Süddeutsche Zeitung

Staatsverschuldung:Jetzt wird es teuer für Deutschland

Die Bundesrepublik ist hochverschuldet - und das wird sich auch unter der neuen Regierung nicht ändern. Um das zu verhindern, müssten die Steuern drastisch erhöht oder die Staatsausgaben deutlich gekürzt werden. Doch wer traut sich da ran?

Ein Kommentar von Marc Beise

Es ist vorbei - aber nur fürs Erste. Nach dem langen Bundestagswahlkampf und dem Urnengang am Sonntag kehrt nur ganz kurz Ruhe ein. An diesem Montag geht es dann weiter, Wunden lecken und Positionen beziehen. Aber es wird nicht leichter jetzt, für die Gewählten nicht und auch nicht für die Wähler. Es wird nur anders.

Drei Phasen sind nun zu unterscheiden. Erstens das Gerangel der Politiker, das hat ja noch am Wahlabend begonnen. Zweitens die konkreten Verhandlungen, schon zwischen CDU und CSU, für die sich die Bürger häufig weniger interessieren als für den Wahlkampf - obwohl es doch dann endlich konkret wird. Das ist die Zeit der Kompromisse, bei denen Kurioses herauskommen kann, wie damals bei der großen Koalition, als die Einigung bei der Mehrwertsteuererhöhung zwischen der Forderung "null" und "zwei" dann "drei" Prozentpunkte ergab.

Am spannendsten wird Phase drei: die Rechnung für die Bürger. Diese Rechnung wird, das kann man schon heute sagen, hoch sein. Denn die neue Regierung wird, ob sie will oder nicht, mit der beträchtlichen Gesamtverschuldung Deutschlands und mit den Kosten der Euro-Rettung konfrontiert werden. In beiden Fällen ist die Ausgangslage so schlecht, dass sich die Sieger und deren Wähler nicht lange über ihren Erfolg werden freuen können.

Nachhaltigkeitslücke wird wachsen

Die überparteiliche Stiftung Marktwirtschaft hat die Auswirkungen der Wahlprogramme der Parteien auf die Nachhaltigkeit der öffentlichen Finanzen untersuchen lassen. Dabei hat sich gezeigt, dass alle Parteien - und zwar ausnahmslos - zahlreiche neue Leistungsversprechen gegeben haben, deren Umsetzung die sogenannte Nachhaltigkeitslücke nach oben treiben wird.

Bei der Nachhaltigkeitslücke geht es um ein Instrument, das Generationenforscher der Universität Freiburg entwickelt haben, um die langfristige Entwicklung der öffentlichen Finanzen so glaubwürdig vorherzusagen, wie das eben geht. Dazu erstellen die Wissenschaftler Jahr für Jahr eine Generationenbilanz: Sie füttern dazu ihre Computer mit Annahmen zur demografischen Entwicklung sowie zu den wirtschaftlichen und fiskalpolitischen Rahmenbedingungen.

Heraus kommt das Verhältnis zwischen Ausgaben und Einnahmen der öffentlichen Haushalte, man muss wohl sagen: das Missverhältnis der beiden. Denn die heutige und vor allem künftige Staatsverschuldung, die so ermittelt werden kann, ist gewaltig. Das gilt bereits für die explizite Staatsverschuldung, also die Summe, die die öffentliche Hand sich an den internationalen Finanzmärkten geliehen hat: mittlerweile mehr als zwei Billionen Euro.

Steuern erhöhen oder Ausgaben senken

Hinzu kommt - und das ist der Clou - die implizite Staatsverschuldung, also die bereits erworbenen und bei Fortführung der derzeitigen Politik noch entstehenden Ansprüche heute und künftig lebender Generationen gegenüber dem Staat, also etwa die Lasten für Pensionen der Beamten, die überwiegend nicht zurückgelegt sind, sondern jeweils aktuell aufgebracht werden müssen. Diese implizite Staatsverschuldung ist doppelt so hoch wie die explizite.

In der Summe errechnet das Forschungszentrum Generationenverträge derzeit eine Nachhaltigkeitslücke in Höhe von 5,9 Billionen Euro, das ist mehr als das Doppelte der jährlichen Wirtschaftsleistung, konkret 227 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Wollte man das Missverhältnis zwischen Ausgaben und Einnahmen ausgleichen, müssten entweder alle Steuern und Abgaben um elf Prozent erhöht oder die Staatsausgaben um 9,4 Prozent gesenkt werden.

Zeitbombe Staatsverschuldung

Diese Nachhaltigkeitslücke allmählich zu schließen, fordern Experten seit Jahren. Stattdessen hat sich die Politik parteiübergreifend mit der Verwaltung des Status quo begnügt und sogar immer neue Leistungen eingeführt - und in den Wahlprogrammen weitere versprochen.

Selbst bei der FDP, die bekanntlich eher zurückhaltend war bei der Ankündigung neuer Ausgaben, würden sich bei Umsetzung des Wahlprogramms deutliche Mehrbelastungen ergeben, bei der Union erst recht. Von SPD, Grünen und Linken ganz zu schweigen (dort allerdings durch geplante höhere Steuereinnahmen leicht abgefedert, die wiederum aber das Wachstum mindern würden).

Einen langfristigen Schuldenabbau jedenfalls bekommt man mit keinem Parteiprogramm hin. Damit aber bleibt die Verschuldung (vor allem angesichts der Gefahr steigender Zinsen) eine Zeitbombe, wie auch die Euro-Krise, deren Kosten ebenso wenig abzusehen sind. Am Ende wird es also teuer.

Das immerhin ist sicher. Schön ist es nicht.

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SZ vom 23.09.2013/mahu/gba
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