BDI und Affäre Schnappauf:Die Ohnmächtigen

Der BDI hat mit dem Fall Schnappauf eine Affäre, aber alle Spitzenverbände haben ein Problem. Denn im Moment großer Debatten hat die Wirtschaft keine Stimme.

Marc Beise

Es ist die alte Leier: Wenn Entscheidungen anstehen, sollte man sie auch fällen. Wer sich das nicht traut, wird es früher oder später bereuen. Er wird durch weitere Umstände dann endlich zum Handeln gezwungen - und der Schaden ist um ein Vielfaches größer, als wenn gleich gehandelt worden wäre. Aktuell zu beweisen am Beispiel des Bundesverbandes der Deutschen Industrie.

Brüderle-Affäre: Aus für BDI-Hauptgeschäftsführer

Der Rücktritt von Werner Schnappauf beim BDI ist nur ein Symptom für die Probleme der Spitzenverbände.

(Foto: dpa)

Der BDI ist der wichtigste Spitzenverband der Wirtschaft, so sieht er sich natürlich auch selbst. Er vertritt kleine und vor allem große deutsche Unternehmen. Wenn diese allerdings so Personalpolitik betreiben würden wie ihre Spitzenvertretung, wären sie längst pleite.

Der BDI hat sich drei Jahre lang einen gut bezahlten Hauptgeschäftsführer geleistet, mit dem seine ehrenamtlichen Chefs teilweise von Anfang an unzufrieden waren. Werner Schnappauf konnte die großen Fußstapfen seiner Vorgänger nie ausfüllen, was sich weniger aus Unvermögen erklärt, als vielmehr aus seiner Biografie. Die früheren BDI-Geschäftsführer waren eben keine Landesminister gewesen wie einst der CSU-Politiker in Bayern, sondern sie waren Spezialisten der zweiten Ebene, mit allen Wassern gewaschene Lobbyisten-Profis.

Vor Schnappauf regierte ein Ludolf von Wartenberg den Verband, der so stark war, dass er sogar mal einen BDI-Präsidenten zur Strecke brachte, der ihn ins Glied zwingen wollte. Wartenberg hatte Konzernerfahrung und war erst Wirtschaftspolitiker, dann Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium gewesen; sein Wissen über die Abläufe dort brachte er mit zum BDI.

Früher waren diese Typen bei den Verbänden üblich, ein Exemplar findet sich noch an der administrativen Spitze der Arbeitgebervereinigung BDA: der CDU-Politiker Reinhard Göhner. Auch er kennt das Berliner Geschäft aus dem Effeff, ist aber eher ein Auslaufmodell. Heute nimmt man schon mal einen Ex-Abgeordneten, Ex-Minister oder sogar Ex-Fernsehreporter, die können gut repräsentieren. Was übrigens auch Schnappaufs Stärke war.

Keine Antworten auf aktuelle Probleme

Für solche Aufgaben aber ist bei den Verbänden der Präsident da, und der BDI hat mit dem einstigen Hochtief-Vorstandschef Hans-Peter Keitel derzeit eigentlich eine Idealbesetzung: ehemaliger Konzernchef, national und international zu Hause, als Bauunternehmer mit der Politik vertraut, ein kluger Kopf und guter Redner. Trotz vieler Außenauftritte aber hat er den BDI nicht wieder zum Strahlen gebracht.

Das kann an Keitel liegen oder an Schnappauf - oder wohl eher an den Umständen. Verbände sind nur noch beim Kleingedruckten gefragt, bei den Spezialthemen, der Änderung der 2. Durchführungsverordnung, die in den Ministerien ersonnen und von den Parlamentariern abgenickt werden. Hier geht es für Firmen um viel Geld. Bei solchen Projekten ist der BDI immer noch gut, er hat zum Beispiel hervorragende Steuerexperten. Nur interessiert das Thema Steuern in Öffentlichkeit und Politik nicht mehr.

Die großen Themen sind die soziale Frage, die Demografie, Bildung, Energiewende und der Euro. Hier dürstet das Land nach neuen Antworten - aber die Wirtschaft, so scheint es, hat immer nur die alten. Die Kanzlerin hat deshalb für Verbände nicht viel übrig. Ihr kann man viel nachsagen, aber nicht, dass ihr die Gunst von Firmenbossen wichtig wäre. Sie kann sich das tatsächlich leisten. Die Verbände sind nicht mehr relevant; übrigens auch nicht die Verbände der Arbeitnehmer, also die Gewerkschaften.

Einflussnahme zwischen Aktendeckeln

Einflussnahme des BDI ist "old fashioned"

Die Konzerne reagieren auf die Ohnmacht ihrer Repräsentanten. Immer mehr aus diesem Kreis machen in Berlin ihre eigene Repräsentanz auf - und besetzen sie mit ehemaligen Politikern und Journalisten. Der BDI versucht weiter, zwischen Aktendeckeln Einfluss zu nehmen. Das ist old fashioned.

So passieren Fehler. Die Protokollaffäre ist ein solcher, die Causa Norbert Röttgen ein anderer. Der CDU-Politiker sollte mal BDI-Hauptgeschäftsführer werden und trat das Amt trotz Handschlag-Deals nicht an. Als er sich auch in der Energiepolitik als unsicherer Verbündeter erwies, erklärte ihn der BDI hinter den Kulissen zur persona non grata. Dummerweise hat die Katastrophe in Japan Röttgens Atomzweifeln Recht gegeben.

Überhaupt ist die Industrie bei diesem Thema auf dem falschen Fuß erwischt worden. Längst tobt beim BDI hinter den Kulissen der Kampf um die richtige Atompolitik. Präsident Keitel muss sich da mehr einbringen, ein Auftritt bei Maybrit Illner reicht nicht. Er muss in die Niederungen: morgens das schelle Drei-Minuten-Interview, mittags bei Bild und nachmittags zwei Stellungnahmen nachschieben.

Der Schwesterverband BDA steht nicht viel besser da. Wenn es um Tarifpolitik geht, funktioniert er - aber das ist derzeit nicht das große Thema. Als Stimme der Wirtschaft ist Präsident Dieter Hundt kaum noch wahrzunehmen. Und der Deutsche Industrie- und Handelskammertag, der just in dieser Woche seinen 150. Geburtstag feierte, hat seit jeher nicht die große Bühne gesucht. Sein Präsident ist im Land praktisch unbekannt.

Devise: Schweigen und Geschäft machen

So hat die deutsche Wirtschaft im Moment großer Debatten keine Stimme. Im Windschatten der Großen profiliert sich nicht von ungefähr ein Verband namens "Die Familienunternehmer". Dessen Präsident, der Adenauer-Enkel Patrick, ist aktives CDU-Mitglied und scheut sich doch nicht, den Euro-Kurs der Kanzlerin zu geißeln. In der Wirtschaft denken manche so, aber sie wagen es nicht zu sagen. Übrigens auch nicht das Gegenteil - man kann ja nie wissen, wohin sich Volkes Meinung noch dreht.

Lieber schweigen und Geschäft machen, das ist die Devise. Das aber ist fatal in Zeiten von Richtungsdebatten. Die Wirtschaft ist wichtig - und deshalb müssen ihre Vertreter auf die Bühne.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: