Staatlicher Briefzusteller vor dem Kollaps:US-Post fleht Washington um Hilfe an

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"Unsere Lage ist extrem ernst": Mit dramatischen Worten appelliert der Chef der staatlichen US-Post an die Regierung, sein Unternehmen zu retten. Amerikas drittgrößter Arbeitgeber steht vor der Zahlungsunfähigkeit. Nach Autokonzernen und Banken ist damit die nächste Institution der USA auf Staatshilfe angewiesen. Ein Lehrstück über die Veränderung des Marktes.

Es sind schon fast Hilferufe wie im dramatischen Krisenjahr 2008: "Unsere Lage ist extrem ernst", zitiert die New York Times den Chef des US Postal Service, Patrick R. Donahoe. "Wenn der Kongress nicht handelt, gehen wir pleite." Die staatliche Post der Vereinigten Staaten steht vor dem finanziellen Kollaps. Ende des Monats muss der Brief-Monopolist 5,5 Milliarden Dollar für die Gesundheitsversorgung von Betriebsrentnern an einen Fonds überweisen - so wie jedes Jahr. Nach gegenwärtigem Stand wird sie das aber kaum stemmen können.

220.000 Arbeitsplätze will der US Postal Service bis 2015 abbauen. Doch der hochdefizitäre staatliche Postdienst bangt dennoch um seine Existenz. (Foto: AFP)

Mitten in der US-Schuldenkrise, die Bevölkerung und Finanzmärkte ohnehin beunruhigt, taumelt eine nationale Institution immer näher an den Abgrund. Nach den milliardenschweren Rettungsprogrammen der vergangenen Jahre für die US-Autoindustrie und die Banken muss nun der nächste Großkonzern darum betteln, von der Regierung wiederbelebt zu werden.

Der US Postal Service ist der drittgrößte Arbeitgeber des Landes, nur das Militär und die Supermarktkette Wal-Mart beschäftigen mehr Personal. In finanziellen Nöten steckt die Post schon seit langem. Doch mittlerweile sind die Kreditlinien, die der Staat zur Verfügung stellt, weitgehend aufgebraucht. In den vergangenen Monaten hat sich die Lage derart verschärft, dass der Zusammenbruch des staatlichen Anbieters nicht mehr undenkbar erscheint.

"Die Situation ist schrecklich", sagte US-Senator Thomas Carper, Chef des für die Post zuständigen Ausschusses, der New York Times. "Wenn wir nicht klug und angemessen reagieren, könnte die Post noch dieses Jahr schließen müssen. Und das ist keine Entwicklung, die wir angesichts der schwachen und unsicheren wirtschaftlichen Lage brauchen können."

Am morgigen Dienstag will sich ein Komitee des Senats mit der prekären Lage befassen - und nach Auswegen suchen. Doch es ist gerade die Politik, die Lösungen seit langem blockiert. Der Kongress kann bei allen Entscheidungen des Staatsunternehmens mitbestimmen, Portoerhöhungen etwa hat er bislang verhindert. Die Abhängigkeit von der Politik eröffnet der US-Post in Zeiten des Wahlkampfes keine guten Aussichten.

Über die Veränderung des Marktes

Dabei leidet der staatliche Briefmonopolist vor allem unter der Veränderung des Marktes durch die Digitalisierung. Immer mehr schriftliche Korrespondenz läuft über E-Mails und andere elektronische Dienste. Binnen fünf Jahren ist die Zahl der vom US Postal Service transportierten Sendungen um mehr als ein Fünftel auf rund 170 Milliarden pro Jahr gesunken. Der Abwärtstrend dürfte sich in den kommenden Jahren fortsetzen.

Und im Paketgeschäft sind auch private Wettbewerber zugelassen. Dort ist der Verdrängungskampf mit den Rivalen UPS und Fedex so hart, dass etwa die Deutsche Post, die 2003 den US-Frachtdienst Airborne übernommen hatte, schon nach wenigen Jahren aufgab - und auf Milliardenkosten für den gescheiterten Expansionsversuch sitzenblieb.

Rund neun Milliarden Dollar Verlust erwartet die US-Post für 2011. Drastische Einschnitte hat Donahoe deshalb bereits angekündigt: Gut ein Zehntel der mehr als 30.000 Filialen soll geschlossen werden. Insgesamt 220.000 der gut 650.000 Arbeitsplätze dürften bis 2015 wegfallen - 100.000 durch natürliche Fluktuation, die restlichen Jobs durch Entlassungen. Was ohne Hilfe der Politik nicht gelingen wird, denn erst vergangenes Jahr hatte der Logistikkonzern mit den Gewerkschaften einen Verzicht auf Entlassungen vereinbart. Auch die Briefzustellung am Samstag, die jährlich rund 1,7 Milliarden Dollar kostet, möchte sich Donahoe gerne sparen.

Ob das alles reicht, um die US-Post zu retten, ist nicht absehbar. Die New York Times rechnet vor, dass bislang rund 80 Prozent der Kosten beim US Postal Service auf das Personal entfallen, beim privaten Rivalen UPS seien es lediglich 53 Prozent, bei Fedex gar nur 32 Prozent.

Der US-Kongress erwägt nun, der Post zu erlauben, einige Milliarden Dollar aus ihrem Pensionsfonds zurückzuholen, weil sie diese Summen zu viel bezahlt habe. Das würde dem Monopolisten zumindest kurzfristig Luft verschaffen - bis zu einer endgültigen Lösung.

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