Spielzeug:Bio-Welle ins Nichts

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Spielzeug soll originell sein, unterhaltsam - und jetzt auch nachhaltig: Lego-Figuren als "Fridays for Future"-Demonstranten. (Foto: Marijan Murat/dpa)

Spielzeug wird nachhaltig, aber wollen die Kunden das überhaupt?

Von Uwe Ritzer

Ein Lego-Haus mit Solarmodulen auf dem Dach, einer Ladestation für E-Autos und einem Smoothie-Mixer. Ein Bio-Gewächshaus für Kinder ab sieben Jahren, mit biologisch abbaubaren Anzuchttöpfen und Bio-Samen, damit die Kleinen "die Geheimnisse des ökologischen Anbaus" frühzeitig entdecken, so Hersteller Clementoni. Ein Fischertechnik-Spielzeugauto samt Brennstoffzelle; den nötigen Wasserstoff kann der Junge oder das Mädchen praktischerweise selbst herstellen.

Gleich drei der zehn von einer Fachjury gekürten Top-Ten-Spielzeuge im laufenden Weihnachtsgeschäft propagieren Nachhaltigkeit. "Die Bio-Welle rollt", titelte neulich schon ein Fachmagazin. Das Thema Nachhaltigkeit sei auch in Kinderzimmern groß im Kommen, versichern Spielwarenindustrie und -handel unisono. Sie sprechen gar von einem "Greta-Trend". Echt jetzt?

Dieselben Branchenvertreter veröffentlichten am Dienstag eine von ihnen selbst in Auftrag gegebene repräsentative Untersuchung, die genau das Gegenteil aussagt. Demnach müssen Spielwaren vor allem billig sein. Für 54 Prozent der Käuferinnen und Käufer ist der Preis das wichtigste Kriterium. Zweitens muss ein Spielzeug originell sein oder wenigstens unterhaltsam. Das ist der zahlenden Kundschaft sogar noch wichtiger als Qualität und Sicherheit, die im Kriterienranking erst an dritter Stelle stehen. Es folgen die allgemeine Beliebtheit des Produktes, die Marke des Herstellers, Design und Aufmachung sowie Empfehlungen Dritter. Erst an achter Stelle, weit abgeschlagen, spielt der Aspekt Nachhaltigkeit eine Rolle. Das passt zur Erkenntnis, dass das meiste Spielzeug in Deutschland online gekauft wird, 77 Prozent lassen sich dabei von Amazon beliefern.

Macht sich die Spielwarenbranche also etwas vor, wenn sie sich, wie neulich auf einem Fachkongress, selbst dafür lobt, dass sie das Thema Nachhaltigkeit forciert, immer mehr Recyclingkunststoff verwendet, Verpackungen reduziert und auch sonst bei jeder Gelegenheit auf den Öko-Zug aufspringt? Oder produzieren die Firmen an den Bedürfnissen der Kundschaft vorbei? Womöglich ist es aber einfach so, dass längst nicht jede Käuferin und jeder Käufer, der Klima- und Ressourcenschutz gerne im Wort führt, auch entsprechend einkauft. Das vermutet auch Ulrich Brobeil, Geschäftsführer des Spielwaren-Industrieverbands DVSI. "Denken und Verhalten scheinen hier auseinanderzuklaffen", sagt er. Psychologen würden dieses Phänomen als "kognitive Dissonanz" bezeichnen. Einfacher formuliert: Reden und Tun stehen in krassem Widerspruch.

Und ohnehin sind viele Spielwaren nach wie vor Wegwerfware, binnen weniger Wochen oder Monate schon wieder vom Markt verschwunden. Andere Hersteller glauben durchaus an ihre Mission oder zumindest an einen langfristigen Trend. Doch, doch, sagen Vertreter der Spielwarenbranche, der Markt für nachhaltige Spielwaren entwickle sich, langsam zwar, aber immerhin. Vor allem junge Eltern seien da richtig hellhörig. Ganz bestimmt.

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