EU-Stabilitätspakt:Auch grüne Schulden sind Schulden

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Windräder in Brandenburg: EU-Staaten müssen in Klimaschutz investieren - und zugleich auf Haushaltsdisziplin achten. Ein schwieriger Spagat. (Foto: Patrick Pleul/dpa)

Die EU diskutiert darüber, den Stabilitätspakt klimafreundlicher zu gestalten. Die Regeln für solide Haushaltsführung könnten dann Öko-Ausgaben nachsichtiger behandeln. Doch das wäre gefährlich.

Von Björn Finke

Es wird eine heiße Debatte, und das Wochenende hat einen Vorgeschmack geliefert: Am Samstag diskutierten die EU-Finanzminister bei einem Treffen in Slowenien darüber, wie Investitionen in Klimaschutz in Einklang zu bringen sind mit soliden Staatshaushalten. Im Herbst will die Kommission mit Beratungen beginnen, ob und wie der Stabilitätspakt reformiert werden muss. Die Frage nach den Milliarden für das Klima wird da einer der heikelsten Punkte sein. Hier die richtige Balance zu finden, wird schwierig, ist aber enorm wichtig. Denn geht das schief, wären die ebenso ehrgeizigen wie nötigen Klimaschutzziele der EU gefährdet - oder vielleicht das Überleben der Eurozone.

Wegen der Corona-Krise hat die Kommission den Stabilitätspakt ausgesetzt. Der schreibt normalerweise vor, dass die jährlichen Haushaltsdefizite drei Prozent der Wirtschaftsleistung nicht überschreiten dürfen; beim Schuldenstand sollen die Regierungen 60 Prozent anstreben. Doch wenn diese Regeln für solide Haushaltsführung wieder in Kraft treten, voraussichtlich Anfang 2023, werden die Schuldenberge kräftig gestiegen sein. Die Regierungen werden Defizite senken und die Schuldenlast verringern müssen.

Zugleich sind allerdings enorme staatliche Investitionen in den klimafreundlichen Umbau der Wirtschaft notwendig. Den Finanzministern wurde in Slowenien eine Studie präsentiert, die diese Zusatzausgaben der Regierungen mit bis zu einem Prozent der Wirtschaftsleistung pro Jahr beziffert. Die Minister könnte das in Konflikt mit dem Stabilitätspakt bringen. Damit sie trotzdem investieren, sollte die Kommission derartige grüne Ausgaben bei der Ermittlung der Haushaltsdefizite und Schuldenstände außen vorlassen, lautet ein Vorschlag.

Das klingt elegant, hat jedoch zwei gravierende Nachteile. Zum einen würde es schwierig, genau festzulegen, was grüne Investitionen sind. Klamme Regierungen hätten große Anreize, so viel wie möglich als ökologisch zu deklarieren. Zum anderen wäre es den Finanzmärkten egal, was die Kommission herausrechnet: Schulden sind Schulden, ob grün oder nicht. Halten Investoren den Schuldenstand für nicht mehr tragfähig, bekommt die Regierung Probleme, sich auf den Märkten neue Kredite zu besorgen. In solchen Fällen springt zwar der Euro-Rettungsfonds ESM ein, trotzdem könnte es die Eurozone zerreißen, würden Schwergewichte wie Italien oder Frankreich in so eine Schieflage geraten. Genau das sollen die Regeln des Stabilitätspakts verhindern - sie sind kein Selbstzweck, sondern das Fundament des Euro.

Lieber bei Renten oder beim Klimaschutz sparen?

Den Konflikt zwischen grünen Investitionen und Haushaltsdisziplin verschärft noch der demografische Wandel. Die Bevölkerung wird älter, Regierungen werden mehr für Rente und Gesundheit ausgeben müssen. Finanzminister könnten dann vor der hässlichen Wahl stehen, entweder Klima-Investitionen zu vernachlässigen oder Rentner gegen sich aufzubringen oder mit überbordenden Defiziten die Kommission und die Finanzmärkte zu beunruhigen.

Dieses Dilemma kann nur eine Sache abschwächen: kräftiges, aber klimafreundliches Wirtschaftswachstum. Brummt die Wirtschaft, kassiert die Regierung mehr Steuern. Zugleich sinken Staatsschuldenquote und Haushaltsdefizit, weil diese in Prozent der Wirtschaftsleistung ausgedrückt werden. Dummerweise belastet der demografische Wandel auch das Wachstum; es fällt in alten Gesellschaften oft niedriger aus als in jungen, dynamischen. Umso wichtiger sind daher wachstumsfördernde Reformen. Regierungen sollten Bürokratie abbauen, Arbeitsmärkte flexibilisieren, in die Digitalisierung investieren oder Gründer unterstützen. Außerdem muss die EU verbleibende Hürden beim Binnenmarkt niederreißen, damit Unternehmen besser vom riesigen europäischen Heimatmarkt profitieren können.

Verfolgen hoch verschuldete Regierungen wie die italienische einen glaubwürdigen Reformkurs, sollte die Kommission sie belohnen: mit Nachsicht, wenn grüne Investitionen mal die Grenzen des Stabilitätspakts sprengen. Ohne Reformen und ohne die Aussicht auf stärkeres Wachstum wäre solche Nachsicht hingegen brandgefährlich.

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