Ariane Willikonsky mag den schwäbischen Dialekt sehr, betont sie. Aber sie sagt auch: "Schwäbisch ist ein Karrierekiller und Flirtkiller." Diese Diagnose umreißt auch gleich das Geschäftsmodell der Diplom-Sprecherzieherin. Die 50-jährige Stuttgarterin bringt schwäbelnden Managern und Sekretärinnen, Schauspielerinnen und Politikern Hochdeutsch bei. Ihr Job ist es, den Leuten ihren Dialekt auszutreiben. Damit diese jenseits von Baden-Württemberg besser verstanden werden und sympathischer wirken. Vor 13 Jahren begann Willikonsky als Sprechtherapeutin, heute erstreckt sich ihr Institut auf vier Standorte und hat 50 Mitarbeiter.
Zur Sprachtherapie kommen karriere-bewusste Menschen, die das Gefühl haben, ihr Dialekt bremse sie auf dem Weg nach oben. Und es gibt Unternehmen, die ihre Vertreter zum Hochdeutsch-Training schicken. "Die Investition hat sich gelohnt", sagt Dieter Schenk, Geschäftsführer der Firma Zinco aus Nürtingen am Neckar. Er verkauft weltweit Dachbegrünungen, bei internationalen Präsentationen in Berlin oder München wurde der 51-Jährige oft belächelt und als "Schwäbli" bezeichnet. "Das muss ich nicht haben", sagt er. Jetzt, nach einem eintägigen Einzelkurs, sagt er: "Die Akzeptanz bei einem Vortrag ist gestiegen."
Gibt es in der Republik Leute in Spitzenpositionen, die Dialekt sprechen? Die Politiker Schäuble und Oettinger und Bundestrainer Jogi Löw fallen einem ein. Auch im baden-württembergischen Mittelstand wird fleißig geschwäbelt, da gehört die Bodenständigkeit zum guten Ton. Aber in den Chefetagen der Dax-Konzerne? Da ist Hochdeutsch angesagt. Oder Englisch. "Ab einer gewissen beruflichen Stellung muss man Standard-Deutsch beherrschen", sagt Ludwig Eichinger, Direktor des Instituts für Deutsche Sprache in Mannheim. "Wer nur Dialekt kann, ist in der Moderne verloren." Dennoch klingt bei Matthias Müller und Joe Kaeser, den Vorstandschefs von Volkswagen und Siemens, das Bayerische deutlich durch. Aber nicht zu ihrem Schaden, wie Ariane Willikonsky weiß. "Das Bayerische wirkt sympathischer und zugewandter." Sie erklärt das anhand der Aussprache des "R".
Der Bayer lässt diesen Laut mit der Zunge an den Zähnen erklingen - der Schwabe dagegen mit dem Gaumen. "Beim Schwaben hockt das R verdruckt hinten im Hals", sagt Willikonsky. Deshalb wirke der Sprecher abgewandt und desinteressiert, "wie ein verdruckter Bruddler". Der Bayer hingegen wirke freundlicher und offener.
Willikonsky schreibt ihren Anti-Bruddel-Übungssatz aufs Flip-Chart: Vater und Mutter waren Sportler, und die Kinder waren Sportreporter. Ihre Schüler lesen. "Sie müssen das R nach vorne bringen", ruft Willikonsky. Bitte noch mal. Es wird nicht wirklich besser. Die Lehrerin versucht es mit einem Motivationssatz: "Lieber spucken als schlucken!" Wer das beherzigt, der wirke nicht nur sympathischer, sondern auch kompetenter, sagt Willikonsky. Andererseits sei der schwäbische Dialekt in vielen Berufen auch dringend erforderlich, betont sie. Ein hochdeutsch sprechender Handwerker oder Wirt wäre auf dem Land chancenlos - da kann er noch so gute Arbeit leisten. Hier der Dialekt als Kundenbringer, dort als Karrierekiller.
Professor Eichinger weiß aus seinen Umfragen: "Das Schwäbische hat kein positives Image." Woher das kommt, wisse er nicht. Es hat wohl viel mit Emotion zu tun - und weniger mit Vernunft. So landete das Bayerische bei der Frage nach dem beliebtesten Dialekt auf Platz zwei. Und bei der Frage nach dem unbeliebtesten Dialekt? Auch auf Rang zwei. Dynamisches "R" hin oder her.