Spenden im US-Wahlkampf:Geist des Klassenkampfs

Es war eine Sechs-Milliarden-Dollar-Schlacht, nie zuvor haben Kandidaten und ihre Verbündeten in den USA so viel Geld verheizt wie in diesem Wahlkampf. Der Republikaner Romney war der Kandidat des Kapitals, doch Wahlsieger Obama hat der Spendenflut seiner Gegner erfolgreich getrotzt.

Moritz Koch, Boston

Der Großinvestor Leon Copperman hat die Worte nicht vergessen, die ihm klarmachten, was der Präsident im Schilde führt. Den Klassenkampf.

"Wenn du ein reicher Vorstandschef oder ein Hedgefonds-Manager bist, waren deine Steuern noch nie so niedrig wie heute", sagte Barack Obama, als er im Juni 2011 seinen Plan zur Sanierung der amerikanischen Staatsfinanzen erklärte. "Du kannst immer noch in deinem Firmenjet rumfliegen. Du musst einfach nur ein bisschen mehr zahlen."

Mehr noch als die Aufforderung, hohe Steuern zu akzeptieren, empörte Copperman der spöttische Ton des Präsidenten. Und so begann er seine Kampagne. Er schrieb einen offenen Brandbrief ans Weiße Haus, trommelte Verbündete zusammen und schwang sich zum Wortführer der Wall Street auf. Sein einziges Ziel: die Abwahl von Barack Obama.

Die Wall Street hat die Seiten gewechselt

Als sich 2008 der Triumph des ersten afroamerikanischen Präsidentschaftskandidaten abzeichnete, hatten die Demokraten davon geschwärmt, dass sie die Geschichte auf ihrer Seite hätten. Vor allem aber hatten sie das Geld auf ihrer Seite. Der Charismatiker Obama erwies sich als begnadeter Spendeneintreiber, sein Gegenspieler John McCain hatte praktisch keine Chance. Damals lagen auch die Banker und die Fondsmanager aus Manhattan Obama zu Füßen. Vier Jahre und eine epochale Finanzkrise später musste sich Obama nach neuen Geldgebern umsehen. Die Wall Street hat die Seiten gewechselt.

Eine halbe Milliarde Dollar hat die Finanzindustrie in den Wahlkampf gepumpt, nur 24 Prozent davon ging auf das Konto der Demokraten. Der Republikaner Mitt Romney, selbst ein früherer Fondsmanager, ist dieses Mal der Kandidat des Kapitals. Auch die Öl- und Gasindustrie hat sich hinter den Republikaner geschart. Aus gutem Grund. Romney verspricht, Abschnitte der Atlantikküste für die Ölförderung zu öffnen und eine riesige Pipeline zu bauen, die die Raffinerien im Süden der USA mit den kanadischen Ölsandgebieten verbinden soll. Ein Projekt, das Obama bisher verhindert hat.

Schmutzig, verletzend, teuer

Der Wahlkampf 2012 war für beide Seiten schmutzig, verletzend - und vor allem teuer. Nie zuvor haben Kandidaten und ihre Verbündeten in den USA so viel Geld verheizt. Eine Sechs-Milliarden-Dollar-Schlacht ist es geworden. Abermillionen flossen in aggressive Werbespots, die sogenannten Attack Ads, mit denen die Kandidaten übereinander herfallen. Abermillionen finanzierten den Einsatz der Bodentruppen, die seit Monaten von Haus zu Haus streifen, um Anhänger zu mobilisieren und Unentschiedene zu überzeugen. Der Kampf um das Weiße Haus und den Kongress hat fast so viel Geld gekostet, wie Deutschland pro Jahr für die Entwicklungshilfe ausgibt.

Dass der Wahlkampf im Zeichen der Spendenflut stehen würde, war lange klar. 2010 hatte der Supreme Court die bestehende Finanzordnung über den Haufen geworden. Seither dürfen Unternehmen Wahlkampfgruppen in unbegrenzter Höhe finanzieren. Wenn sie sich geschickt anstellen, müssen sie sich dabei nicht einmal zu erkennen geben. So hilft die US-Handelskammer den Republikanern mit mehr als 30 Millionen Dollar - und niemand weiß, woher das Geld kommt. Hinzu kommen die Ausgaben von Organisationen, die vorgeben, unabhängig zu sein, faktisch aber fest an der Seite der Kandidaten stehen. Diese sogenannten Super Pacs tragen Namen wie "Americans for Responsible Leadership" und "Crossroads GPS", und die meisten von ihnen haben sich darauf spezialisiert, Obama wahlweise als Versager oder Sozialisten zu brandmarken.

Auch Obama schwimmt im Geld

Dennoch haben sich die Befürchtungen der Demokraten, ihr Kandidat würde unter den Spendenlawinen der Konzerne, Hedgefonds und Banken verschüttet, nicht bestätigt. Zwar hat Obama den strategischen Finanzvorteil, den er 2008 genießen konnte, eingebüßt. Doch auch er schwimmt im Geld. Und nicht nur das tausendköpfige Kleinspenderheer, das sich hinter ihn geschart hat, füllt seine Wahlkampfkassen. Der vermeintliche Unternehmerschreck kann auf die Unterstützung von Kanzleien, Medienkonzernen und Internetfirmen zählen.

Obama mag Manhattan verloren haben, nicht aber Kalifornien. Hollywood und das Silicon Valley, die beiden großen amerikanischen Traumfabriken, stehen treu an seiner Seite. Selbst die Angestellten der News Corporation des konservativen Tycoons Rupert Murdoch, zu der der strammrechte Krawallkanal Fox News zählt, stimmten mit ihren Scheckbüchern für Obama. Immerhin: Montgomery Burns, der erzkapitalistische Comic-Fiesling aus der Fox-Serie "The Simpsons", hat in einem Satirefilmchen seine Unterstützung für Mitt Romney kundgetan.

Doch es hat nichts genützt, genau wie die Kampagne des Großinvestors Cooperman. Präsident Obama behauptet sich im Amt. Die Spendenflut seiner Gegner hat diesen Wahlkampf bestimmt, doch sie hat ihn nicht entschieden.

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