Süddeutsche Zeitung

Spitzel-Skandal bei der Bahn:Dümmer geht's kaum

Mit dubiosen Spitzel-Aktionen beschattete die Bahn 173.000 Mitarbeiter. Jetzt schuldet sie den Betroffenen eine gute Erklärung.

Michael Bauchmüller

Ach, Sie wissen noch gar nichts davon? Ihr Arbeitgeber hat Ihre Daten längst an eine Detektei weitergegeben - Name, Adresse, Geburtsdatum, Bankverbindung. Reine Routine! Ihr Chef wollte nur wissen, ob Sie hinter seinem Rücken krumme Dinger drehen. Sicher ist sicher.

So ähnlich muss sich das dieser Tage für die Mitarbeiter der Bahn anfühlen. In 173.000 Fällen, so gaben Unternehmensvertreter am Mittwoch vor Parlamentariern zu, hatte der Konzern die Daten von Beschäftigten oder deren Partnern weitergereicht. Detektive sollten klären, ob die Mitarbeiter ihren Arbeitgeber betrogen. Sie hätten Scheinfirmen unterhalten können, die Aufträge abfangen. Sie hätten sich an dem Koloss Bahn bereichern können. Als läge das Unternehmen mit irgendwem im Krieg, trug die Großrecherche auch noch Tarnnamen wie "Projekt Eichhörnchen" oder "Babylon". Dubioser geht es kaum. Dümmer allerdings auch nicht.

Mehr als nur ein Geschmäckle

Denn 173.000-mal wird die Bahn nun einiges zu erklären haben. Der Datenschutz ist in diesem Land immer noch ein Heiligtum. Dass ein Unternehmen, noch dazu ein staatliches, im großen Stil Daten an Dritte weiterreicht; dass es den Betroffenen gegenüber vorher nicht einmal die Möglichkeit solcher Überprüfungen einräumt, das hat mehr als nur ein Geschmäckle. Es verbietet sich.

Natürlich hat die Bahn die Pflicht, Schäden vom Unternehmen abzuwenden, auch solche durch Mitarbeiter. Mit Ausforschungen dieser Dimension allerdings ist die Bahn weit über das Ziel hinausgeschossen. Ob die Aktion Aussicht auf Erfolg haben konnte, darf ohnehin bezweifelt werden. Wer seinen Chef betrügen will, der wird das kaum unter eigenem Namen tun.

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Quelle:
SZ vom 29.01.2009/tob
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