Speicher für Treibhausgase:"Saubere" Kohlekraftwerke

The Joban Joint Power Co. Nakoso

Ein japanisches Kohlekraftwerk: In dem Land läuft eine Versuchsanlage, die CO₂ aus solchen Stätten in der Erde speichert, statt es in die Umwelt zu blasen. Das Verfahren ist aber teuer.

(Foto: Bloomberg)

Japan testet im Meer, wie sich beim Verbrennen frei werdende Treibhausgase speichern lassen. Das funktioniert, ist aber nicht wirtschaftlich.

Von Christoph Neidhart, Tomakomai

Trotz Klimaprotokoll will Japan 49 neue Kohlekraftwerke bauen. Die Regierung rechtfertigt das mit dem Schlagwort der "sauberen Kohle". Damit meint sie einerseits Verbesserungen der Effizienz solcher Kraftwerke. Vor allem aber gemeint ist das Auffangen und Speichern der Treibhausgase, die beim Verbrennen von Kohle, Öl oder Gas frei werden. Es geht also um die sogenannte CO₂-Sequestrierung, abgekürzt CCS. In der Welt der politischen Propaganda wird der Strom aus fossilen Brennstoffen damit CO₂-neutral. Vor einigen Monaten jubelte Tokio, Japans erste CCS-Anlage in Hokkaido habe gezeigt, die Methode funktioniere. Demnach könnte die Welt getrost für die Stromproduktion weiter Kohle und Öl verbrennen, statt sich um alternative Energien zu bemühen.

CCS-Tomakomai, die Anlage, die beweisen soll, dass die CO₂-Sequestrierung funktioniert, liegt an der Südküste von Hokkaido, eine Autostunde von Sapporo. Mit ihrer Nordinsel Hokkaido bringen die Japaner Wintersport, Bären und Lachs, Kartoffeln, Milch und Schokolade in Verbindung, nicht aber Industrie. Tomakomai jedoch ist eine Stadt der Schwerindustrie, dazu gehört eine Öl-Raffinerie des Energiekonzerns Idemitsu, die auch Wasserstoff produziert. Neben der Raffinerie am Ufer des Pazifiks wurde im Frühjahr die CCS-Tomakomai eröffnet. Seither pumpt die Anlage unter hohem Druck CO₂ vor der Küste in zwei poröse geologische Schichten in tausend Meter und 3000 Meter Tiefe.

Die Versuchsanlage funktioniert, zeigt aber auch, dass die Methode unwirtschaftlich ist

Die Technik wurde von der Erdgas-Schürfung abgeleitet. Vor allem auch die Sicherheitsventile, sie haben sich dort bewährt. Mit dem Unterschied, dass dort Methan aus dem Boden gefördert wird, hier aber Gas im Fels abgelagert wird. Für CO₂-Depots eignen sich poröse Sedimentschichten wie Sandstein, die von benachbarten dichten Gesteinsformationen versiegelt werden, damit das CO₂ nicht entweicht. Die Kapazität der beiden porösen Kammern von Tomakomai wird auf 20 Millionen Tonnen CO₂ geschätzt. Die Anlage kann jährlich eine Million Tonnen CO₂ in den Boden pumpen - das ist etwas weniger als ein Prozent der 1,4 Milliarden Tonnen, die Japans Verkehr, Industrie, Energieproduktion und Heizungen jährlich in die Atmosphäre ausstoßen (die ganze Welt emittiert 40 Milliarden Tonnen pro Jahr).

Eine Tonne CO₂ abzuspeichern, kostet in Tomakomai etwa 85 Euro. Eine Studie des MIT (Massachusetts Institute of Technology) nennt Beispiele, wie die Kosten auf 22 Euro reduzieret werden könnten. Doch selbst dies würde den Preis einer Kilowattstunde Strom mit 1,5 bis zwei Cent belasten.

Angesichts der stets kostengünstiger werdenden Elektrizität aus Sonne und Wind sind fossile Brennstoffe mit CO₂-Sequestrierung damit schon heute kaum konkurrenzfähig.

CCS-Tomakomai wurde als Test- und Demonstrationsanlage gebaut. Das CO₂, das sie auffängt und in den Boden pumpt, stammt aus der Herstellung von Wasserstoff nebenan. Mit 50 Prozent ist der CO₂-Anteil an den Abgasen bei der Produktion von Wasserstoff besonders hoch, höher als bei Kohle-, Öl- oder Gaskraftwerken. Das vereinfacht die Abscheidung des CO₂. Die CCS-Anlage arbeitet demnach unter Idealbedingungen, die nicht verallgemeinert werden können.

Doch die Pionieranlage soll die Technik vier Jahre lang testen und untersuchen, wie erdbebensicher die CO₂-Lager im Boden sind. Außerdem dient sie der Propaganda: Früher stand in der Nähe jedes Kernkraftwerks in Japan ein Besucher-Pavillon, der die Kernenergie als die glückliche Zukunft des Landes feierte, die Ausstellungen richteten sich explizit an Kinder. Ganz ähnlich zeigt CSS-Tomakomai spielerisch und mit Manga, wie die CO₂-Sequestrierung funktioniert. Und dass dies die Zukunft sei. Für den CO₂-Ausstoß von Autos, Schiffen, Flugzeugen, kleine Industriebetrieben, Heizungen und Haushalten ist das keine Lösung, ihre Treibhausgase können mit dieser Methode nicht aufgefangen werden.

CCS-Tomakomai wurde "als Privatfirma von der japanischen Regierung gegründet", so CCS-Präsident Shoichi Ishii. Ihre Aktionäre sind japanische Erdöl-und Kohlefirmen. Die 300 Millionen Euro teure Anlage haben Industrie- und Umweltministerium zu hundert Prozent bezahlt. Die technische Machbarkeit ist bereits bewiesen, die Anlage demonstriert aber auch, dass die Methode nicht wirtschaftlich ist.

Macht die Erdölindustrie, sein früherer Arbeitgeber, beim Projekt mit, um sich eine Zukunft zu sichern? "Sie übernimmt ihre soziale Verantwortung", meint Ishii. Den Einwand, mehr als eine Übergangslösung, also ein Heftpflaster für das Problem des Klimawandels, sei die CO₂-Sequestrierung nicht, kommentiert er: "Ja, als Heftpflaster kann man das auch sehen."

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