sie sich stärker auf Städte konzentrieren, die den Mittelpunkt einer strukturschwachen Region bilden.

Was passiert, wenn die Politik dieses Thema vernachlässigt, lässt sich gut in den USA besichtigen. Die Wahl von Donald Trump zum Präsidenten hat auch mit einem Auseinanderdriften von Stadt und Land, von Eliten und Bevölkerung zu tun. Wenn die Gräben in einer Gesellschaft zu groß werden, ist das eine Gefahr für die Demokratie. Es gehört zu den wichtigsten Aufgaben der Politik, ähnliche Lebensbedingungen für alle Teile der Bevölkerung anzustreben. Das flache Land ist zu retten, man muss sich nur anstrengen.

© SZ vom 03.04.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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