Süddeutsche Zeitung

Spielwaren:Streit und Intrigen in der Playmobil-Welt

  • Die Führungskrise beim Playmobil-Hersteller Gebora Brandstätter eskaliert: Das Unternehmen schasst eine Geschäftsführerin - sofort, ohne Angabe von Gründen, nach 25 Jahren in der Firma.
  • Zugleich gibt es Ärger mit der Gewerkschaft, die Mitarbeiter sind verunsichert und beklagen ein Klima der Angst.
  • Bereits seit dem Tod des Firmengründers und -Patriarchen vergangenen Juni ist Deutschlands zweitgrößter Spielzeughersteller in Aufruhr.

Von Uwe Ritzer, Zirndorf

Die Playmobil-Welt ist von Hause aus eigentlich eine fröhliche. Die fingerlangen Kunststoff-Figürchen, von denen mehr als 2,8 Milliarden den Erdball bevölkern, lächeln immer, egal, ob sie als Polizisten, Ritter, Feuerwehrleute, Bauarbeiter oder Gärtner daherkommen. Die chronische Fröhlichkeit der Produkte steht allerdings in krassem Gegensatz zu den Zuständen beim Herstellerunternehmen Geobra Brandstätter. Bei Deutschlands zweitgrößtem Spielwarenhersteller ist jegliche Harmonie dahin.

Da ist zum einen die plötzliche Abberufung von Judith Weingart: "Mit sofortiger Wirkung" scheide die bisherige Geschäftsführerin für Vertrieb, Marketing und Werbung aus, heißt es in einem internen Schreiben, das der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Gründe werden nicht genannt; der Dank an Weingart, die immerhin 25 Jahre in Diensten von Playmobil war und erst 2015 zur Geschäftsführerin aufstieg, fällt kühl aus. Man danke ihr für die langjährige Tätigkeit, heißt es knapp.

Weingarts Rauswurf dürfte die Unruhe bei Playmobil und der Pflanzkübel-Schwesterfirma Lechuza weiter verschärfen. Ohnehin herrschte bereits Verunsicherung seitdem Alleineigentümer Horst Brandstätter Anfang Juni starb. Der war ein raubeiniger Patriarch alter Schule, der den Ton ziemlich unmissverständlich angab. Und wenn nicht, dann hatte Andrea Schauer das Sagen, Weingarts Vorgängerin und 15 Jahre lang Geschäftsführerin. Voriges Jahr zog sie sich "vorwiegend aus gesundheitlichen Gründen" zurück, wie es hieß. Fast zeitgleich erlag Brandstätter mit 81 Jahren einem Krebsleiden.

Playmobil: eine komplizierte Konstruktion

Seither ist Playmobil ein ziemlich kompliziertes Unternehmen mit einem massiven Führungsproblem geworden. Es gehört einer Stiftung, als deren Vorsitzende eine frühere Assistentin und Vertraute Brandstätters fungiert. Die Firma selbst leiten drei gleichberechtigte Geschäftsführer, von denen aber keiner bei Bedarf das letzte Wort haben darf. Sie würden sich gegenseitig belauern und neutralisieren, heißt es. Mitarbeiter beklagen als Folge komplizierte Abstimmungsprozesse.

Und dann gibt es noch großen Ärger mit der Gewerkschaft und Teilen der Belegschaft. Von massiver Beeinflussung im Vorfeld der Betriebsratswahl ist die Rede, von fragwürdigen Attacken auf die IG Metall und unanständigem Druck auf die Beschäftigten. Im Bayerischen Rundfunk sprach ein Playmobil-Mitarbeiter von "einem Klima der Angst", Einschüchterungsversuchen und "ständig drohenden Abmahnungen". Es geht vor allem um die Zustände im Werk im fränkischen Dietenhofen, wo mehr als 1500 der weltweit 4160 Beschäftigten die Kunststoff-Spielewelten produziert, in denen sich die Playmobil-Figuren tummeln.

Ränkespiele um die Neuwahl des Betriebsrats

Der örtliche IG-Metall-Chef Reiner Gehring hat dort eine "Angstkultur" und "Wild-West-Methoden" ausgemacht. "Die wollen uns mit allen Mitteln draußen halten", sagt er. Bei Playmobil, respektive Geobra Brandstätter, gibt es bislang nicht einmal einen Tarifvertrag.

2014 wurde in Dietenhofen ein Betriebsrat gewählt, dabei wurde aber eine IG-Metall-Liste ausgeschlossen und auch sonst lief die Wahl nicht korrekt ab. Das haben inzwischen Arbeitsgerichte durch alle Instanzen rechtskräftig festgestellt. Nun steht eine Neuwahl an, in deren Vorfeld ein polemisches Flugblatt gegen die IG Metall kursierte. Überhaupt werde der Prozess der Betriebsratswahl massiv gestört und die Firma tue nichts, um eine reibungslose und faire Wahl zu gewährleisten, kritisiert Bayerns IG-Metall-Chef Jürgen Wechsler. Störungen würden "stillschweigend geduldet, schlimmstenfalls sogar gebilligt".

Die Geschäftsleitung gibt sich arglos. Vor allem ehemalige Betriebsratsmitglieder hätten die Handzettel gefertigt. Im Übrigen sei die Aktion "Ausdruck freier Meinungsäußerung unserer Mitarbeiter", auf die man keinen Einfluss nehme. Umgekehrt werde ein Schuh draus, meint hingegen eine Playmobil-Mitarbeiterin: "Man traut sich bei uns seine Meinung nicht mehr frei äußern."

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Quelle:
SZ vom 01.03.2016/sry
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