Süddeutsche Zeitung

Staatsbank KfW:Millionenpanne bleibt ungesühnt

Die Staatsbank KfW hatte der insolventen Lehman-Bank Millionen überwiesen. Doch es passiert - nichts: Das Verfahren wird wohl eingestellt.

Klaus Ott

Vor gut anderthalb Jahren, als die internationale Finanzkrise beinahe außer Kontrolle geriet, war die KfW als "Deutschlands dümmste Bank" verspottet worden. Das staatliche Kreditinstitut mit Sitz in Frankfurt, das vor allem dem Bund gehört, hatte sich eine folgenschwere Panne geleistet. Nach der Pleite des US-Investmenthauses Lehman Brothers am 15. September 2008 hatte die KfW noch 320 Millionen Euro an die insolvente Bank in New York überwiesen, statt alle Transfers sofort zu stoppen.

Empörte Bürger zeigten den KfW-Vorstand bei der Frankfurter Staatsanwaltschaft an, und die begann, wegen Veruntreuung von Bankvermögen zu ermitteln. Doch das Geld war erst mal weg.

"Mangels Schuld"

Jetzt steht so gut wie fest: Keiner der damaligen Verantwortlichen muss vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt will nach Informationen der Süddeutschen Zeitung ihre Verfahren gegen aktive und ehemalige KfW-Vorstände mangels Schuld einstellen. Das hat die zuständige Fachabteilung entschieden. Sofern die Generalstaatsanwaltschaft als vorgesetzte Behörde keinen Einspruch erhebt, werden die Akten demnächst geschlossen.

Im Fokus der Strafverfolger waren zuletzt vor allem die von der KfW gefeuerten Ex-Vorstandsmitglieder Detlef Leinberger und Peter Fleischer gewesen. Sie haben jetzt gute Chancen, von der Staatsbank nachträglich Gehälter und Boni zu kassieren. Die KfW äußert sich dazu nicht. Auch die Staatsanwaltschaft schweigt; sie nimmt nicht Stellung zum Stand der Verfahrens.

Leinberger und Fleischer waren bei der KfW für das Risikomanagement zuständig und nach der Panne für Mängel bei der Risikokontrolle verantwortlich gemacht und fristlos gekündigt worden. Der mit zahlreichen Politikern besetzte Verwaltungsrat der KfW, der die Staatsbank kontrolliert, wollte offenbar ein Exempel statuieren.

Insbesondere der damalige Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) schimpfte lauthals über unfähige Bankvorstände. Nach umfangreichen Ermittlungen unter Mithilfe des Bundeskriminalamtes kam die Staatsanwaltschaft jetzt aber zu dem Ergebnis, der seinerzeitige Bankvorstand habe seine Amtspflichten nicht vorsätzlich vernachlässigt. Von Anklagen sei abzusehen. Auch grobe Fahrlässigkeit liegt offenbar nicht vor.

Leinberger hat bei Gericht in erster Instanz bereits erfolgreich fast eine halbe Million bei der KfW eingeklagt. Und Fleischer bekam von den 2,3 Millionen Euro, die er fordert, knapp eine Million Euro zugesprochen. Beide Entscheidungen sind aber noch nicht rechtskräftig.

Die Staatsbank solle nunmehr überlegen, ob ein Vergleich mit Leinberger und Fleischer sinnvoll wäre, rät die Bundestagsabgeordnete Christine Scheel von den Grünen. Die Finanzpolitikerin gehört dem Verwaltungsrat der KfW an, der sich am 10. Juni wieder trifft und dann den Fall noch einmal beraten dürfte. Scheel vermutet, die frühere Bundesregierung sei mitschuldig an der Millionenpanne.

Das Finanz- und das Wirtschaftsministerium hätten "dafür sorgen müssen, dass die KfW vernünftig organisiert ist". Stattdessen sei die Verantwortung für die Staatsbank zwischen den beiden Ministerien hin- und hergeschoben worden. Womöglich seien "Kontrollfunktionen vernachlässigt" worden. Nach der Überweisungspanne waren diverse Mängel in der Staatsbank zutage getreten, die nach Angaben der KfW anschließend behoben wurden.

Warnungen nicht beachtet

Interne Warnungen vor einer Schieflage von Lehmann Brothers, die rechtzeitig vor der Pleite des US-Instituts erfolgten, waren nicht beachtet worden. So konnte es passieren, dass ein am 10. Juli 2008 mit Lehman vereinbartes Währungsgeschäft nach der Pleite der US-Bank am 15. September 2008 noch abgewickelt wurde. Niemand hatte den im elektronischen Überweisungssystem gespeicherten Geldtransfer erkannt und gestoppt.

"Bei der KfW scheint doch einiges im Argen gelegen zu haben", stellte ein Frankfurter Richter fest, der im Herbst 2009 dem rausgeworfenen Vorstandsmitglied Leinberger nachträglich Gehalt und Boni zusprach. Diese Mängel, so der Richter, seien nicht erst in Leinbergers Amtszeit entstanden. Auch Fleischer treffe keine Schuld, behauptet dessen Anwalt Jürgen Fischer. Die geplante Einstellung des Ermittlungsverfahrens sei "überfällig".

Die KfW hat von den versehentlich nach New York überwiesenen 320 Millionen Euro 200 Millionen erstattet bekommen. Mehr als 100 Millionen Euro fehlen noch. Ob davon noch etwas zurückfließt, hängt ganz davon ab, was am Ende des Insolvenzverfahrens für die Gläubiger von Lehman übrig bleibt. Bei solchen Pleiten ist das meist nicht viel.

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SZ vom 03.05.2010/ehr
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