Süddeutsche Zeitung

Staatliches Gütesiegel:Neues Label soll Kunden über Tierhaltung informieren

  • Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt (CSU) will Schweinefleisch und später auch Rindfleisch mit einem Label über die Haltungsbedingungen der Tiere versehen.
  • Eine Kennzeichnung für dürftige Lebensbedingungen soll es nicht geben. Vielmehr soll das Label freiwillig sein.
  • Verbraucherschützer kritisieren die Brancheninitiative als intransparent und fordern eine verpflichtende Kennzeichnung von Fleisch.

Von Kristiana Ludwig, Berlin

Wie die Henne lebt, deren Ei im Supermarkt liegt, ist leicht zu erkennen. Eine von vier Zahlen, als erste Ziffer auf die Eierschale gestempelt, gibt Auskunft über die Haltungsbedingungen der Tiere: 0 steht für ökologische Erzeugung, 1 für Freilandhaltung, 2 für Bodenhaltung, 3 für den Käfig. Seit dem Jahr 2005 sind diese Stempel Pflicht. Und seit mehr als drei Jahren gibt es so gut wie kein Lebensmittelgeschäft mehr in Deutschland, das noch frische Eier aus Käfighaltung in seinem Sortiment hat.

Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) plant nun, auch die Produkte anderer Tiere zu kennzeichnen. In einem Eckpunktepapier, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt, schlägt er ein staatliches Tierwohl-Label vor. Es soll zunächst bei Schweinefleisch und möglicherweise Geflügel, später dann auch bei Rindfleisch und Milch die Haltungsbedingungen der Tiere deutlich machen. Selbst ihre Aufzucht und ihre Behandlung beim Transport und bei der Schlachtung soll sich künftig in dem Label niederschlagen. Dem Minister schwebt dabei ein mehrstufiges Label vor. Private Kontrolleure sollen dazu Landwirtschaftsbetriebe zertifizieren.

Doch anders als bei der Kennzeichnung der Eier, bei denen Käfighaltung wohl eine abschreckende Wirkung auf die Käufer hatte, spricht sich Schmidt bei seinem neuen Label für eine "Vermeidung von Negativ-Kommunikation" aus. Eine Kennzeichnung für dürftige Lebensbedingungen soll es nicht geben. Vielmehr soll das Label freiwillig sein. Minister Schmidt will die Landwirte ermutigen, sich für eine bessere Tierhaltung einen positiven Stempel abzuholen. Um möglichst viele von ihnen zu erreichen, soll die Hürde niedrig sein. In dem Papier spricht Schmidt von "dynamisch angelegten Kriterien" - solche, die von den Bauern keine zu großen Investitionen in bessere Ställe verlangen. Zugleich soll das Tierwohl-Label "aber klare Zielsetzungen mit verbindlicher Perspektive" erfordern. Etwa, dass Landwirte zusagen, bald darauf zu verzichten, die Schwänze von Schweinen zu beschneiden.

Verbraucherschützer kritisieren die Brancheninitiative als intransparent

Mit diesem Ansatz folgt er einer Brancheninitiative von Landwirtschafts- und Lebensmittelverbänden, die bereits seit Anfang 2015 von großen Supermarktketten wie Aldi, Lidl, Kaufland oder Rewe finanziert wird. Landwirte können hier über einen Fonds Geld abrufen, das sie in die Verbesserung der Tierhaltung investieren sollen. Im Gegenzug dürfen die Supermärkte das Label der "Initiative Tierwohl" zeigen. Ein buntes Emblem mit schriftlichem Zusatz: "Diese Information bedeutet nicht, dass die erworbenen Produkte bereits vollständig aus teilnehmenden Betrieben stammen".

Verbraucherschützer kritisieren die Brancheninitiative als intransparent und wenig wirksam. Die Anforderungen an die Bauern seien gering, ein komplexes Auswahlsystem für den Betriebsumbau lasse ihnen zu viel Spielraum. Im September kündigte der Deutsche Tierschutzbund seine Mitarbeit an der Initiative auf. Dennoch hält Schmidt in seinen Eckpunkten fest, dass er "systematisch Schnittstellen zwischen Brancheninitiative und Label anlegen" will und "betonen" möchte, dass sich das staatliche Siegel und das der Lebensmittelwirtschaft ergänzten.

Doch auch die Vorgaben des Deutschen Tierschutzbunds sollen sich in dem neuen Siegel wiederfinden. Deren Kriterienkataloge sowie "strikte, unangekündigte Kontrollen" könnten künftig Vorbild für Schmidts Etikett werden, schreibt er. Unterm Strich, sagt die Sprecherin des Verbraucherschutzzentrale Bundesverbands, bewerte man Schmidts Vorhaben deshalb als "sehr positiv".

Eine Umfrage hatte Anfang des Jahres ergeben, dass etwa zwei Drittel der Verbraucher mehr für Fleisch zahlen würden, wenn die Tierhaltung dadurch besser sei. Bislang fehlte fast der Hälfte der Befragten allerdings das Wissen, woran sie Fleisch aus artgerechter Haltung erkennen können. Etwa neun von zehn Verbrauchern konnten auf Anhieb kein Label für Tierschutz nennen - obwohl verschiedene Bio- und Tierschutzverbände längst solche Etiketten eingeführt haben. Dem würde ein "staatliches Informationskonzept", wie es Christian Schmidt vorschlägt, entgegenwirken.

Die Verbraucherschützer fordern darüber hinaus eine verpflichtende Kennzeichnung von Fleisch. Auch für solche Betriebe, die sich nicht besonders um Tierschutz bemühen. Ähnlich sieht es die Grünen-Verbraucherschutzpolitikerin Nicole Maisch: "Statt eines freiwilligen Labels brauchen wir eine verbindliche Haltungskennzeichnung, so dass auf jedem Stück Fleisch und jeder Packung Milch klar zu erkennen ist, unter welchen Bedingungen die Tiere gehalten wurden", sagt sie.

Das Wohlbefinden von Schweinen hängt nicht nur von der Art des Stalls ab

Dies genau festzustellen, könnte das Ministerium allerdings vor eine Herausforderung stellen. Denn die eingängige Kennzeichnung der Hühnereier lässt sich auf die Haltungsbedingungen anderer Tiere nicht ohne Weiteres übertragen. Das Wohlbefinden von Schweinen, zum Beispiel, hängt laut Tierschutzbund nicht nur von der Art des Stalls ab, sondern auch davon, ob ihnen genügend Material zur Verfügung steht, mit dem sie sich beschäftigen können. Ohne Stroh, Hanfseile oder Bälle können die intelligenten Tiere auch in einem geräumigen Stall aggressiv werden und einander angreifen.

Peter Kunzmann, der in Hannover Angewandte Ethik in der Tiermedizin erforscht, empfiehlt deshalb, das Wohl der Tiere an ihrem Verhalten und Erscheinungsbild abzulesen. Sogenannte tierbezogene Indikatoren - etwa, ob die Krallen von Vögeln entzündet sind - seien ausschlaggebend, um die Haltung zu bewerten. Kunzmann war Mitglied eines Kompetenzkreises Tierwohl, der für das Landwirtschaftsministerium Empfehlungen für bessere Haltung in Deutschland erarbeitet hat.

Bei den Legehennen führte die Einführung der Käfig-Kennzeichnung zunächst zu einer leichten Veränderung der Ställe. Doch erst fünf Jahre später, das zeigen Zahlen des Statistischen Bundesamts, ist der Einbruch massiv. In diesem Jahr wurde Einzelkäfighaltung in Deutschland verboten. Der Sprecher des Deutschen Bauernverbands lehnt solche Gesetze im Sinne des Tierschutzes ab. Zwar würden etwa Milchkühe in einigen Betrieben noch heute festgebunden und könnten sich kaum bewegen. Würde man dies untersagen, müssten diese Bauern aber aufgeben, sagt er. Schmidt will sein freiwilliges Label Ende Januar bei der Grünen Woche vorstellen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3237963
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 08.11.2016/fie
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.