Süddeutsche Zeitung

Spielzeug:Barbie zieht an die Schlossallee

  • Der US-Spielzeugkonzern Hasbro will offenbar den Rivalen Mattel übernehmen.
  • Kommt das Geschäft zustande, kämen demnächst fast alle großen Spielwaren-Marken aus nur noch einem Großunternehmen.
  • Die klassische Spielzeug-Branche leidet unter der digitalen Konkurrenz, zuletzt war bereits der Händler Toys'R'Us in die Pleite gerutscht.

Von Kathrin Werner, New York

Vielleicht hat Barbie die Antwort. Schon in den 60er-Jahren war die Puppe eine erfolgreiche Geschäftsfrau. 1999 kam sie sogar als Vorstandschefin in die Kinderzimmer. Mattel, Barbies Hersteller und Erfinder ihrer zahlreichen Berufe, könnte jedenfalls Hilfe gebrauchen. Der größte Rivale Hasbro will das Unternehmen kaufen, berichten US-Medien.

Wenn sich Mattel und Hasbro wirklich zusammenschließen, kommen fast alle großen Spielzeugmarken aus einem Haus: Mattel würde neben Barbie auch die Spielautos Hot Wheels und Matchbox, das Kartenspiel Uno und die Plastik-Babysachen von Fisher Price beisteuern, von Hasbro kämen unter anderem Brettspiele wie Monopoly, die bunten Gummiponys von Mein kleines Pony und Actionfiguren der Transformers, der Comic-Reihe Marvel und von "Star Wars". Darüber hinaus hat Hasbro die Rechte an den Puppen der beliebten Disney-Prinzessinnen Elsa und Anna. Früher war Mattel größer als Hasbro, im Jahr 2000 hat Hasbro den Konkurrenten allerdings beim Umsatz überholt.

Wie weit die Verhandlungen über einen Zusammenschluss fortgeschritten sind und ob Mattel für die Idee offen war, ist bisher nicht bekannt. Auch zu den Details des Angebots, etwa zu Kaufpreis, gibt es keine Angaben. Die Unternehmen äußerten sich nicht zu den Plänen. Es gab in der Vergangenheit schon häufiger Gerüchte über eine Fusion, zuletzt Ende 2015 und zum ersten Mal vor mehr als 20 Jahren. Doch dann war nie etwas passiert. Sollten sich die Firmen einigen, gebe es zudem noch die Kartellbehörden als weitere Hürde. Sie werden die Fusion verhindern, wenn sie davon ausgehen, dass die beiden mit Abstand größten amerikanischen Spielzeughersteller gemeinsam eine zu große Macht über den Markt hätten und zum Beispiel Preise erhöhen könnten. Für Spielwarengeschäfte wäre es schwer, sich Preiserhöhungen zu widersetzen, weil sie ohne die Produkte von Hasbro und Mattel kaum noch etwas verkaufen könnten. Einen Konkurrenten, der ähnliches Spielzeug für günstigere Preise herstellen und so den Riesenkonzern unter Druck setzten könnte, gibt es nicht. Hasbro, Mattel und Lego verkaufen mehr als die Hälfte allen Spielzeugs in den USA, alle anderen Hersteller haben einen Marktanteil von weniger als fünf Prozent.

Firmenzusammenschlüsse führten fast immer zu steigenden Preisen, hieß es in ersten Veröffentlichungen einer Studie der Notenbank Federal Reserve aus dem vergangenen Jahr. Der größte Vorteil, den sich Manager von Fusionen versprechen, trete dagegen meist nicht ein: größere Effizienz. Die Firmen verdienten zwar gemeinsam mehr Geld, für die Volkswirtschaft seien Fusionen aber meist nicht gut, schrieben die Studienautoren Bruce Blonigen und Justin Pierce.

Hasbro orientiert sich nach Hollywood, Mattel leidet

Für Hasbro ist der Zeitpunkt für ein Angebot für Mattel gut. Die Geschäfte der Firma aus Rhode Island an der Ostküste der USA liefen zuletzt gut, vor allem weil es ihr gelungen ist, Kontakte in die Filmindustrie zu knüpfen und die Rechte an den Disney-Puppen zu sichern. Zu Transformers und Mein kleines Pony hat das Unternehmen sogar eigene Hollywood-Filme produziert. Hasbro ist nun zwar deutlich abhängiger davon, ob es den Studios gelingt, Filme zu produzieren, die Kindern und Eltern gefallen. Aber gerade hat das gut geklappt.

Mattel dagegen hat schlechte Jahre hinter sich. Der Aktienkurs des kalifornischen Konzerns ist binnen eines Jahres um mehr als 50 Prozent gesunken, der Börsenwert liegt nur noch bei fünf Milliarden Dollar, weniger als die Hälfte von Hasbro. Barbies Hersteller wäre also vergleichsweise günstig zu haben. Allerdings könnte es ein Hindernis sein, wenn Aktionäre glauben, dass das Unternehmen unterbewertet ist und mehr Geld fordern.

Die Wünsche der Kinder haben sich verändert

Die Spielzeug-Hersteller haben seit einer Weile schon ein Problem mit den Vorlieben der Kinder: Die wünschen sich oft lieber Smartphones oder Tabletcomputer oder eine Spielekonsole als Brettspiele und Puppen. Je mehr die Kinder mit Apps auf ihren iPads oder denen ihrer Eltern spielen, desto weniger kaufen ihre Eltern Barbies und Monopoly. Das macht nicht nur Mattel zu schaffen, sondern hat vor einigen Monaten auch die größte Spielwarenladen-Kette Toys R Us in die Insolvenz getrieben. Das Unternehmen versucht gerade die Sanierung nach Kapitel 11 des US-Konkursrechts.

Die Pleite hat auch Mattel geschadet, der wichtigste Händler schuldet Mattel noch 135 Millionen Dollar, fast doppelt so viel wie Hasbro. Auch bei Lego läuft es nicht rund, nach einem Sommer mit schlechten Verkaufszahlen hatte das Unternehmen im September verkündet, acht Prozent aller Jobs weltweit zu streichen. Der weltweite Markt für Spielsachen wächst zwar, die Branche setzt zusammen mehr als 90 Milliarden Dollar um. Doch die alten Marktführer tun sich schwer damit, ihre Position zu halten.

Anfang des Jahres hatte Mattel eine neue Chefin eingesetzt, die einen Neuanfang einleiten sollte. Es ist der vierte Neuanfang in fünf Jahren, Margo Georgiadis ist die vierte neue Chefin in dem Zeitraum. Mattel hat sie von Google abgeworben, sie sollte mehr Silicon-Valley-mäßige Kreativität und Beweglichkeit bringen. Das Unternehmen ist beinahe berühmt für seine festen Hierarchien, langen Entscheidungsprozesse und eine Unternehmenskultur, in der wenig gespielt und viel geflüstert wird. Außerdem sollte Georgiadis mehr auf Spielsachen mit Hightech setzen, die heutzutage so beliebt sind. Ein Beispiel ist alles rund um Pokémon, das Videospiel von Nintendo. Es gibt neben den Videospielen auch Spielfilme, eine Fernsehserie, Sammelkarten - ein enorm beliebtes Spiel, mit dem man die Fantasiewesen per Smartphone fangen kann und eine riesige Auswahl an Merchandising. Markenartikel aus der Pokémon-Welt sind in diesem Jahr das beliebteste Spielzeug der USA. Barbie ist nur noch auf Platz vier. Etwas Modernes und Erfolgreiches wie Pokémon hat Mattel nicht im Angebot. Auch seit Georgiadis' Antritt geht es nicht aufwärts. Die Zahlen sind schlecht, Mattel muss sparen und kann nicht so viel für Werbekampagnen um neue Spielsachen ausgeben. Noch immer kommen gut 30 Prozent der Umsätze von Produkten, die Mattel in den 50er- und 60er-Jahren erdacht hat, vor allem von Barbie. Die Puppe, erfunden 1959, kennt sich jedenfalls mit Technik aus. Ihr Traumhaus hat inzwischen sogar Wlan.

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Quelle:
SZ vom 13.11.2017/sry
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