Süddeutsche Zeitung

Sponsoring:Im Stadion daheim

Die Immobilienwirtschaft entdeckt den Profifußball als Werbefläche für sich. Vielen Fans gefällt das gar nicht. Klubs und Konzerne sehen kein Problem.

Von Uwe Ritzer

Der empfang in Bremen, er war nicht gerade herzlich. Als sich Wohninvest, ein Immobilienkonzern aus der Nähe von Stuttgart, im vorigen Sommer die Namensrechte am Weserstadion für zehn Jahre kaufte, demonstrierten Hunderte Fans des SV Werder Bremen und zogen durch die Stadt. Bei Heimspielen entrollten sie Transparente: "Immobilienhaie im Meer versenken", stand darauf, oder: "Für immer Weserstadion".

Ähnlichen Ärger gab es zur selben Zeit in der Hauptstadt, beim Bundesliga-Aufsteiger Union Berlin. Denn ausgerechnet jener Klub, der sein alternativ angehauchtes Underdog-Image pflegt, präsentierte als neuen Trikot- und Hauptsponsor einen börsennotierten Luxemburger Immobilienkonzern mit Hauptquartier in Berlin: Aroundtown. Und das in Zeiten von steigenden Mieten, Wohnungsnot und den heftigen politischen Debatten um einen Mietendeckel in Berlin.

Manche Menschen würden "Immobilienhändler mit Waffenhändlern gleichsetzen", sagt Andrew Wallis. Der Brite, nach eigenem Bekunden schon immer Fan des Londoner Klubs FC Fulham, war in seinem früheren Leben unter anderem Polizist und Offizier der königlichen Marine. Aktuell ist er Vize-Chef von Aroundtown und als solcher seit Monaten bei jeder Gelegenheit am Erklären und Argumentieren, warum es doch ganz gut passe, wenn eine Immobilienfirma wie Aroundtown und ein Fußballverein wie Union Berlin gemeinsame Sache machen.

Wohninvest und Aroundtown sind keine Einzelfälle. Die Immobilienwirtschaft, deren Geschäfte glänzend laufen, entdeckt die erste und zweite Bundesliga als Werbeplattformen für sich. Mehr als zehn Millionen Euro pumpten Firmen aus der Branche allein in dieser Saison in die Profiklubs, sagt Markus Meier vom Marktforscher Nielsen Sports. Gemessen an den gesamten Sponsoringeinnahmen der 36 Erst- und Zweitligisten ist das zwar nicht viel - noch nicht. Denn das Engagement der Immobilienfirmen nimmt zu.

Allein die Berliner CG Gruppe, die ihren Kunden "Immobilien neuer Dimension" verspricht, sponsert gleich drei Vereine: Die örtliche Hertha, den Herbstmeister RB Leipzig und den Karlsruher SC. Die Datenbank Sponsor's Data beziffert die entsprechenden Ausgaben auf 2,5 Millionen Euro pro Jahr. Gewissermaßen als Vorreiter der Branche sicherte sich Deutschlands größter Vermieter Vonovia bereits 2016 beim VfL Bochum die Namensrechte am Ruhrstadion.

Natürlich geht es den Unternehmen bei alledem durchaus um die Imagepflege. Sponsoren hoffen immer darauf, dass von der Begeisterung möglichst der Menschen für einen Klub auch Glanz und Sympathien auf sie abstrahlen. So einen Imagetransfer kann eine Branche wie die Immobilienwirtschaft gerade ganz gut brauchen: Bei vielen Mietern stehen die Unternehmen längst unter verschärftem Profitgier-Verdacht und sind nicht gerade gut beleumundet.

Das gilt auch für Aroundtown. Der Konzern verwaltet einen Häuserbestand im Wert von 17,9 Milliarden Euro, hauptsächlich Gewerbeimmobilien wie Bürogebäude und Hotels. Allein 2018 erzielte Aroundtown damit einen Nettogewinn von 1,8 Milliarden Euro - ein Plus von 19 Prozent. Anleger können sich seit Jahren über hohe Dividenden freuen. An Steuern und Sozialabgaben zahlte die Firma nach eigenen Angaben 2018 mehr als 100 Millionen Euro. Kritiker allerdings werfen Aroundtown sein undurchsichtiges Firmengeflecht mit vielen Ablegern auf Zypern vor. Der Verdacht: Der Konzern will auf diese Weise Gewinne hin und her schieben und so Steuern vermeiden. Aroundtown weist das regelmäßig zurück.

Auf dem Düsseldorfer Sportbusiness-Kongress Spobis sagte Aroundtown-Vize Wallis vor wenigen Tagen, das Unternehmen habe mit dem Trikotsponsoring bei Union Berlin seine Bekanntheit steigern wollen. Das ist definitiv gelungen, wie allein die zahlreichen Interviews zeigen, in denen der Manager seit Sommer über die Zusammenarbeit sprach. Und dann noch die TV-Sichtbarkeit des Firmennamens auf den Trikots - mehr Aufmerksamkeit für Aroundtown gab es noch nie. Und da sich in den VIP-Zonen der Bundesliga inzwischen viele Großunternehmen tummelten, sei sie auch ideal fürs geschäftliche Netzwerken, sagt Marktforscher Meier.

Vor allem aber geht es um die Außenwirkung. Aroundtown ist bei institutionellen Anlegern international bekannt, weniger jedoch bei Privatanlegern. Marktforschungen von Nielsen Sports haben aber ergeben, dass unter Fußballinteressierten jeder Sechste bei Geldanlagen eine Affinität zu Immobilien habe. "Eines unserer Ziele ist der Privatanleger", sagt Andrew Wallis.

Im Idealfall ergäbe sich also eine Kette von Vorteilen für die Unternehmen: Das Sponsoring bei einem medial präsenten Bundesligaklub steigert die Bekanntheit der Immobilienfirma und fördert deren Image. Das wiederum soll dazu beitragen, dass Fans ihr Geld dort investieren. Fanproteste scheinen dabei keinen Akteur abzuschrecken. Die Sponsoren sehen darin ein überwindbares Hindernis, wenn überhaupt. Und die Vereine haben auch keine Berührungsängste. Sie sehen die Immobilienbranche als stabilen und finanzstarken Partner. Wohninvest etwa zahlt für das zehnjährige Namensrecht in Bremen 30 Millionen Euro.

Der Vertrag von Aroundtown mit Union Berlin läuft vorerst zwei Jahre, samt einer Option auf eine dritte Saison. Pro Jahr kassiert der Klub etwa zwei Millionen Euro. Wallis kann sich eine dauerhafte Bindung vorstellen, zumal viele Mitarbeiter inzwischen eingefleischte Union-Fans seien, das Sponsoring also auch das Firmenklima stärke, wie er sagt. Nur der Firmenname auf der Brust der Spieler könnte sich bald ändern: Aroundtown will mit dem Konkurrenten TLG fusionieren und sich anschließend umbenennen. Das aber sei auch kein Hindernis, sagt Wallis: "Dann fangen wir eben unter neuem Namen von vorne an."

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SZ vom 06.02.2020
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