Man kann die Sache theoretisch angehen. So wie Florian Spathelf, 28, der sich irgendwann in seinem Job bei einer Unternehmensberatung fragte, ob unsere Gesellschaft ihren Konsum nicht grundlegend überdenken sollte - angesichts der immer knapper werdenden Ressourcen. Und der ein eigenes Unternehmen gründen wollte, um eine Alternative anzubieten.
Und man kann die Sache praktisch angehen. So wie Julia Derndinger und Christian Angele, die mit wachsendem Frust beobachteten, wie ihre Nichten und Neffen mit Spielzeug geradezu zugeschüttet wurden. Als sich die drei, der Theoretiker und die beiden aus der Praxis, vor zwei Jahren trafen, entstand meinespielzeugkiste.de. Über das Internetportal wird Spielzeug nicht verkauft - sondern verliehen.
Man kann das Spielzeug selbst auswählen oder sich etwas empfehlen lassen: Soll das Kind seine logischen oder seine sprachlichen Fähigkeiten schulen oder doch eher die Kreativität? Es gibt Spielzeugkisten in drei verschiedenen Größen. Einzeln oder im Abo für drei oder sechs Monate. Die Rücksendung des Spielzeugs ist kostenlos.
Das notwendige Geld, um ihr Unternehmen zu gründen, haben die drei damals im Internet gesammelt. Wer das Start-up über die Crowdfunding-Plattform Companisto unterstützte, der bekam ein Abo, etwas Spielzeug als Prämie - und eine Gewinnbeteiligung. So werden aus den Investoren auch mögliche Kunden. Derzeit, sagt Spathelf, nutzen 580 Menschen seinen Dienst, die jeweils 20 Euro pro Monat bei ihm lassen. Sieben Mitarbeiter hat die Firma inzwischen. Wenn es weiterhin gut läuft, dann will er seine Dienste im nächsten Jahr auch im Ausland anbieten: in Frankreich, in England und in Osteuropa.
Anfangs stießen die Jungunternehmer immer wieder auf Zweifel: Gebrauchtes Spielzeug ausgerechnet für kleine Kinder, die doch alles in den Mund nehmen - ist das nicht eklig? Und dann muss man es ihnen auch noch wegnehmen, wenn sie's gerade lieb gewonnen haben - gibt das nicht Tränen? Das Spielzeug wird, ehe es zum nächsten Kind geht, geprüft, gereinigt, desinfiziert und luftdicht verpackt. Spätestens nach der sechsten Ausleihstation wird ein Spielzeug ausrangiert. Das Start-up arbeitet mit großen Spielzeugherstellern zusammen, die die Ware günstiger zur Verfügung stellen. Manches erhalten die Verleiher sogar kostenlos.
Für die Hersteller ist das Portal ein guter Weg, um ihre Spielwaren in die Kinderzimmer zu bekommen. Und manchmal legen sie auch einen Gutschein bei - und hoffen darauf, dass die Eltern für die Kleinen beispielsweise das Set mit Legosteinen aufstocken. Spathelf weiß inzwischen auch: Vieles lassen die Kinder eh liegen, wenn sie etwas Neues entdecken. Mehr als 200 Euro gibt eine deutsche Familie im Jahr für Spielzeug aus. Vieles von dem, was für viel Geld angeschafft wird, verstaubt dann auf dem Dachboden.
Von der nächsten Woche an wird das Berliner Start-up den Eltern auch ausdrücklich beim Entrümpeln von Kinderzimmern und Kellern helfen. Man kann altes Spielzeug dann einfach einschicken. Im Gegenzug gibt es etwas Geld und einen Gutschein für meinespielzeugkiste.de. "Einen Teil der Spielsachen spenden wir", erzählt Spathelf. Die Aktion werde auch von anderen Internetplattformen für Eltern unterstützt, zudem arbeitet er mit einem Einzelhändler für Kinderbedarf zusammen. Es ginge ihm, so sagt er, nicht nur darum, in den Kinderzimmern Platz für Spielzeug zur Miete zu schaffen - sondern auch ein Bewusstsein für das Teilen.
Und trotzdem ist Gebrauchtes in den Augen der allermeisten Menschen noch immer: Minderwertiges. Spathelf hingegen glaubt daran, dass derzeit eine neue Generation heranwächst, die in Diensten wie seinem eher etwas Gutes sieht: mehr Freiheit. Er selbst, so erzählt er, habe kein eigenes Auto. Er sei begeisterter Carsharer. Wenn er einen Umzug plant, bucht er einen Transporter. Für den Wochenendausflug auch mal ein Cabrio. Diese Freiheit, so sagt er, gelte es auch beim Spielzeugverleih herauszustellen. "Da können Familien alles ausprobieren."
Bislang tun dies eher Akademiker als Arbeitslose - auch wenn der Spielzeugverleih den Geldbeutel schont. Je niedriger das Einkommen, desto wichtiger ist es, Dinge zu besitzen. Man will eben zeigen, dass man es sich leisten kann. Für die Besserverdiener dagegen wird das Sharing zum neuen Statussymbol. Man will eben zeigen, dass man auf der Höhe der Zeit ist.
Spathelf hat mehr Kunden in Prenzlauer Berg als in Marzahn. Und zurzeit ist ihm das auch ganz recht. Denn die Eltern aus den besseren Wohnvierteln lassen mehr Geld bei ihm, tauschen nicht so oft, kurzum: sind profitabler. Langfristig aber sieht er durchaus auch einen pädagogischen Auftrag in seinem Portal. "Wir wollen den Eltern die Möglichkeit geben, verschiedene Spielzeuge zu testen, damit die Kinder eben nicht einfach nur vor den Fernseher gesetzt werden."