Süddeutsche Zeitung

Spritpreis:Tanken als Glücksspiel

  • Seit drei Jahren müssen Tankstellenbetreiber ihre Preise in Echtzeit an eine Transparenzstelle melden. So verordnete es das Bundeskartellamt.
  • Nachvollziehbarer sind die Preisschwankungen für die Autofahrer seitdem jedoch nicht geworden.
  • Nur, wer ständig über Handy-Apps die Preise kontrolliert, kann wirklich sparen - und häufig der, der zwischen 18 und 20 Uhr tankt.

Von Caspar Busse

Viele Autofahrer kennen das. Morgens, auf der Fahrt zur Arbeit, sind die Spritpreise an Deutschlands Tankstellen noch moderat. Doch am Abend, meistens nach 20 Uhr, manche sind da erst auf dem Heimweg, kommt es an den Zapfsäulen zu einer rätselhaften Teuerung: Plötzlich kosten Benzin und Diesel zehn Cent je Liter mehr, leicht ergibt sich so ein Plus von fünf Euro auf der Tankrechnung. Aber auch während des Tages ändern viele Stationen inzwischen allzu gern die Notierungen für Benzin und Diesel: Mittags und abends geht es in einem seltsamen Gleichklang in der Regel rauf, dann im Tagesverlauf wieder schrittweise runter, bis zur nächsten Erhöhung.

Wer will, kann die Preissprünge sogar ganz bequem auf dem heimischen Computer oder per Smartphone verfolgen. Minütlich dokumentieren Onlineseiten und Apps wie clever-tanken.de oder 1-2-3-tanken die Spritpreise aller Tankstellen in Deutschland. Seit gut drei Jahren verpflichtet das Bundeskartellamt alle Personen und Unternehmen, die Tankstellen betreiben, ihre Preisänderungen "in Echtzeit", das heißt innerhalb von fünf Minuten, an die Markttransparenzstelle für Kraftstoffe zu melden. Von dort werden sie an die Anbieter von Informationsdiensten kostenlos weitergeleitet.

Sprit kostet weniger - aber nur, weil Rohöl 2016 so billig war

Die Hoffnung der Kartellbehörde war groß: Mit der neuen Transparenz sollte endlich ein wirksames Mittel gegen ein nationales Ärgernis gefunden sein: die hohen Spritpreise. Nach drei Jahren fällt die Bilanz jedoch ernüchternd aus, die Spritpreise sind nun zwar niedriger, aber nur, weil die Rohölnotierungen an den internationalen Märkte so stark gesunken sind.

Von der neuen Transparenz profitiert vor allem eine sehr kleine Gruppe: die der großen Tankstellenkonzerne. Kein Wunder, dass auch Andreas Mundt, der Präsident des Bundeskartellamts, nicht wirklich zufrieden ist: "Die Preise an den Tankstellen", räumt er ein, "ändern sich sehr viel öfter als früher." Es gebe heute große Bewegung über den Tag hinweg. "In der Regel ist es am günstigsten, zwischen 18 und 20 Uhr zu tanken," rät, ganz serviceorientiert, der Kartellamtschef. Im Januar will die Behörde einen neuen Bericht zum Tankstellenmarkt veröffentlichen, um nach drei Jahren der neuen Markttransparenz Bilanz zu ziehen.

Manches klingt gut: Mehr als 50 Anbieter von Preisvergleichsseiten oder Handy-Apps haben sich inzwischen registrieren lassen, so Mundt. Nahezu alle Tankstellen würden ihre Preise wie vorgeschrieben melden. Doch weil die Auswirkungen für die Kunden längst nicht so positiv ausfallen wie erhofft, ermahnt Mundt Deutschlands Autofahrer zu mehr Kostenbewusstsein: "Die Transparenz bei den Preisen entfaltet dann eine Wirkung, wenn die Verbraucher die Preisunterschiede auch wirklich nutzen. Wenn viele Autofahrer gezielt die günstigsten Tankstellen anfahren, erhöht dies den Druck auf die Anbieter, wettbewerbskonforme Preise zu setzen." Doch genau daran hapert es noch. Denn wer hat schon Zeit, ständig das tägliche Preiskarussell zu verfolgen?

Gewinner sind dagegen vor allem die Tankstellen selbst. "Jeder weiß nun vom anderen noch schneller, wie sich die Preise verändern", sagt Stephan Ziegler, Geschäftsführer beim Bundesverband freier Tankstellen (BfT). "Man weiß jetzt, was man früher nur geahnt hat."

Die Betreiber der großen Tankstellennetze nutzten die neue Transparenz für ihre Zwecke und entwickelten spezielle Computerprogamme zur Preisoptimierung. "Die großen Konzerne", kritisiert Ziegler, "können nun ihre Strategie verwirklichen und bekommen die dafür notwendigen Daten vom Kartellamt frei Haus geliefert".

Dann werden viele kleinere Tankstellen schließen, der Autofahrer habe keine große Wahl mehr und müsse die nächste Tankstelle anfahren, erklärt ein Sprecher des ADAC. Genau das nutzen die großen Markentankstellen aus.

Nach Berechnungen von Justus Haucap, Wettbewerbsspezialist an der Uni Düsseldorf, können Markentankstellen im Durchschnitt rund 2,5 Cent höhere Preise durchsetzen. Das ist viel, nach Expertenschätzungen bleiben nur ein bis zwei Cent je verkauftem Liter Sprit bei der Tankstelle als Gewinn hängen. Verständlich, dass Ölkonzerne wie Shell und BP Milliardengewinne erzielen, die zuletzt wegen des niedrigen Ölpreises aber zurückgegangen sind.

Deutsche Autofahrer haben bislang kaum profitiert

Auch Dietmar Possart, Inhaber der Benzin-Kontor AG, beobachtet den Spritmarkt seit Langem genau. Der Mittelständler betreibt rund 30 Tankstellen in Oberbayern. Sein Urteil: "Die neue Markttransparenz war großer Unfug, sie spielt vor allen den Konzernen in die Hände. Die können sich perfekt darauf einstellen", sagt Possart. Er verfolge deshalb eine andere Strategie und ändere die Preise nur selten. Possart hofft, dass die Kunden ihn als verlässlichen Partner wahrnehmen, bei dem morgens und abends derselbe Preis gilt. Inzwischen habe er sogar Kunden hinzugewonnen, sagt er.

Derzeit gibt es in Deutschland etwa 14 500 Tankstellen, davon sind 6500 sogenannte freie Tankstellen, wie die von Possart. Die anderen 8000 Stationen gehören zu einer der großen Marken wie Aral, Shell, Esso, Total; diese sind im Mineralölwirtschaftsverband (MWV) organisiert. Und sie, die Großen, sind es, die mit den neuen Verhältnissen anscheinend sehr gut leben können. MWV-Sprecher Alexander von Gersdorff jedenfalls sieht die Dinge so: Auch früher sei es gesetzlich vorgegeben gewesen, "die Preise weithin sichtbar auszuhängen", eine hohe Transparenz habe es somit auch damals schon gegeben. Nun habe sich, sagt er, mit der Markttransparenzstelle der Preiswettbewerb verschärft: "Ein starkes Indiz" dafür seien die "seither beobachteten intensiveren Preisschwankungen."

Merkwürdig nur, dass ausgerechnet Deutschlands Autofahrer davon so wenig profitieren.

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SZ vom 31.12.2016/vit
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