Spielzeug-Test in der Diskussion:Widerstand gegen Stiftung Warentest

Spielzeug-Test in der Diskussion: Holzspielzeug: Kurz vor Weihnachten hat die Stiftung Warentest eine Gefahrenmeldung herausgegeben, nun regt sich bei Händlern Unmut.

Holzspielzeug: Kurz vor Weihnachten hat die Stiftung Warentest eine Gefahrenmeldung herausgegeben, nun regt sich bei Händlern Unmut.

(Foto: WOR)

Der juristische Erfolg von Ritter Sport ermuntert auch andere Branchen zum Widerstand gegen die Stiftung Warentest. Nach einem vernichtenden Urteil für Holzspielzeug vor Weihnachten regt sich nun bei der Spielzeugindustrie Unmut.

Von Uwe Ritzer, Nürnberg

Der Leserbriefschreiber schien ernsthaft beunruhigt. "Es ist heutzutage gar nicht mehr so einfach, als Kleinstkind zu überleben", warnte er und berichtete Besorgniserregendes aus dem eigenen Kinderzimmer. "Meinen neun Monate alten Sohn hätte es letztens beinahe auch erwischt. Hielt er doch die Lokomotive der Holzeisenbahn in seinen Händen." Hätte seine Frau nicht aufgepasst, schrieb der Mann weiter, hätte der Junge "glatt fünf Jahre lang am Führerhaus lecken können und so genug giftige Lackstoffe inkorporiert, um als Neunzigjähriger garantiert ein Demenzstadium auszubrüten."

Der Sarkasmus war die Replik auf die Stiftung Warentest. "Unsicheres Spielzeug aus Deutschland", hatte diese kurz vor Weihnachten über einen Beitrag in ihrer Zeitschrift test geschrieben, der sich auf eine Untersuchung von Holzspielzeug bezog. Fazit der Warentester: Jedes zweite geprüfte Produkt berge Risiken in sich. Man habe unter anderem Stoffe gefunden, die Krebs erzeugen, Allergien auslösen, das Erbgut oder die spätere Fortpflanzungsfähigkeit schädigen können. Sogar die Bundesregierung sprang auf und verbreitete die Nachricht auf ihrer Internetseite.

Angst vor der Rache der Warentester

Die Gefahrenmeldung platzte mitten in das Weihnachtsgeschäft und traf die Hersteller und Händler von Spielwaren dementsprechend hart. Denn die Branche erwirtschaftet etwa die Hälfte ihres Jahresumsatzes just in den vier Adventswochen. Vor allem die Holzspielzeugbauer witterten hinter dem Timing böse Absicht. "Die wollen sich mit dem Thema um diese Jahreszeit auf unsere Kosten profilieren, in dem sie uns an den Pranger stellen", vermutet der Chef einer Holzspielzeugfirma, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Aus Angst vor der Rache der Warentester "beim nächsten Mal", wie er sagt.

Die Aufregung in der Spielzeugindustrie noch nicht abgeebt, im Gegenteil. Das Fachblatt toys widmet dem Thema in ihrer neuen Ausgabe gleich fünf Seiten. Auch auf der bevorstehenden Spielwarenmesse in Nürnberg soll der Holzspielzeugtest noch einmal Thema sein. Dass sich gerade der Schokoladenhersteller Ritter-Sport vor dem Landgericht München gegen die Verbraucherschützer durchsetzen konnte, macht nicht nur Spielwarenfirmen Hoffnung.

Bislang galten die Ergebnisse der Stiftung Warentest als rechtlich fast unangreifbar. Seit ihrer Gründung 1964 konnte kein Schadenersatzanspruch durchgesetzt werden. Höchstrichterlichen Flankenschutz erhielten die Verbraucherschützer 1975 durch den Bundesgerichtshof, der sich klar auf ihre Seite schlug.

Spielzeug als dankbares Thema für Produkttester

Nun ist gerade Spielzeug ein dankbares Thema für Produkttester aller Art. Wenn bei deren Prüfungen irgendwie als besorgniserregend deutbare Ergebnisse herauskommen, garantiert dies den Prüfern selbst große Aufmerksamkeit. Andererseits trugen solche Tests ganz massiv dazu bei, die Sicherheitsrichtlinien für Spielzeug zuletzt deutlich zu verschärfen. Ohne diesen Druck hätte sich die Industrie kaum bewegt. Sie behauptet nun, das Beispiel Holzspielzeug offenbare fragwürdige Methoden der Stiftung Warentest.

"Sie legt für ihre Bewertungen eigene Anforderungen zugrunde, die unabhängig von den geltenden gesetzlichen Vorgaben für Spielzeugsicherheit aufgestellt werden", kritisiert Ulrich Brobeil, Geschäftsführer des Spielwaren-Industrieverbandes DVSI. Die beim Holzspielzeug verwendeten Testmethoden würden sich teilweise stark von den allgemeinen Prüfstandards unterscheiden. Die Ergebnisse würden daher "zum Teil erheblich von den Werten abweichen, die unabhängige Prüfinstitute mit genormten Testverfahren bei gleichem Spielzeug erhalten", so Brobeil.

Keine Messmethoden nach Gutdünken

Den Vorwurf, Messmethoden und Grenzwerte nach eigenem Gutdünken festzusetzen, weist Renate Ehrnspacher von der Stiftung Warentest weit von sich. "Wir orientieren uns an den gesetzlichen Grenzwerten, schauen, was es darüber hinaus noch an freiwilligen Qualitätsnormen gibt und ziehen zusätzlich heran, was technisch machbar ist", sagt die Projektleiterin des Holzspielzeugtests. Denn die gesetzlich vorgeschriebenen Standards seien nur ein Minimalkonsens und oft nicht ausreichend. Ganz abgesehen davon würden die Prüfmethoden vorher immer mit externen Fachleuten diskutiert und festgelegt.

Was nicht zwangsläufig vor Fehlern schützt, wie ein Beispiel aus dem Sommer 2013 zeigt. Damals befanden die Warentester, ein bestimmtes Elektrofahrrad könne durch elektromagnetische Strahlungen den Funkverkehr von Polizei und Rettungsdiensten stören. Der Hersteller ließ dies nachprüfen - und konnte die Testergebnisse widerlegen. Die Funkstörung war behoben.

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