Sportwetten:Das Spiel ist aus

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Der Europäische Gerichtshof versetzt der deutschen Glücksspielregulierung einen weiteren Schlag: Private Sportwetten-Anbieter dürfen nicht mehr bestraft werden.

Von WOLFGANG JANISCH und JAN WILLMROTH, Karlsruhe

Manchmal bringen höchstrichterliche Urteile ja die Lösung - doch der Spruch der obersten EU-Richter zum Thema Sportwetten gleicht eher der Diagnose eines Problems. Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) muss der Versuch vorerst als gescheitert gelten, die Vermittlung von Sportwetten in Deutschland EU-rechtskonform zu gestalten. Denn der EuGH hat es den deutschen Behörden faktisch untersagt, private Sportwettenvermittler ohne behördliche Erlaubnis mit Sanktionen zu überziehen - was in der Praxis ohnehin kaum noch der Fall war, weil sich inzwischen die private Wettenvermittlung im Halbschatten des verunglückten Glücksspielrechts etabliert hat.

Gegenstand des Verfahrens, das dem EuGH vom Amtsgericht Sonthofen vorgelegt worden war, ist der Glücksspielstaatsvertrag der Länder von 2012. Er war eine Reaktion darauf, dass das vormals geltende Monopol auf Sportwetten in dieser Form nicht mit der europäischen Dienstleistungsfreiheit vereinbar war. Des Pudels Kern sollte ein Konzessionsverfahren sein. Eine auf sieben Jahre angelegte "Experimentierklausel" sah vor, dass private Wettenvermittler für einen begrenzten Zeitraum eine Konzession für das Wettgeschäft erhalten sollten. Doch die Vergabe zog sich hin, wurde gerichtlich angegriffen und schließlich im vergangenen Herbst vom Verwaltungsgerichtshof Hessen endgültig gestoppt: Das Verfahren sei intransparent, zudem sei das für die Vergabe zuständige Glücksspielkollegium nicht mit der bundesstaatlichen Ordnung vereinbar. Kurzum: Das Konzessionsverfahren, das den Glücksspielstaatsvertrag für private Vermittler und damit EU-rechtskonform machen sollte, war vorerst gescheitert.

Aus diesem Scheitern zieht der EuGH nun den Schluss, dass Wettenvermittler wie die Klägerin, Betreiberin einer "Sportsbar" in Bayern, nicht mehr mit strafrechtlichen Sanktionen überzogen werden dürfen. Und zwar deshalb, weil die Experimentierklausel - mangels faktischer Umsetzung - die Defizite des Staatsmonopols nicht behoben habe. "Private Sportwetten sind damit in Deutschland legal", sagt Ronald Reichert, Anwalt bei der Kanzlei Redeker. Der Deutsche Lotto- und Totoblock hält zwar den Weg der deutschen Glücksspielpolitik nach wie vor für geeignet, die europarechtlichen Vorgaben zu erfüllen, auch deshalb, weil der EuGH die auf Beschränkung auf 20 Anbieter nicht gerügt habe, teilte Torsten Meinberg mit, Geschäftsführer von Lotto Hamburg. Eine Pflicht zur Liberalisierung des Glücksspielmarkts habe der EuGH nicht ausgesprochen. Der Deutsche Sportwettenverband dagegen sieht in dem Urteil eine erneute Bestätigung, dass der Glücksspielstaatsvertrag gegen EU-Recht verstoße. Es sei nun an der Zeit für eine grundlegende Reform, sagte Präsident Mathias Dahms.

Private Anbieter setzen Milliarden um, obwohl noch immer das staatliche Monopol gilt

Wetten auf alle erdenklichen Sportereignisse sind seit wenigen Jahren in dieser rechtlichen Grauzone zu einem extrem lukrativen Markt geworden. Die Anbieter setzen inzwischen Milliarden um - obwohl laut Gesetz bis auf Weiteres noch immer das staatliche Monopol gilt. Schätzungsweise 4500 Wettbüros gibt es bundesweit, die meisten noch nicht lange, hinzu kommen ungezählte Wettannahmestellen in Gaststätten. Sämtliche Wettfirmen betreiben zudem Webseiten und Handy-Apps. Viele haben dort neben Tausenden Wetten auf Formel-1-Rennen, Tennisturniere oder Bundesligaspiele auch - eigentlich verbotene - Kasino-Spiele im Programm. Mehr als fünf Milliarden Euro dürften die Kunden nach jüngsten Hochrechnungen im vergangenen Jahr verwettet haben. Die staatliche Sportwette Oddset spielt in dem Markt keine Rolle mehr, obwohl sie als einzige offiziell erlaubt ist.

Das Land Hessen, federführend bei der Sportwettenregulierung, dringt daher auf rasche Reformen. Hessens Innenminister Peter Beuth hatte im Oktober dazu fünf Leitlinien formuliert. Die quantitative Deckelung der Konzessionen auf 20 Anbieter hielt er für verfehlt. Erlaubnisse sollten an die "ohnehin hohen glücksspielrechtlichen Voraussetzungen" geknüpft werden. Zudem brachte er anstelle des umstrittenen Glücksspielkollegiums die Gründung einer öffentlich-rechtlichen Anstalt ins Gespräch - ähnlich der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht. Zudem sollte der Schutz Spielsüchtiger vor sich selbst durch eine bundesweite zentrale Sperrdatei verbessert werden.

Das Urteil aus Luxemburg könnte für Deutschland weitere Konsequenzen haben, meint Klaus Umbach, Experte für Glücksspielrecht von der Kanzlei Freshfields: "Die EU-Kommission dürfte sich jetzt bestätigt sehen und die deutsche Glücksspielregulierung grundlegend infrage stellen." Die Kommission wird in Kürze entscheiden, ob sie wegen der Glücksspielgesetze ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eröffnet.

© SZ vom 05.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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