Spekulationen um Gesundheit von Hugo Chavez:Geheimdienst von Venezuela filzt Haus von Twitter-Nutzer

Der venezolanische Geheimdienst hat offenbar das Haus eines Mannes durchsucht, der via Twitter über den Gesundheitszustand des Präsidenten spekuliert haben soll. Vordergründig geht es um Hugo Chavez' Krankheit - doch die Aktion könnte auch Teil eines Medienkriegs sein, der das Land seit Jahren beschäftigt.

Von Tobias Dorfer und Sebastian Schoepp

Spekulationen um Gesundheit von Hugo Chavez, Venezuela

"Heilung" steht unter dem Graffiti, das Hugo Chavez zeigt. Der Gesundheitszustand des venezuelanischen Präsidenten ist kritisch.

(Foto: REUTERS)

Wie krank ist Hugo Chavez wirklich? Das fragen sich in diesen Tagen nicht nur die knapp 30 Millionen Venezolaner. In der gesamten Welt ist das Interesse am Gesundheitszustand des im vergangenen Oktober wiedergewählten Präsidenten groß. Auch im Internet wird über Chavez' Krebserkrankung diskutiert - und der Geheimdienst Servicio Bolivariano de Inteligencia Nacional (Sebin) schaut ganz genau hin.

Nun haben Sebin-Offiziere offenbar reagiert und das Haus eines Twitter-Users durchsucht. Wie der britische Guardian berichtet, wird dem Mikroblogger Federico Medina Ravell vorgeworfen, das Land destabilisierende Unwahrheiten über den Gesundheitszustand des Präsidenten verbreitet zu haben.

Die Geheimdienst-Leute sollen dem Bericht zufolge in Medinas Haus in Valencia mehrere Computer konfisziert haben. Besonders pikant: Ravell ist der Cousin des bekannten Oppositionellen Alberto Federico Ravell - ein Journalist und Mitgründer des chavezkritischen TV-Senders Globovision.

Der Twitter-Kanal @LucioQuincioC ist jedoch noch immer aktiv. Regelmäßig werden dort neue Tweets veröffentlicht - mehrere hundert alleine an diesem Dienstag. Dem Guardian zufolge versteckt sich hinter @LucioQuincioC ein Kollektiv von etwa 20 Bloggern aus acht Städten - größtenteils aus dem Ausland.

Erbitterter Medienkrieg spaltet Venezuela

Was genau die Sebin-Beamten zur Razzia bewogen hat, ist auf den ersten Blick nicht ersichtlich. Denn es gibt Twitter-Kanäle, bei denen die Verbindung zur Opposition deutlicher wird und die auch über den Gesundheitszustand von Chavez spekulieren. Die Kurznachrichten des Kanals @LucioQuincioC hingegen wirken nicht besonders radikal. Neben patriotischen und chavezkritischen Kommentaren findet sich auch Werbung für Investments in Panama, für Reisen ins Baltikum sowie ein Link zu einem Anbieter von Auto-Ersatztteilen.

Möglicherweise sind die Vorwürfe, die Aussagen im Twitter-Account @LucioQuincioC würden Terroristen aufhetzen, auch nur ein Teil der Wahrheit. Denn in Venezuela tobt ein erbitterter Medienkrieg. Auf der einen Seite sind da die staatlich kontrollierten Sender, die unter anderem auch Chavez eigene Sendung Aló Presidente ausstrahlen. Auf der anderen Seite machen die Kanäle der Opposition nicht minder schrill Stimmung gegen die sozialistische Regierung. Hinter ihnen stehen in der Regel schwerreiche Familiendynastien.

Immer wieder versucht die Regierung, gegen die ungeliebten Privatsender vorzugehen. Für Schlagzeilen sorgte Ende 2006 die Ankündigung des Commandante, die Lizenz des Senders RCTV nicht zu verlängern. Von "Zensur" sprach damals die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch. 2009 gab der Chef der nationalen Telekommunikationsbehörde die Schließung von mehr als 30 Sendern bekannt.

Aber nicht nur die Opposition, auch die Chavez-Anhänger sehen sich als Beteiligte in einem wahren "Informationskrieg". Dies sei schon während der bolivarischen Revolution, als Chavez in Venezuela die Macht ergatterte, auffällig gewesen. "Twitter und soziale Netzwerke sind nur Instrumente dieses Krieges", sagte Rosa Miriam Elizalde vom Magazin Cubadebate dem Guardian zufolge.

Es sind beide Seiten, Opposition wie Regierung, die sich medial bekriegen. Das Problem dabei: Der sonst so wortgewaltige Betroffene kann sich derzeit selbst nicht äußern. Hugo Chavez hat sich seit mehr als drei Wochen nicht mehr gezeigt. Derzeit liegt er in einem Krankenhaus in der kubanischen Hauptstadt Havanna. Nach seiner vierten Krebsoperation leidet der 58-Jährige an einer schweren Lungenentzündung. Gerüchten zufolge ist sein Zustand kritisch.

Wegen der Krankheit hat die Regierung auch die für kommenden Donnerstag geplante Vereidigung des Präsidenten für seine dritte Amtszeit abgesagt. Die Amtsgeschäfte führt derzeit Vizepräsident Nicolas Maduro.

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