Süddeutsche Zeitung

Subventionen für Schienen:Brüssel misstraut der Bahn

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Der EU-Kommission ist die enge Verflechtung von Bahn und Schienennetz ein Dorn im Auge. Sie prüft, ob die staatlichen Subventionen für das Netz tatsächlich dem Schienenstrang zugutekommen.

Daniela Kuhr, Berlin

Der große Einfluss der Deutschen Bahn (DB) auf das Schienennetz beschäftigt erneut die EU-Kommission. Nachdem die Brüsseler Behörde wegen der engen Verflechtung zwischen DB Holding und DB Netz AG bereits im Juni ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik eingeleitet hat, prüft sie nun weitere Vorwürfe. Sie gehen zurück auf den Grünen-Verkehrsexperten Anton Hofreiter.

In einem Schreiben an EU-Kommissar Siim Kallas kritisiert Hofreiter, dass durch die enge Verflechtung zwischen Bahn und Schienennetz die Gefahr einer zweckwidrigen Verwendung von staatlichen Subventionen bestehe. Er forderte die Kommission daher auf, ein weiteres Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik einzuleiten. "Wir werden uns das sehr genau ansehen, so wie wir alle Beschwerden intensiv prüfen", sagte ein Sprecher der Kommission zur Süddeutschen Zeitung.

Hofreiters Kritik richtet sich gegen das gegenwärtige Modell, bei dem das Schienennetz und der Verkehrsbetrieb der DB gemeinsam unter dem Dach der DB Holding sind. "Die für das Schienennetz zuständige Tochter DB Netz AG erhält direkt und indirekt mehrere Milliarden Subventionen durch die Bundesregierung", heißt es in dem Schreiben des Grünen-Politikers, das der SZ vorliegt. Zugleich habe die DB Netz in den vergangenen Jahren erhebliche Gewinne gemacht und diese an die Konzernholding abgeführt. Aus den Büchern der DB gehe nicht transparent hervor, "dass die staatlichen Subventionen für das Netz und die anderen Infrastrukturgesellschaften tatsächlich nur für den ihnen zugedachten Zweck verwendet werden".

Die enge Verflechtung zwischen DB und Netz ist Befürwortern eines regen Wettbewerbs schon lange ein Dorn im Auge. Die EU-Kommission ist überzeugt, dass Konkurrenten abgeschreckt werden, weil die Bahn nicht nur über die Vergabe der Trassen, sondern auch über die Höhe der Nutzungsentgelte entscheidet. Wegen dieser Mängel läuft bereits eine Klage gegen die Bundesrepublik. Auch in Union und FDP gibt es Bedenken. So hat man sich im Koalitionsvertrag vorgenommen, zu prüfen, ob die Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge zwischen DB Netz und DB Holding aufgelöst werden sollten. Ein Ergebnis der Prüfung steht noch aus.

"Es muss endlich wieder Klarheit über das Finanzsystem bei der Bahn geschaffen werden", begründet Hofreiter seinen Vorstoß. "Immerhin erhält sie jährlich direkt und indirekt mehr als zehn Milliarden Euro Steuergelder." Es müsse sichergestellt werden, dass diese öffentlichen Gelder nicht zweckentfremdet würden. "Geld, das für die Erhaltung des Schienennetzes bestimmt ist, muss auch ins Schienennetz fließen, damit Fahrgäste sicher und pünktlich ankommen."

Derweil scheint der Logistiker Rhenus den Kauf der Bahntochter Arriva Deutschland zu beabsichtigen. Das schreibt die Financial Times Deutschland unter Berufung auf das Umfeld des Bundesverkehrsministeriums. Die DB hatte am Freitag die Übernahme des britischen Verkehrskonzerns Arriva abgeschlossen. Die EU-Kommission hatte den Kauf aber nur unter der Auflage genehmigt, dass die Bahn das Deutschlandgeschäft von Arriva verkauft. Finanzvorstand Richard Lutz hatte am Freitag von mehreren Interessenten gesprochen und gesagt, man werde an den Meistbietenden verkaufen. Weder Bahn, noch Ministerium, noch Rhenus wollten sich am Montag dazu äußern.

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Quelle:
SZ vom 31.08.2010
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