Streit um Spitzenposten bei Zentralbank:Europäisches Parlament lehnt EZB-Kandidat Mersch ab

Eklat in Straßburg: Die Europa-Abgeordneten haben den designierten EZB-Spitzenmann Yves Mersch durchfallen lassen - in das Leitungsgremium der Notenbank wird der Luxemburger aber wohl trotzdem berufen. Das dürfte das Verhältnis zwischen dem Parlament und den Mitgliedsstaaten nachhaltig beschädigen.

Yves Mersch

Yves Mersch gehört zu den Vorsichtigen im EZB-Rat - vor allem, wenn Politiker und Finanzmärkte immer neue Maßnahmen fordern.

(Foto: Patrick Hertzog/AFP)

Das Europaparlament hat sich gegen die Berufung des Luxemburgers Yves Mersch in das Direktorium der Europäischen Zentralbank (EZB) ausgesprochen. In der Plenumsabstimmung in Straßburg votierten 325 Abgeordnete gegen den Luxemburger Notenbankchef, nur 300 dafür, 49 Abgeordnete enthielten sich.

Es ist das erste Mal, dass das Parlament einem designierten EZB-Direktoriumsmitglied die Zustimmung verweigern. Grund für die Ablehnung ist nicht, dass die Abgeordneten Mersch für ungeeignet halten. Sie sind empört, dass die Euro-Staaten keine Frau nominiert haben, als der Posten im Mai frei wurde.

Seit Monaten gibt es deshalb Streit um die Berufung für das Direktoriumsamt. Derzeit ist keiner der 23 Spitzenposten der EZB mit einer Frau besetzt. Die Finanzminister der Euro-Zone hatten Mersch im Juli für den Direktoriumsposten nominiert. Auch der EZB-Rat hat bereits sein Okay für den Luxemburger gegeben. Mersch soll den vakanten Posten des Spaniers José Manuel Gonzalez-Paramo im sechsköpfigen Führungsgremium der Zentralbank einnehmen.

Pikant ist, dass Martin Schulz, der Präsident des Europäischen Parlaments, den Staats- und Regierungschefs nach SZ-Informationen bereits ein Ja zu Mersch versprochen hatte. Am Montag lehnte allerdings bereits der Wirtschaftsausschuss den Luxemburger ab - und das Plenum zog jetzt nach.

Aus den Reihen der Konservativen kam allerdings Kritik an der Abstimmung. "Leider stand nicht die fachliche Qualifikation im Mittelpunkt", sagte der CDU-Abgeordnete Burkhard Balz.

Auch wenn Mersch bei den Abgeordneten durchgefallen ist - seine Berufung an die EZB-Spitze ist dadurch nicht blockiert. Das Europaparlament muss in dieser Angelegenheit nur angehört werden, kann aber von Rat der Finanzminister überstimmt werden.

Allerdings ramponiert die Ablehnung die Legitimität des 63-jährigen Finanzexperten. Sie ist auch ein harter Rückschlag für das Verhältnis zwischen Mitgliedsstaaten und Parlament, was weitere wichtige Gesetzesvorhaben zur Überwindung der Schuldenkrise erschweren könnte.

Mersch könnte schon Mitte November in das Gremium einziehen. Wenn alles seinen normalen Gang geht, bleibt das EZB-Gremium damit bis 2018 ein Männerklub: Denn bis dahin sind turnusgemäß keine Nachbesetzungen fällig.

Linktipp: "Die Frauen-Quote ist richtig. Den Streit darüber aber auf dem Rücken von EZB-Direktoriumskandidat Mersch auszutragen, ist schäbig", kommentierte SZ-Redakteur Claus Hulverscheidt die Parlamentsentscheidung auf Twitter.

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