Spitzengastronomie:200 Euro für Fußballkarten? Kein Problem. Aber für ein Essen? Das schöne Geld!

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Der Erhalt des "Tantris" wäre nicht möglich gewesen ohne den guten Standort und das essensbegeisterte Münchner Publikum, "das auch große Preiserhöhungen tapfer mitgemacht hat", sagt Felix Eichbauer. Insgesamt aber glaubt er, dass die Deutschen noch nicht bereit seien, für Fine Dining ähnlich viel auszugeben wie in anderen Ländern üblich. Kaum ein Gastronom würde sich trauen, Menüpreise von 300 Euro und mehr aufzurufen wie etwa in Paris. Auch Andreas Schmitt, Geschäftsführer bei Althoff, sagt: "Im Gourmetrestaurant zu essen hat in Deutschland auch heute noch nicht die Selbstverständlichkeit wie in Frankreich oder Italien." Ein Drei-Sterne-Restaurant als Solitär, ohne Hotel oder anderen Partner an der Seite, hält Schmitt für kaum finanzierbar.

Tatsächlich gelten Preis-Leistungs-Denken und Neidkultur in Deutschland als Hemmschuh für die Spitzenküche. 200 Euro für eine Opernkarte oder ein Champions-League-Spiel? Kein Problem! Aber für ein Essen? Das schöne Geld!

Die deutsche Gastronomie, so findet auch Felix Eichbauer, gehe das Thema Genuss noch zu ernst an. Und selbst Serviceleiter ausländischer Toprestaurants erzählen, es gehöre zu den Herkulesaufgaben, "dem deutschen Gast ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern".

Entsprechend schwierig ist das Investitionsklima. Länder wie Peru, Singapur, Spanien oder Dänemark haben die Spitzengastronomie schon vor Langem als Wirtschaftszweig entdeckt und Millionenprogramme aufgelegt, um ihre Köche bekannt zu machen. Die frühere Smørrebrød-Metropole Kopenhagen soll heute deshalb ein Drittel ihrer Touristen dem guten Essen verdanken. Deutsche Sterneköche hingegen klagen, wie wenig die Politik sie unterstütze, während andere Wirtschaftsbosse auf Politikerreisen mitgenommen würden. Drei-Sterne-Koch Joachim Wissler, der im Althoff-Hotel Schloss Bensberg in Bergisch Gladbach unter Vertrag ist, bemerkte zu dem Thema einmal trocken, sein Restaurant zähle zu den 20 besten der Welt, "aber der Gemeinde sind wir nicht mal ein Hinweisschild wert". Das nun geschlossene "La Vie" in Osnabrück war vor einigen Jahren sogar Ziel anonymer Drohbriefe aus der eigenen Stadt. Tenor: Der teure Snobladen sei unerwünscht und solle verschwinden. Das "La Vie" machte die Briefe damals öffentlich - und setzte die Menüpreise herunter.

Wer Regeln setzt, die zu befolgen die Gäste als Bedürfnis empfinden, der ist ein Gott

Standort, Service, Design, Flair, die Kreativität der Küche oder die Persönlichkeit des Kochs - es ist auch das fein austarierte Zusammenspiel von vielen weichen Faktoren, das darüber entscheidet, ob ein Spitzenrestaurant einschlägt oder nicht. Das gewisse Etwas eines Lokals lässt sich kaum planen. Das mache die Spitzenküchen auch so schwer vergleichbar, sagt Zwei-Sterne-Koch Johannes King, der im Sylter "Söl'ring Hof" seit 20 Jahren unabhängig erfolgreich wirtschaftet.

Nicht sein eigener Herr zu sein wäre für ihn als Spitzenkoch unvorstellbar. King findet auch, dass es noch nie so leicht gewesen sei wie heute, ein Gourmetrestaurant profitabel aufzuziehen. Der Trend zum Casual Fine Dining, also die Abkehr von Luxusprodukten, Tischwäsche, gespreiztem Service und langen Weinkarten, bringe viele neue Freiheiten. "Leider fehlt es in Deutschland oft an guten Konzepten", sagt King. "Einfach einen Koch einkaufen und drei Seatings pro Abend diktieren? Da fühlt sich der Gast zu Recht verarscht."

Ein erfolgreiches Spitzenrestaurant braucht ein Profil, eine gute Geschichte, ein Narrativ. Vor allem, wenn es Trends setzen, einträgliche Filialen eröffnen oder gar in der internationalen Spitze mitspielen will. Dort gilt eher das Credo: Ein Koch, der den Bedürfnissen der Gäste hinterherkocht, ist ein Waschlappen. Wer hingegen Regeln setzt, die zu befolgen die Gäste als Bedürfnis empfinden, der ist ein Gott.

"Mit dem Restaurant selbst verdient man natürlich kein Geld", sagte der katalanische Superstar Ferran Adrià kürzlich im Interview mit der SZ. Mit den Projekten, die der eigene Name nun ermöglicht - Bücher, Produktlinien, Vorträge - dafür umso mehr.

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