Spitzelaffäre bei der Bahn:Ex-Minister Baum soll aufklären

Der ehemalige Innenminister Baum soll den Datenskandal bei der Deutschen Bahn untersuchen, und auch ein Termin für eine Sondersitzung des Kontrollgremiums steht nun fest.

Hans Leyendecker und Klaus Ott

Hartmut Mehdorn kann vorerst Chef der Deutschen Bahn (DB) bleiben. Er hat sich bei der Belegschaft für die Spähaktionen entschuldigt und sich einem Ultimatum der Gewerkschaften gebeugt. Der Anwalt und Ex-Bundesinnenminister Gerhard Baum soll die Affäre untersuchen.

Spitzelaffäre bei der Bahn: Soll den Datenskandal bei der Bahn mit aufklären: der ehemalige Innenminister Gerhard Baum.

Soll den Datenskandal bei der Bahn mit aufklären: der ehemalige Innenminister Gerhard Baum.

(Foto: Foto: dpa)

Mehdorn verlas am Freitag bei einer Sitzung des Konzernbetriebsrates in Frankfurt eine Erklärung, in der die Konzernspitze den wiederholten Abgleich der Adressen und Bankverbindungen von 173.000 Mitarbeitern mit den Daten von 80.000 Lieferanten bereute. Der Vorstand bedauere, dass es bei der Überprüfung von Mitarbeitern zu Verstößen gekommen sei und dass die Vertreter der Belegschaft darüber nicht informiert worden seien. Nach Angaben des Konzernbetriebsrats sagte Mehdorn, der Vorstand "entschuldigt sich dafür bei seinen Mitarbeitern". Der Betriebsrat akzeptierte die Entschuldigung.

Die Gewerkschaften Transnet und GDBA hatten zuvor ein Ultimatum gestellt. Mehdorn müsse sich bis kommenden Dienstag entschuldigen, sonst werde man seinen Rücktritt fordern. Nach Mehdorns Entschuldigung erklärten die Gewerkschaftschefs Alexander Kirchner (Transnet) und Klaus-Dieter Hommel (GDBA), das sei ein "erster Schritt". Man erwarte aber, dass Mehdorn sich nicht nur beim Konzernbetriebsrat, sondern auch bei allen Mitarbeitern "direkt und unmissverständlich" entschuldige. Außerdem müsse die "Schnüffel-Affäre" vollständig aufgeklärt werden.

Am Freitag stritten sich die Gewerkschaften und Aufsichtsratschef Werner Müller um den Termin für eine Sondersitzung des Kontrollgremiums, bevor man sich schließlich auf den 18. Februar einigte.

Die Gewerkschaften hatten zuvor ein Treffen am 10. Februar verlangt und dazu ihrerseits bereits eingeladen. Auch Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee setzte sich für diesen Termin ein. Die Gewerkschaften gaben sich dann offenbar deshalb mit dem 18. Februar zufrieden, weil sie einige Zusagen erhielten.

Baum - Aufklärer vom Dienst

Neben der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG soll nun auch der frühere Bundesinnenminister Gerhard Baum (FDP) vom Aufsichtsrat mit der Untersuchung des Datenskandals beauftragt werden. Baum ist bereits in der Spitzelaffäre bei der Telekom tätig. Um diesen Fall kümmert er sich für die Gewerkschaft Verdi.

Die Untersuchungen bei der Bahn durch Baum und die KPMG wird nicht der Vorstand betreuen, sondern der Aufsichtsrat, der dazu einen neuen Ausschuss bildet. Konzernchef Mehdorn sagte auch zu, dass die Bahn ihre bisherigen Untersuchungsergebnisse in der kommenden Woche nicht nur dem Bundestag und der Bundesregierung, sondern "zumindest zeitgleich" auch dem Aufsichtsrat vorlegen werde. Dieser Bericht wird voraussichtlich etliche Lücken aufweisen. "Was wir wissen, kommt auf den Tisch", sagte Mehdorn.Das Unternehmen hat, in einigen Fällen zumindest, nicht den Durchblick, was es wann warum von externen Sicherheitsunternehmen über die eigenen Mitarbeiter in Erfahrung bringen wollte und was diese Unternehmen dann der Bahn über wen berichtet haben. Von dem Berliner Unternehmen Network beispielsweise liegen Rechnungen über 43 Aufträge mit einem Gesamtvolumen von rund 800. 000 Euro vor.

In mehr als einem halben Dutzend Fällen lässt sich aber offenkundig nicht mehr nachvollziehen, mit welchem Projekt die Firma, die auch in der Datenaffäre der Telekom eine wichtige Rolle spielt, beauftragt worden ist. In diesen Fällen soll in den Rechnungsunterlagen nur vermerkt sein, dass ein Auftrag mündlich erteilt worden sei. Wie genau dieser lautete, welches Ergebnis die Nachforschungen hatten, bleibt bislang im Dunkeln. Unterlagen fehlen. Nach Angaben aus Unternehmenskreisen sind entweder keine Akten angelegt worden, verlorengegangen oder vernichtet worden.

Fest steht nur: Die ersten Rechnungen stammen aus dem Jahr 1998; die Konzernrevision war offenkundig wenig pedantisch. Und wegen Personalwechsels sind angeblich in einigen Fällen keine Informationen mehr zu beschaffen.

Die Berliner Staatsanwaltschaft, die vor einer Woche von Mehdorn eingeschaltet worden war, hat mit einer ersten Prüfung von Bahn-Unterlagen begonnen. Am Mittwoch hatte das Unternehmen zwei Kartons bei der Staatsanwaltschaft angeliefert, am Freitag vier weitere Boxen geschickt. Die Hauptabteilung für Wirtschaftsstraftaten der Berliner Staatsanwaltschaft soll rund sechzig Einzelfälle sichten. Zwar hatte der Antikorruptionsbeauftragte Wolfgang Schaupensteiner, wie Mehdorn erklärte, "keine Anhaltspunkte für ein strafrechtliches Verhalten" der Bahn oder deren Mitarbeiter gefunden. Da aber "in Teilen der Öffentlichkeit offensichtlich das notwendige Vertrauen" fehle, sei die Staatsanwaltschaft um Prüfung gebeten worden.

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