Tipps:Spenden, aber richtig

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Ein Gabelstaplerfahrer fährt gespendete Waren ins Lager eines gemeinnützigen Unternehmens in Köln, das überschüssige Artikel an soziale Einrichtungen vermittelt. (Foto: epd picture/Joern Neumann)

Spenden tut gut und kann Gutes bewirken. Aber wie stellt man sicher, dass das Geld auch wirklich ankommt – als Privatperson oder Firma? Ein Überblick.

Von Michael Kläsgen

Wer etwas spendet, tut in der Regel nicht nur anderen etwas Gutes, sondern auch sich selbst. Helfen triggert Hormone, reduziert Stress und ist ein wahrer Stimmungsbooster, fand die Deutsche Gesellschaft für Positive Psychologie heraus. Beim Spenden schütten Menschen Endorphine und Dopamine aus, das Belohnungssystem im Gehirn ist aktiviert. Nur: Wie spendet man so, dass auch beim Empfänger ähnliche Glückshormonschübe ausgelöst werden? Die etwa fünf Milliarden Euro, die Privatpersonen laut dem Deutschen Spendenrat jährlich spenden, sollen ja etwas möglichst Positives bewirken.

Der Rat gibt dazu konkrete Tipps, die goldenen Regeln des Spendens, die natürlich nicht nur in der Weihnachtszeit gelten, der Zeit mit dem größten Spendenaufkommen. Explizit warnt er davor, Geld in die rasselnden Büchsen auffällig werbender Spendeneinsammler auf der Straße zu werfen. Denn da könnten auch Betrüger unterwegs sein. Dagegen lohne es sich, gemeinnützige Organisationen ausfindig zu machen, die über einen Freistellungsbescheid des Finanzamts verfügen. Ein zertifiziertes Spendensiegel sollten sie auch haben. Der Spendenrat hat wie das Deutsche Zentralinstitut für soziale Fragen eine Liste von jeweils gut 70 Organisationen veröffentlicht, die sie für empfehlenswert halten. Dabei gibt es einige Überschneidungen.

Sebastian Schwiecker hat selbst eine gemeinnützige Organisation gegründet. Am liebsten wäre ihm, wenn sie zu so etwas wie die Stiftung Warentest für Spenden werden würde. Sie heißt „Effektiv spenden“ und gibt ebenfalls Tipps. Einige davon wirken kontraintuitiv: etwa dass Verwaltungskosten gar nicht so ausschlaggebend sein sollten bei der Auswahl. Wenn man ein Smartphone kaufe, frage ja auch keiner, wie hoch die Verwaltungskosten von Unternehmen XY seien. Man wolle nur ein gutes Produkt.

Geld hilft oft mehr als Sachspenden

Außerdem solle man sich nicht nur auf die oben genannten Spendensiegel verlassen. Diese würden lediglich einen Mindeststandard zertifizieren. Schwiecker empfiehlt, genauer hinzuschauen und nach noch mehr Kriterien auszuwählen. Etwa eher international als lokal zu spenden. Die einzelne Spende in Euro bewirke in fernen Ländern oft mehr, weil die Helfer dank des Wechselkurses eine größere Kaufkraft hätten. Und es sei besser, Geld statt Sachen zu spenden, sagt Schwiecker. Oft werde unterschätzt, welchen Aufwand der Transport von Gegenständen bedeutet. Und dass sie oft nicht benötigt werden.

Gerade nach Haushaltsauflösungen glaubten viele, sie könnten ein gutes Werk tun, indem sie alte Computer oder Bekleidung an Organisationen verschenkten. Bei Organisationen, die sich um arme Menschen an Ort und Stelle kümmerten wie etwa Tafeln, seien die Spender möglicherweise willkommen. Aber ansonsten gehe das Angebot oft am Bedarf vorbei. Deswegen rät Schwiecker, die Sachen zu verkaufen, falls sie sich verkaufen lassen, und dann das Geld zu spenden – und nicht enttäuscht zu sein vom möglicherweise fehlenden Enthusiasmus der Organisationen.

Auch Unternehmen würden gern Sachen spenden, und zwar neue: etwa Überbestände, Restposten oder Rückläufer. Doch gespendet werden sie trotzdem meist nicht. Stattdessen in den Müll befördert und vernichtet. Oft widerwillig. Juliane Kronen sagt, in Deutschland würden jedes Jahr fabrikneue Konsumgüter im Wert von sieben Milliarden entsorgt. Ein Drittel davon wäre noch einwandfrei verwertbar gewesen.

Kronen ist die Chefin der gemeinnützigen Plattform Innatura. Diese vermittelt die Überflussware an wohltätige Organisationen, bedarfsgerecht und mit einer Obergrenze versehen. So kontrolliert Innatura, dass die Wertgegenstände nicht auf dem Schwarzmarkt landen. Und schaut, dass Angebot und Nachfrage passen. Dann muss etwa der Kindergarten nicht das Spielzeug selbst kaufen und die Pflegeeinrichtung nicht die Waschmittel. Öffentliche Einrichtungen könnten so Ausgaben und damit der Staat Steuern sparen, sagt Kronen. Die Ersparnis könnte enorm sein. Aber der Staat will nicht.

Auf Anfrage bestätigt das Finanzministerium, dass folgende Regelung weiterhin gilt: Unternehmen müssen für Sachspenden Umsatzsteuer zahlen. Oder im Amtsdeutsch: Sachspenden unterliegen als sogenannte unentgeltliche Wertabgabe nach § 3 Abs. 1b UStG der Umsatzsteuer, soweit der Gegenstand der Spende zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt hat. Die Folge: Vernichten statt spenden ist für Firmen die einfachste Lösung.

Der Staat erhebt eine Umsatzsteuer auf Sachspenden an gemeinnützige Organisationen

„Das ist wirklich absurd“, sagt selbst der Chef des Deutschen Spendenrats, der mit Unternehmensspenden sonst nicht viel zu tun hat. Für Innatura-Chefin Kronen ist besonders ärgerlich, dass im Koalitionsvertrag der Ampel stand, eine neue Regelung finden zu wollen. Mit dem Platzen der Ampel ist das nun hinfällig. Eine Reform sei vor den Neuwahlen nicht geplant, bestätigt ein Sprecher. Und Priorität wird sie wohl auch nicht in einer neuen Regierung haben, schätzt Kronen.

So hat Innatura in den vergangenen Jahren gerade mal Waren im Wert von 50 Millionen Euro verteilen können. 50 Millionen im Vergleich zu sieben Milliarden. „Wir kratzen nur an der obersten Flocke des Eisbergs“, sagt Kronen. Sie ist überzeugt, dass sie locker hochwertige Sachen im Wert von zwei Milliarden Euro in den sozialen Sektor umleiten könnte, gäbe es die Steuer nicht.

Doch es gibt auch Unternehmen wie Bosch Power Tools. Der Hersteller von Bohrmaschinen, Akkuschraubern und sonstigen Elektrowerkzeugen spendet seine unverkaufte Ware trotzdem. So wie etwa 250 weitere Unternehmen auch, etwa Amazon, Beiersdorf oder WMF. Sie zahlen also Umsatzsteuer, haben aber die Gewissheit, dass die Ware wohltätigen Zwecken zugutekommt und nicht entsorgt wird. Warum? Die zuständige Bereichsvorständin Katharina Hartl sagt, Bosch Power Tools mache das, weil das Spenden auch nach innen wirke: „Unsere Mitarbeiter finden das gut.“ Es komme gut an, wenn sich zeige, der eigene Arbeitgeber habe eine klare Haltung, bekenne sich zu seiner gesellschaftlichen Verantwortung und sei umweltpolitisch engagiert. Spenden mache das möglich. Es sei nachhaltig, stütze die Kreislaufwirtschaft und schone Ressourcen.

Kronen hält eine Art Kompromiss für die beste Lösung: Der Staat erhebt demnach eine Umsatzsteuer auf Sachspenden an gemeinnützige Organisationen, veranschlagt aber einen Steuersatz von null Prozent, also null Euro. Andere Länder in der EU würden das in etwa so praktizieren, etwa Österreich. Aus Sicht des Onlinehandelsverbands BEVH habe Deutschland hier einen Sonderweg eingeschlagen. Alien Mulyk, die Steuerrecht-Expertin des Verbands, sagt, die EU-Kommission erkenne sehr wohl an, dass die vorsätzliche Zerstörung gebrauchsfähiger Güter äußerst bedenklich sei. Dadurch entstünden für Gesellschaft und Umwelt hohe Kosten. Die EU lasse den Mitgliedstaaten jedoch einen gewissen Spielraum bei der Besteuerung von Sachspenden an gemeinnützige Organisationen. Und den nutzt Deutschland.

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