Süddeutsche Zeitung

Spritpreise:Warum der Tankrabatt nicht wirkt

Die Preise an den Tankstellen steigen, trotz Spritpreisbremse. Das liegt nicht nur am teuren Rohöl, auch die Gewinne der Mineralölindustrie sind gewachsen. Warum?

Von Felix Hartmann und Sören Müller-Hansen

Zwei Euro und zwei Cent müssen deutsche Autofahrer am Montag durchschnittlich für einen Liter Diesel bezahlen. Genauso viel wie vor zwei Wochen, am 31. Mai. Der Tankrabatt, der in der Zwischenzeit eingeführt wurde: verpufft. Um 17 Cent hatte der Staat die Steuern auf Diesel gesenkt, bei Super sind es sogar 35 Cent. Immerhin davon ist noch etwas übrig an den Zapfsäulen.

Hat der Tankrabatt seine Wirkung verfehlt? Wohin verschwindet das ganze Geld, das nun nicht mehr in die Staatskassen fließt? Das zeigt eine Datenanalyse der SZ.

Um die Wirkung des Tankrabatts zu beziffern, reicht es nicht aus, einfach die Tankstellenpreise vor und nach der Einführung des Rabatts zu vergleichen. Schließlich wird der Preis nicht nur durch Steuern und Abgaben bestimmt, sondern maßgeblich auch davon, für welchen Betrag Erdöl auf dem Weltmarkt gehandelt wird.

Die Erdölindustrie begegnet Beschwerden, sie streiche übermäßige Gewinne ein, deshalb mit einem einfachen Narrativ: Der Preis an der Zapfsäule orientiere sich ausschließlich am Weltmarktpreis. Im Deutschlandfunk formuliert Christian Küchen, Geschäftsführer des Mineralöl-Lobbyverbands en2x, das so: "Die Tankstellenpreise werden maßgeblich von den Weltmarktpreisen für Benzin und Diesel dominiert. Und die sind in der Tat in den letzten Wochen und auch schon in den letzten Monaten massiv gestiegen." Die Preise würden mit der höheren Nachfrage steigen, das sei ganz normal.

Der Blick auf die Zahlen scheint dieses Narrativ auf den ersten Blick zu bestätigen. Der Kurs für die Rohölsorte Brent ist im Vergleich zur Zeit vor Beginn des russischen Angriffskriegs weitestgehend parallel zu den Preisen an deutschen Tankstellen gestiegen - zumindest prozentual.

Die prozentuale Entwicklung der Kurven zu betrachten, ist allerdings auch ein sehr geschickter Kniff der Mineralölwirtschaft. In absoluten Preisen zeigt sich nämlich ein anderes Bild. Am 23. Februar, kurz vor Ausbruch des Krieges, kostete ein Liter Brent umgerechnet etwa 54 Cent, ein Liter Benzin auf dem Weltmarkt etwa 63 Cent. Seither sind vor allem die Kurse von Rohöl und dem globalen Benzinpreis deutlich auseinandergelaufen: Brent kostete zuletzt etwa 74 Cent pro Liter, Benzin aber 1,03 Euro. Innerhalb von knapp vier Monaten ist die Differenz also von neun Cent auf 29 Cent angewachsen.

Wie stark Rohöl- und Benzinpreis auseinandergegangen sind, sieht man noch deutlicher, zieht man einmal die vielen Steuern und Abgaben ab, die der Endverbraucher an der Tankstelle zahlen muss. Der Preis an der Zapfsäule lag seit Kriegsbeginn meist nur wenige Cent über dem Weltmarktpreis, aber deutlich über dem Kurs des Rohöls (Brent). Ein Indiz dafür, dass vor allem die Raffinerien mehr Geld einstreichen können.

Die Zahlen legen demnach nahe, dass der Tankrabatt zu einem großen Teil, aber doch nicht vollständig weitergegeben wurde. Pro Liter sind das zwar kleine Beträge. Da in Deutschland täglich viele Millionen Liter Kraftstoff getankt werden, summiert sich das allerdings zu einem großen Betrag auf.

Ob man hier von einem Übergewinn sprechen kann, ist allerdings schwer zu beantworten. Diese Frage muss letztendlich das Bundeskartellamt klären. Die Frage ist auch deswegen schwer zu beantworten, weil die größten Gewinne in der Produktionskette auf dem globalen Markt erzielt werden. Das zeigt die seit Kriegsbeginn deutlich gewachsene Differenz zwischen dem Preis für einen Liter Rohöl der Sorte Brent und der Anzeigetafel an der Zapfsäule. Vor dem 24. Februar lag der Preis für einen Liter E10 etwa 15 Cent über dem von Brent, am vergangenen Montag waren es 41 Cent.

Einschränkend ist dabei zu beachten: Aus einem Liter Rohöl entsteht weniger als ein Liter Benzin oder Diesel, weil aus dem Rohöl auch andere Produkte entstehen. Die genannten Beträge sind also keine reinen Gewinne der Mineralölkonzerne.

Auch das Münchner Ifo-Institut kommt in einer aktuellen Untersuchung zu dem Schluss, dass der Tankrabatt weitestgehend an die Verbraucher weitergegeben wird. Die Ökonomen haben französische Spritpreise mit denen in Deutschland verglichen. "Seit Mitte April laufen die Spritpreise in Deutschland und Frankreich nahezu parallel", sagt Autor Florian Neumeier. "Von daher ist es plausibel anzunehmen, dass sie sich ohne den deutschen Tankrabatt auch weiter parallel entwickelt hätten."

Demnach hätten die Tankstellen den Rabatt für Diesel zu nahezu 100 Prozent, für Super zu 80 bis 85 Prozent umgesetzt. Die Fehlermarge betrage dabei etwa drei Cent nach oben und unten für Super, bei Diesel liege sie noch etwas niedriger, so Neumeier.

Trotzdem wird Tanken immer teurer. "Es gibt eine Entkopplung zwischen Benzinpreisen und dem Rohölpreis. Allerdings können hier auch gestiegene Transport-, Lager- und Beschaffungskosten eine Rolle spielen, etwa weil das Öl nicht mehr per Pipeline aus Russland geliefert wird."

Das erkennt man auch an einzelnen Komponenten, aus denen sich die Spritkosten zusammensetzen: Der Tankrabatt verpufft vor allem deshalb, weil der Weltmarktpreis für Diesel und Benzin so rasant steigt. Der Gewinn, der nach Abzug von Steuern und Rohstoffpreisen übrig bleibt, ist für Super lediglich um zwei Cent gestiegen.

Dennoch ist inzwischen klar, dass der Tankrabatt das Ziel verfehlt hat, Bürgerinnen und Bürger finanziell zu entlasten. Im Vergleich zu den ohnehin hohen Kosten für einen Liter Super im Mai ist der Preis nur um zwölf Cent gesunken, obwohl der Tankrabatt 35 Cent beträgt.

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