Süddeutsche Zeitung

Spielzeugproduzenten:Bobby-Car-Hersteller will Märklin übernehmen

Durch die Kinderzimmer sollen wieder Modelleisenbahnen fahren. Deutschlands größter Spielwarenhersteller Simba-Dickie prüft die Übernahme des angeschlagenen Traditionsunternehmens Märklin. Warum der Konzern in eine vermeintlich überholte Spielzeuggattung investiert.

Uwe Ritzer

Michael Sieber, 56, sammelt Spielzeugfirmen mit einer Emsigkeit wie Eichhörnchen ihre Wintervorräte. Eine bekannte Marke nach der anderen holte der Fürther Unternehmer in den vergangenen Jahren unter das Dach seiner Simba-Dickie-Gruppe: den Holzspielzeugexperten Eichhorn (1998), den Modellautobauer Schuco (1999), den Bobby-Car-Hersteller BIG (2004) oder Smoby (2008), den drittgrößten Spielwarenhersteller Frankreichs. Mehr als ein Dutzend Markenhersteller aus dem In- und Ausland gehören inzwischen zur Firmengruppe. Nun soll ein prominenter Name hinzukommen: Märklin.

Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung will Simba-Dickie den in Göppingen angesiedelten Modelleisenbahn-Hersteller samt dessen Tochtermarken LGB und Trix kaufen. Eine Simba-Dickie-Sprecherin bestätigte auf Anfrage, "dass wir eine entsprechende Absichtserklärung unterschrieben haben und exklusiv über eine Übernahme verhandeln". Seit ein paar Tagen schauen Michael Sieber und seine Leute intensiv in die Märklin-Bücher. "Die Prüfung wird mehrere Monate dauern", sagte die Firmensprecherin. Wann die Übernahme vonstattengehen und wie viel Geld Märklin kosten soll, lasse sich noch nicht absehen.

Michael Sieber und seinem Management wird ein glückliches Händchen im Umgang mit Marken nachgesagt, die zwar auf eine große Tradition blicken und einen guten Ruf genießen, dennoch aber eine Auffrischung brauchen, weil die Zeit irgendwie über sie hinweggegangen ist. Marken wie Märklin. 1859 von Theodor Friedrich Wilhelm Märklin gegründet, kämpft der nach eigenen Angaben "Weltmarktführer für Modelleisenbahnen" seit einigen Jahren ums Überleben. Früher gehörte eine Modelleisenbahn zur Grundausstattung in Kinderzimmern, zumindest in jenen von Jungs. Das hat sich in den vergangenen 15 Jahren gewaltig verändert. Heute bestimmt Computertechnologie das Bild.

Gerade noch gerettet

Modelleisenbahnen wurden zur Liebhaberware für Sammler. Je originalgetreuer eine Lok oder ein Wagen ist, desto aufwendiger die Produktion, desto empfindlicher die Handhabung, desto höher auch der Preis. Viele traditionsreiche Hersteller wie Fleischmann oder Trix gerieten in dieser Gemengelage ins Trudeln. Märklin meldete 2009 Insolvenz an. 430 Mitarbeiter mussten gehen; aktuell beschäftigt das Unternehmen im Göppinger Stammwerk und im ungarischen Györ gut 900 Menschen.

Insolvenzverwalter Michael Pluta gelang es, Märklin wieder auf Kurs zu bringen. Im Dezember 2011 hob das Amtsgericht Göppingen das Insolvenzverfahren auf und erklärte einen zwischen den Gläubigern und Pluta ausgehandelten Insolvenzplan für rechtskräftig. Märklin war gerettet.

Eigentümer sind die Gläubiger, allen voran die Investmentbank Goldman Sachs, die BW-Bank und die Kreissparkasse Göppingen. 2011 erwirtschaftete Märklin 109 Millionen Euro Umsatz und einen Gewinn vor Steuern und Zinsen von 12,4 Millionen Euro. Für Simba-Dickie wäre Märklin der bislang größte Brocken, den es zu verarbeiten gilt.

Das Fürther Familienunternehmen wurde 1982 von Michael Sieber und dessen Vater gegründet. Mit 3700 Mitarbeitern und einem Umsatz von zuletzt 640 Millionen Euro ist Simba-Dickie der größte deutsche Spielwarenhersteller. Allerdings werden etwa 70 Prozent des Umsatzes im Ausland erwirtschaftet. Zum Geschäft gehören auch zahlreiche Lizenzen für Spiele, Figuren und andere Merchandising-Produkte aus erfolgreichen Kinofilmen oder TV-Serien. Warum sollen nun aber auch Modelleisenbahnen dazukommen, diese vermeintlich überholte Spielzeuggattung?

Größte Übernahme in der Firmengeschichte

"Wir sehen Perspektiven sowohl im Kinderspielzeugbereich als auch bei Sammlern", sagte Simba-Dickie-Chef Michael Sieber am Dienstag der SZ. Märklin sei "eine der größten und stärksten deutschen Spielwarenmarken", die man "auch wieder in die Kinderzimmer bringen kann". Andererseits gebe es "viele Papas und Großväter, die mit Märklin groß geworden sind" - mithin also eine zahlungskräftige Zielgruppe sind.

Sieber sagte, im Falle einer Übernahme solle Märklin als weitgehend selbständiges Standbein unter dem Simba-Dickie-Dach geführt werden. Synergieeffekte, etwa bei der Produktion, gebe es mit den anderen Marken des Unternehmens nicht. Märklin wäre vom Volumen her die bislang größte Übernahme des Fürther Familienunternehmens. Zu einem möglichen Kaufpreis sagte Sieber nichts. Er rechnet damit, dass die Verhandlungen im Februar oder März 2013 "erfolgreich abgeschlossen sein könnten". Das wäre früher als geplant. Im Insolvenzplan für Märklin ist ein Verkauf im Jahr 2014 als Ziel formuliert.

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Quelle:
SZ vom 14.11.2012/bero
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