Süddeutsche Zeitung

Spritpreise:Wer zockt hier ab?

Der Ölpreis sinkt wieder, doch die Preise an der Tankstelle rühren sich kaum. Schon wähnt der Wirtschaftsminister "unangemessene Gewinne", das Kartellamt schaut hin. Verbrauchern bleibt nur: möglichst wenig fahren.

Von Michael Bauchmüller, Andreas Jalsovec und Helena Ott, Berlin, München

Am Mittwoch sind sie unterwegs, aber nicht zu schnell. Schnell fahren kostet viel teuren Sprit, und genau deshalb haben sie sich auf den Weg gemacht: Lkw-Konvois, die im Schleichtempo nach Berlin fahren, aus Protest. "Stoppt die Tank-Abzocke", steht auf Betttüchern, gespannt quer über den Kühlergrill. Die Frage ist nur: Wer zockt hier ab? Verdienen vor allem Mineralölkonzerne an teurem Sprit?

Am Mittwoch hat diese Frage auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) auf den Plan gerufen. "Es darf nicht sein, dass Unternehmen aus der jetzigen Situation unangemessene Gewinne schlagen", warnt er. "Wenn es dafür Hinweise geben sollte, etwa auch beim Vergleich mit den Preisbewegungen in anderen EU-Ländern, werden wir gesetzgeberische Maßnahmen vorbereiten." Denn die Preise an den Tankstellen sind um einiges stärker gestiegen, als es die Entwicklung an den Ölmärkten nahelegt. So ist der Preis für die Nordsee-Sorte Brent nach einem Höchststand von knapp 130 Dollar in der vorigen Woche mittlerweile wieder fast auf dem Niveau von vor der Krise angelangt. Die Spritpreise aber sinken nur wenig - und Diesel ist weiterhin teurer als Benzin.

Auch das Bundeskartellamt, das Habeck untersteht, ist alarmiert. "Wenn die Rohölpreise jetzt wieder sinken und die Tankstellenpreise dem nicht folgen oder sogar weiter steigen sollten, muss man sich das genau ansehen", sagt Kartellamtspräsident Andreas Mundt. Das umfasse mehrere Stufen, vom Rohölmarkt über die Raffinerien bis hin zu Großmarkt und Tankstellen.

Russisches Öl kommt durch die Druschba-Pipeline

Was genau dahinter steckt, lässt sich schwer feststellen. So fließt weiterhin russisches Öl durch die Druschba-Pipeline. Die Ölversorgung der beiden ostdeutschen Raffinerien Schwedt und Leuna sei "normal", heißt es beim Branchenverband En2x - der zugleich auf europaweit hohe Kraftstoffpreise verweist. Der hohe Dieselpreis wiederum erkläre sich durch ausbleibende Lieferungen aus Russland: Von dort stamme ungefähr ein Zehntel des deutschen Diesels. Gleichzeitig sei die Diesel-Nachfrage aus Osteuropa stark gestiegen. Diesel ist also knapper als Benzin.

"Die Mineralölkonzerne meiden Russland derzeit bei ihren Einkäufen", sagt auch Thomas Puls, Verkehrsexperte des Kölner Instituts der Deutschen Wirtschaft. Ersatz lasse sich derzeit auf dem Weltmarkt nur relativ schwer besorgen. Das knappere Angebot könne daher ein Grund dafür sein, dass der Dieselpreis langsamer zurückgehe als die Rohölnotierungen.

Doch wie viel genau zu welchen Preisen getankt wird, weiß auch das Kartellamt nicht. Zwar erhebe die Markttransparenzstelle für Kraftstoffe alle Preisdaten der Mineralölfirmen, nicht jedoch Daten über die jeweils abgegebenen Mengen. "Eine gesetzliche Verpflichtung der Marktteilnehmer, auch Mengendaten an die Markttransparenzstelle zu liefern, würde die Aussagekraft unserer Daten deutlich verbessern", sagt Behördenchef Mundt.

Klare Daten haben dagegen Millionen Verbraucher im Land. Eckige Ziffern an den Zapfsäulen zeigen ihnen die Last. Schnell kostet die wöchentliche Tankfüllung jetzt 130 Euro statt früher 80 Euro. Im Monat reist das schnell ein Loch von 200 Euro und mehr in die Haushaltskasse. Deshalb fordert der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) von der Bundesregierung einen "Familienbonus" in Höhe von einmalig 1000 Euro, statt einer allgemeinen Senkung der Spritpreise durch einen Tankrabatt, wie ihn Finanzminister Christian Lindner (FDP) ins Spiel gebracht hatte.

Für die Entlastung der Verbraucher gibt es viele Vorschläge

"Es geht jetzt darum, schnell und unbürokratisch diejenigen zu entlasten, die auf das Auto angewiesen sind und wenig Einkommen haben", sagt Marion Jungbluth, Mobilitätsexpertin bei der Verbraucherzentrale. Damit würden zwar auch Besserverdiener-Familien mit doppeltem Einkommen bedacht, sagt Jungbluth, aber es sei bürokratisch zu aufwendig, alle Steuerzahler nach Arbeitsweg, Einkommen und Zugang zu alternativen Verkehrsmitteln zu differenzieren.

Auch die Umweltstiftung WWF plädiert in einem Vorschlag für ein "Sofortprogramm" für "Klima- und Mobilitätsgelder" zur Entlastung von Haushalten. Aber darüber hinaus verlangt sie auch ein Tempolimit auf Autobahnen und autofreie Sonntage. Der ADAC dagegen fordert eine vorübergehende Mehrwertsteuersenkung und eine Anhebung der Pendlerpauschale. "Die wirkt zwar nicht jetzt", sagt eine Sprecherin des Automobilclubs, aber dafür würde denjenigen geholfen, "die auf das Auto wirklich angewiesen sind und dadurch jetzt stark belastet sind".

In einem sind sich Automobilclub und Verbraucherzentrale einig: Autofahrer haben eine Reihe an Möglichkeiten, den eigenen Kraftstoffverbrauch zu senken. Untertourig fahren, vorausschauend Bremsen - auch das kann Sprit sparen. Und wer nicht um sieben Uhr morgens tankt, wenn die Preise am höchsten sind, sondern zwischen 18 und 20 Uhr die Tankstelle ansteuert, der kann zumindest ein paar Cent pro Liter sparen. Das Spritpreisdebakel sei eine gute Gelegenheit für eine Eigenbeschränkung, also eine Art Geschwindigkeitsfasten vor Ostern. "Bei 130 merkt man das deutlich im Geldbeutel", sagt die Verbraucherschützerin.

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