Spielzeugmesse:Die Sehnsucht der Männer

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Wer als Kind mit der Carrera-Bahn spielt und Lego-Bagger zusammenbaut, macht das später auch noch gerne: Die Spielwarenbranche entdeckt die Erwachsenen.

Uwe Ritzer

Die Idee kam ihm angesichts der vielen Väter, die in seinem Laden für ihre Kinder einkauften und mit verzücktem Blick erklärten: "Hier möchte ich einmal eine Nacht verbringen." Und so beschloss Heinz Lehmann zum zehnjährigen Bestehen seines Spielwarengeschäfts in der Fußgängerzone von Hannover, diesen Wunsch zu erfüllen. Er lud zu einem Männerabend ein.

"Männer sind technikverliebt", sagt einer der besten Trendscouts der Spielebranche. Ein Informatikstudent in Hamburg mit seinem Lego-Roboter namens Puschel (Archivfoto). (Foto: DPA)

Das sei "eine der brillantesten Marketingideen der letzten Jahre" gewesen, jubelte die Fachzeitschrift planet toys: "Simpel, effektiv, preiswert, medienwirksam und multiplizierbar." Genau richtig, um die von der gesamten Spielwarenbranche händeringend gesuchten neuen Zielgruppen zu ködern. Inzwischen kann sich Händler Lehmann vor Zulauf nicht mehr retten. Was eine einmalige Aktion mit karitativem Zweck sein sollte, wurde zur "besten Geschäftsidee, die ich jemals hatte", sagt Lehmann stolz. Inzwischen lädt er jeden Freitag zum Männerabend in sein Geschäft.

Jeweils von 20 Uhr bis Mitternacht dürfen 52 Männer rein. Jeder zahlt anstandslos 30 Euro Eintrittsgeld. Aufgeteilt in Vierergruppen fahren sie mit der Carrera-Bahn, steuern Funk-Autos, lassen Hubschrauber per Funk schweben, spielen Dart und Tischfußball, und es wird am Pokertisch gezockt.

Lehmann ist auf Monate hinaus ausgebucht. "Allein vor Weihnachten habe ich 600 Gutscheine an Frauen verkauft, die damit ihre Männer beschenkten", erzählt der Händler. Neuerdings buchen auch große Firmen für Kunden und Mitarbeiter Männerabende im Spielwarengeschäft. Viele der Männer kämen als Kunden wieder - und es sind nicht mehr nur Väter. "Ich erschließe neue Zielgruppen", sagt Lehmann.

Wenn eine Frau von 30 oder 40 Jahren ihre kindliche Vorliebe für das An- und Umziehen von Puppen wieder aufleben lässt, macht sich ihr Umfeld Sorgen und erwägt die Einweisung in eine geschlossene Anstalt. Wenn aber Männer in diesem Alter ihre präpubertäre Spielleidenschaft wiederbeleben, gelten sie offenbar als cool. Deswegen entdeckt die Spielwarenbranche diese Zielgruppe gerade für sich.

Modelleisenbahn
:Das Kind im Manne

Im Beruf stehen sie unter Volldampf, daheim spielen sie mit kleinen Loks. Viele mächtige Lenker und Macher dieser Welt scheinen ein Faible für Modellbahnen zu haben. Vier Beispiele.

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Lego zum Beispiel. "Natürlich sind Kinder unsere Hauptzielgruppe", sagt Dirk Engehausen, Zentral- und Südeuropa-Chef des dänischen Bauklötzchenkonzerns. Der Bagger aber, den Lego voriges Jahr auf den Markt gebracht hat - Werbeslogan: "Ihrer Frau ist es doch auch lieber, Sie baggern zu Hause" -, richtete sich vor allem an ältere männliche Kundschaft. Es ging um 1123 Teile, deren Zusammenbau in einer 3-D-Animation auf einer eigenen Webseite im Internet erklärt wurde. Es war die erste Lego-Kampagne, die klar auf Männer als Käufer zielte.

Auch Manager Engehausen hat den Bagger zusammengebaut, "zwischen Weihnachten und Neujahr". Genauso wie den Lego-Unimog, der als nächstes Produkt die Männer begeistern soll. "Uns gelingt es immer besser, erwachsene Zielgruppen zu erschließen und noch tiefer in die Familien zu kommen", sagt Engehausen. Das sei ein Grund dafür, weshalb Lego 2010 mit einem Umsatzplus von 7,3 Prozent über dem Branchenschnitt von sechs Prozent lag.

Tatsächlich finden sich bei der weltweit größten Spielwarenmesse in Nürnberg viele Produkte, die vor allem Erwachsene und speziell Männer ansprechen. Klassiker sind Modelleisenbahnen, wie Horst Seehofer (CSU) sie zu Hause hat, der bayerische Ministerpräsident, der die Messe am Mittwochabend eröffnen sollte. Auch aufwendige und entsprechend teure Modelle von Oldtimer-Autos zielen auf erwachsene Sammler und weniger auf Kinder. "Männer sind technikverliebt, und das kann man sich zunutze machen", sagt Otto E. Umbach, seit 34 Jahren Geschäftsführer des weltweit größten Spielwaren-Verbunds idee + spiel. Er gilt als einer der besten Trendscouts der Branche.

Die wäre gut beraten, nicht nur den Sammlern, sondern auch den Spielern unter den Männern Angebote zu machen, sagt Umbach. Beispiele wie Lego seien erst der Anfang. "Diese Zielgruppe ist noch längst nicht erschlossen", erklärt Umbach: "Dafür wären Fahrzeuge und Fußball zwei ganz große Themen." Für bekannte Marken, die schon seit Jahrzehnten existieren, sei das Werben um ältere Spieler einfacher: Wer als Junge Carrera-Bahn fährt, macht das auch in gesetzterem Alter gerne.

Überhaupt müsse Spielen aus den Kinderzimmern herausgeholt und zu einem generationenübergreifenden Thema gemacht werden, sagt der Experte. Nicht immer wird das klappen. Ken zum Beispiel, Barbies Mann, wird wohl weiter nur der Schwarm kleiner Mädchen bleiben - kein Junge spielt mit ihm, ob jung oder alt. Dabei ist er auch schon 50.

© SZ vom 03.02.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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