Schulden:Lindner will es hochverschuldeten EU-Staaten einfacher machen

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Die EU-Kommission entschied zuletzt, die Schuldenregeln 2023 erneut auszusetzen. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hatte sich dagegen ausgesprochen. (Foto: Emmanuele Contini/imago)

Bei der anstehenden Reformierung der Schuldenregeln will die Bundesregierung künftig auf realistische Vorgaben setzen. Gerade Länder wie Griechenland oder Italien dürften davon profitieren.

Von Henrike Roßbach, Berlin

Die Bundesregierung hat sich auf eine gemeinsame Position geeinigt, wie aus deutscher Sicht die Schuldenregeln im Euro-Raum reformiert werden könnten. "Für uns als Bundesregierung ist es wichtig, dass Deutschland frühzeitig sprechfähig ist", sagte ein Regierungsmitglied am Freitag mit Blick auf die europäische Debatte, die im Herbst Fahrt aufnehmen dürfte. Im Kern tritt Deutschland dafür ein, dass die geltenden Regeln erhalten bleiben, aber "klarer, umsetzbar und überwachbar" werden.

Der Stabilitäts- und Wachstumspakt legt die Spielregeln in der Währungsunion fest und soll dadurch für Budgetdisziplin sorgen. So darf unter anderem die Neuverschuldung in wirtschaftlich normalen Zeiten höchstens drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts betragen. Auch die Staatsverschuldung darf 60 Prozent nicht überschreiten. Das Problem ist nur: Beide Quoten werden von den Euro-Ländern ständig missachtet. Für einige Staaten erscheint vor allem die Schuldenstandsquote inzwischen unerreichbar. Deshalb soll das Regelwerk reformiert werden. Kurz gesagt lautet das Berliner Motto: Ziele, die ohnehin unerreichbar sind, dienen nicht der Stabilisierung, sondern laden vielmehr zur Umgehung ein.

Grundlage für den deutschen Vorschlag, der auf Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) zurückgeht, ist der Koalitionsvertrag. Darin heißt es: "Wir wollen die Wirtschafts- und Währungsunion stärken und vertiefen." Der Pakt habe "seine Flexibilität bewiesen", er solle aber "einfacher und transparenter werden, auch um seine Durchsetzung zu stärken".

Mit den neuen Regeln hätten Länder wie Italien oder Griechenland mehr Handlungsspielraum

In dem Papier der Regierung werden nun "Schuldentragfähigkeit und die Sicherung solider Haushalte" als Kernziele des Regelwerks genannt. Angemahnt wird die "Umsetzung eines stabilitätssichernden und wachstumsfreundlichen Schuldenabbaupfades", indem Haushaltsdefizite schrittweise abgebaut werden. In normalen Zeiten müssten Puffer aufgebaut werden.

Gefordert wird der Abbau der Schuldenstände, allerdings immer "im Verhältnis zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit". Das bedeutet: Ein Land könnte aus seinen Schulden auch herauswachsen, denn wenn die Wirtschaft kräftig wächst, sinkt die Schuldenquote auch dann, wenn die Schulden nur wenig oder gar nicht abgebaut werden. So sollen vor allem hochverschuldete Länder fiskalischen Handlungsspielraum behalten.

Veränderungsbereitschaft signalisiert die Regierung bei der umstrittenen Zwanzigstel-Regel. Eigentlich müssen Länder mit einer Schuldenquote jenseits von 60 Prozent jedes Jahr ein Zwanzigstel der Differenz zwischen ihrer tatsächlichen Quote und dieser Zielmarke abbauen. Das ist aber für Staaten wie Griechenland oder Italien kaum umsetzbar. Um "unrealistische Anpassungspfade zu vermeiden", schlägt die Ampel-Regierung deshalb vor, dass auf die Einhaltung der Zwanzigstel-Regel verzichtet werden kann, wenn es stattdessen einen verbindlichen Schuldenabbaupfad zu einem festgelegten Haushaltsziel gibt.

Ende Mai hatte die Kommission verkündet, die EU-Schuldenregeln 2023 krisenbedingt ein weiteres Mal auszusetzen, gegen den Willen Lindners. Mit Blick auf steigende Zinsen und die Inflation hieß es am Freitag jedoch aus Regierungskreisen, die Umstände, unter denen in Europa über Schulden diskutiert würde, hätten sich "deutlich" verändert. Berlin wittert nun die "allgemeine Einsicht, dass die Verschuldung nicht die Lösung aller Probleme" sein könne.

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