Ifo-Chef Clemens Fuest:Eine Spritpreisbremse würde nicht wirken

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Clemens Fuest leitet das Wirtschaftsforschungsinstitut Ifo in München. (Foto: Stefan Boness/Ipon via www.imago-images.de/imago images/IPON)

Seit dem Krieg steigen die Benzinpreise. Ökonom Clemens Fuest lehnt steuerliche Entlastungen ab - und sieht in der deutschen Energieabhängigkeit eine Chance.

Von Lisa Nguyen

Nach zwei Jahren Pandemie befand Deutschland sich eigentlich auf einem Erholungskurs. Das zeigte jedenfalls der Ifo-Geschäftsklimaindex im Februar. Allerdings kam die monatliche Befragung deutscher Unternehmen am Tag der russischen Invasion heraus - und mit dem Krieg steht Deutschland vor neuen wirtschaftlichen Herausforderungen.

Seitdem steigen die Preise für Lebensmittel und Energie. Rufe nach preislichen Entlastungen werden stärker. "Besonders aus Bundesländern, in denen demnächst Wahlen anstehen", sagt Clemens Fuest bei den Munich Economic Debates, einer Veranstaltungsreihe des Ifo-Instituts und der Süddeutschen Zeitung.

Der Ökonom glaubt nicht, dass eine Mehrwertsteuersenkung auf Treibstoff richtig wirkt: "Der Staat kann die Bevölkerung nicht vor den hohen Energiekosten bewahren. Man kann sie nur innerhalb der Bevölkerung umverteilen", sagt Fuest. Das bedeute aber nicht, dass er für den Ausbau des Sozialstaates sei. Vielmehr handelt es sich um eine zeitliche Umverteilung: Wenn der Staat die Benzinsteuern senkt, werden die privaten Haushalte erst einmal weniger für Sprit ausgeben. Dafür wird sich der Staat verschulden - und die Ausgaben muss er sich später über höhere Steuern oder Ausgabenkürzungen wieder einholen. Unklar bleibt aber, wer dafür bezahlen soll.

Dass eine Mehrwertsteuersenkung für Benzinpreise nicht wirksam ist, zeigt Fuest an einem Rechenbeispiel. Angenommen, der Spritpreis bliebe bei 2,20 Euro pro Liter. Wenn der Staat fünf Steuerpunkte runterginge, wären 2,10 Euro fällig. "Das gilt aber nur, wenn die Produzenten die Steuersenkung voll an die Konsumenten weitergeben. Das werden sie aber nicht tun", meint Fuest. Eine Schätzung seiner Kollegen am Ifo-Institut habe ergeben, dass die Produzenten mindestens 60 Prozent der Mehrwertsteuersenkung an die Kunden weitergeben werden. Der restliche Anteil bleibt bei den Mineralölkonzernen. Mit einer Steuersenkung fiele der Preis also tatsächlich nur von 2,20 Euro auf 2,14 Euro. Zudem würden vor allem Besserverdienende profitieren, weil sie häufiger Autos haben und nutzen.

Ein weiterer Vorschlag aus der Koalition ist die Mobilitätsprämie. Diskutiert wird, ob Haushalte mit einem Nettoeinkommen von bis zu 2000 Euro 50 Euro vom Staat erhalten sollen. Dies sei laut Fuest keine besonders gezielte Maßnahme, sondern eher eine flächendeckende Hilfe. Denn: In dieser Einkommensgruppe besitzt nur die Hälfte der Haushalte ein Auto. Stattdessen solle unterstützt werden, wer tatsächlich unter den hohen Spritpreisen leide. Eine Erhöhung der Fernpendlerpauschale sei daher passender.

Russland ist ebenfalls abhängig

Der Ukraine-Krieg wirft noch eine viel wichtigere Frage auf: Soll Deutschland beziehungsweise Europa überhaupt Gas aus Russland kaufen? Klar ist: Deutschland und die EU sind von russischen Energieimporten abhängig. Ein Viertel ihres Erdöls bezieht die EU aus Russland, der Anteil liegt in Deutschland bei einem Drittel. Bei Erdgas ist die Abhängigkeit noch stärker: 36 Prozent des Erdgases, das in EU-Staaten fließt, kommt aus Russland, Deutschland bezieht von dort sogar 55 Prozent.

Es gibt aber einen Punkt, der dem Ökonomen zufolge oft übersehen wird: Russland ist genauso abhängig von der EU wie diese von Russland. 53 Prozent der russischen Ölexporte gehen nach Europa, 71 Prozent ist der Anteil bei Erdgas. "Wenn Europa aufhören würde, russisches Gas zu kaufen, dann hat Russland ein Problem", sagt Fuest.

Der Ökonom hält es für einen geostrategischen Fehler, den Handel mit Russland auch nach einem möglichen Ende des Krieges auszusetzen. "Wir hätten dann zwar keine Abhängigkeit, aber auch kein Druckmittel." In Zukunft solle Deutschland vielmehr in Parallel-Infrastrukturen investieren, wie etwa in LNG-Terminals. Das Ziel: Aus einer beidseitigen Abhängigkeit wird eine einseitige zum Nachteil Russlands. Das Risiko zu streuen, hat aber seinen Preis. Die Energieversorgung wird teurer - und die Deutschen müssten damit leben, dass sie einen Teil ihres Wohlstands einbüßen.

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