Spekulation mit Agrarrohstoffen:Banker machen sich vom Acker

Sie wollen nicht für den Welthunger verantwortlich sein: Immer mehr Geldhäuser beenden deshalb ihre Spekulationen mit Nahrungsmitteln. Neuester Aussteiger ist die Landesbank Berlin. Nun wächst der Druck auf die Deutsche Bank - doch die ziert sich nach wie vor.

Andrea Rexer, Frankfurt

Auf der Skala der Reaktionen eines Unternehmens auf heikle Themen rangieren die beiden Wörter "Kein Kommentar" ganz oben. Dass aber eine Bank mit diesen Worten auf eine vermeintlich positive Nachricht reagiert, lässt aufhorchen. Man sollte meinen, dass sich die Commerzbank nicht verstecken muss, wenn die Organisation Foodwatch bekannt gibt, dass das Geldhaus soeben den Rückzug aus der Spekulation mit Nahrungsmitteln vollzogen hat.

Doch es dürfte genau dieses Wort "Spekulation" sein, das die Commerzbank zurückschrecken lässt. Würde sie sagen, dass sie das Produkt aus ihrem Portfolio genommen hat, weil sie die Spekulation stoppen will, so würde sie damit indirekt zu Protokoll geben, dass sie auch auf andere Rohstoffe - zum Beispiel Öl - weiterhin spekuliert. Doch in den Augen der Banker ist das, was sie tun, keine Spekulation, sondern eine Investition.

Indem die Commerzbank schweigend Fakten schafft, gibt sie dem Druck der Organisationen Foodwatch und Oxfam nach, die Banken und Versicherungen angeprangert haben, durch Spekulation mit Agrarrohstoffen den Hunger in der Welt zu vergrößern. Kein Wunder, dass die Banker diesen miesen Ruf nicht gerne auf sich sitzen lassen.

Jetzt können die Organisationen wieder einen Erfolg verzeichnen: Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung zieht sich die Landesbank Berlin (LBB) aus Papieren mit Agrarrohstoffen zurück. Deren Tochterinstitut LBB Invest ist derzeit mit einem einstelligen Millionenbetrag in Agrarrohstoff-Vehikeln investiert. "Nach einem Beschluss der Geschäftsführung werden diese Papiere bis Ende September sukzessive reduziert", bestätigt ein Sprecher. Betroffen sind vier verschiedene Fonds der LBB Invest.

Druck auf Deutsche Bank wächst

Je mehr Banken sich aus Reputationsgründen dazu bekennen, aus den entsprechenden Anlageprodukten auszusteigen, umso größer wird der Druck auf die Deutsche Bank. Foodwatch hat ihre gesamte Kampagne auf das größte deutsche Geldhaus abgezielt. Der Kampagnen-Slogan "Hände weg vom Acker, Mann" hatte im Vorfeld der Hauptversammlung im Mai dieses Jahres für Aufsehen gesorgt. Die Deutsche Bank versprach, die eigenen Geschäfte unter die Lupe zu nehmen. Derzeit ist eine Studie in Arbeit, die untersuchen soll, ob die Produkte die Preise beeinflussen - oder nicht.

Tatsächlich lässt sich trefflich darüber streiten, welchen Einfluss die Anlageprodukte auf die Preisbildung an den Rohstoffmärkten haben. "Der Handel mit Rohstoff-Derivaten ist nur ein Einflussfaktor von vielen", sagt Manfred Schöpe, AgrarrohstoffExperte des Münchner Ifo-Instituts. "Es kann vorkommen, dass die Anleger einen Preistrend verstärken, sie lösen ihn aber nicht aus." Durch den Handel entstehe zwar zusätzliche Nachfrage, viel entscheidender seien aber andere Faktoren - etwa wie die Ernte ausfiel. Noch unklarer ist, ob ein Indexfonds, der gar nicht erst an den Warenterminbörsen Kontrakte eingeht, sondern lediglich Preisbewegungen abbildet, Einfluss auf das reale Marktgeschehen hat.

Selbst bei Foodwatch ist man sich nicht so ganz sicher, ob oder wie diese Finanzprodukte die Lebensmittelpreise beeinflussen. Für Foodwatch-Kampagnenführer Thilo Bode ist ein solcher Beweis auch gar nicht notwendig. "Nicht wir müssen die Schädlichkeit beweisen, sondern die Banken müssen deren Unschädlichkeit beweisen", fordert er. Das sei bei Giftmitteln schließlich auch so. Bis es Klarheit gibt, müssten die Banken rein als Vorsichtsmaßnahme auf derartige Produkte verzichten.

Andere Banken folgen

Zwei Banken sind ihm in dieser Argumentation bereits vor einigen Monaten gefolgt. Die Deka, der Fondsdienstleister der Sparkassen, und die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) haben sich aus entsprechenden Produkten zurückgezogen. Ein Sprecher der Deka sagt, dass sein Haus zwar "keine Erkenntnisse darüber habe, ob die fraglichen Indexfonds überhaupt einen Einfluss auf die realen Preise hätten. "Wir können einen solchen Zusammenhang aber auch nicht ausschließen", so der Sprecher. Deshalb setze man gerade die entsprechenden Maßnahmen zur Veränderung der Fonds um. Noch müssen allerdings die Luxemburger Behörden zustimmen, da der Fonds dort aufgelegt ist.

Auch die LBBW weist darauf hin, dass es keinen beweisbaren Zusammenhang zwischen Fonds und Rohstoffpreis gebe. Dennoch hat sie sich entschieden auszusteigen: "Es geht der Bank darum, schon den Eindruck zu vermeiden, als würde der Hunger in der Welt durch Produkte der Bank verschärft", sagt ein LBBW-Sprecher.

Die Landesbank Helaba in Frankfurt gibt an, keine Produkte im Bestand zu haben oder zu vertreiben, die mit Agrarrohstoffen zu tun haben - einzige Ausnahme: zwei Zertifikate, die sie von der WestLB übernommen hat. Diese würden auslaufen, neue Produkte werden nicht aufgelegt. Auch die BayernLB und die NordLB geben an, keine Agrarrohstoff-Produkte zu vertreiben.

Zieht die Deutsche Bank nach?

Ob sich die Deutsche Bank den Landesbanken und der Commerzbank anschließt, ist offen. Letztlich könnte es auch sein, dass sich die Bank unter der neuen Führung von Jürgen Fitschen und Anshu Jain zu einem anderen Weg entschließt. Einen, den bisher nur die Allianz zu gehen gewagt hat. Der Versicherungskonzern ließ die Organisation Oxfam abblitzen, die die Rolle der Allianz am Rohstoffmarkt angeprangert hatte. Die Anlagetochter Pimco investiert sechs Milliarden Euro in Fonds, die Agrarrohstoffe enthalten. "Wir fühlen uns zu Unrecht kritisiert", sagt ein Allianz-Sprecher. Es seien nicht Gelder der Versicherten, die dort angelegt sind, sondern von Pimco-Kunden, die bewusst diese Entscheidung getroffen hätten. Die Allianz habe kritisch hinterfragt, welche Rolle sie auf dem Markt spiele, und sei zum Ergebnis gekommen, dass ihr Verhalten nicht schädlich sei. Im Gegenteil sorge man für liquide Märkte und nehme den Landwirten das Preisrisiko für eine bestimmte Zeit ab. Denn über die Derivate, die von der Allianz gekauft werden, können sich die Landwirte gegen schwankende Preise absichern.

Union Investment, die Fondstochter der Genossenschaftsbanken, hat einen Mittelweg eingeschlagen. Wie auch die Allianz ist sie der Meinung, dass ihre Geschäfte in normalen Marktphasen keine schädliche Wirkung haben. Wenn aber die Gefahr von Preisspitzen bestehe, könnten Finanzinvestoren die Preise verzerren, heißt es aus dem Institut. Deshalb setzt Union Investment auf die Entwicklung eines Frühwarnsystems für Preisspitzen. Bis auf Weiteres jedoch will man nichts daran ändern, dass ein Fonds im Volumen von über 300 Millionen Euro zu einem Drittel in Agrarrohstoffe investiert.

Die Deutsche Bank lässt sich Zeit. "Ein Erscheinungsdatum für die Studie gibt es noch nicht, das Thema ist komplex", sagt ein Sprecher. Es geht um viel Geld: Laut einer Studie von Oxfam umfassen die betroffenen Fonds der Deutschen Bank mehr als vier Milliarden Euro.

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