SPD:Der rote Kanal

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Die Panzerhaubitze PzH 2000 von Krauss Maffei Wegmann - hier bei einer Parade in Kroatien. (Foto: imago/Pixsell)

Zwei ehemalige Bundestagsabgeordnete sollen bei einem Panzergeschäft mit Griechenland mehr als fünf Millionen Euro erhalten haben. Nun sollen sie vor Gericht.

Von Hans Leyendecker und Klaus Ott, München

Wenn Altlinke über Waffenhandel reden, sagen sie gern, dass dieses Geschäft "systemimmanent korrupt" sei. Auch - oder gerade - wenn es um Lieferungen nach Griechenland geht.

In den vergangenen Jahren hat es in der Tat bei deutschen Staatsanwaltschaften eine Reihe von Verfahren gegeben, bei denen am Ende herauskam, dass griechische Militärangehörige oder Politiker bei Waffengeschäften mit deutschen Firmen die Hand aufgehalten haben. Da ging es um U-Boote, Panzer oder Luftabwehrsysteme. Kein anderes Land in der Europäischen Union hat, gemessen an seiner eigenen Wirtschaftsleistung, zeitweise so viel Geld für Waffen ausgegeben wie das arme Griechenland.

Jetzt gibt es einen neuen Fall, der in eine 183 Seiten starken Anklage mündete. Es ist ein sonderbarer Fall, ein ungewöhnlicher Fall, auch in den Details dieser Anklage. Selbst für Altlinke hat dieser Fall einen besonderen Geruch.

Die Staatsanwaltschaft München I hat nach Informationen von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR den Aufsichtsratschef und Miteigentümer des Panzer-Herstellers von Krauss-Maffei Wegmann (KMW), Manfred Bode, wegen Verdachts der Steuerhinterziehung in Höhe von rund fünf Millionen Euro angeklagt. Die früheren SPD-Bundestagsabgeordneten Heinz-Alfred Steiner und Dagmar Luuk sollen Beihilfe dazu geleistet haben. Ihnen wird außerdem in der Anklage Geldwäsche vorgeworfen. Angeklagt sind auch zwei frühere Manager von Krauss-Maffei Wegmann sowie ein Geschäftspartner der beiden Sozialdemokraten.

Es geht um Geschäfte im Zusammenhang mit dem Verkauf von 24 Panzerhaubitzen des Typs PzH 2000 für 188 Millionen Euro an Griechenland.

Die Angeschuldigten bestreiten die Vorwürfe. Bernd Müssig, der Anwalt von KMW-Aufsichtsratschef Bode, erklärte auf Anfrage, die gegen seinen Mandanten erhobenen Vorwürfe beruhten "nach einer ersten groben Durchsicht" der ihm am Dienstag zugestellten Anklage "auf den offensichtlich interessengeleiteten und deshalb fragwürdigen Anschuldigungen" eines früheren KMW-Mitarbeiters, der in einem anderen Verfahren zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von elf Monaten verurteilt worden war. Das schriftliche Urteil ist 294 Seiten stark. Verdammt viele Seiten für elf Monate auf Bewährung. Das Urteil des Landgerichts München I wird in diesen Tagen vom Bundesgerichtshof noch mal geprüft.

Angesichts der vielen Charaktermasken, die in den üblichen Strafverfahren im Zusammenhang mit Waffengeschäften eine Rolle spielen, fallen die Sozialdemokraten Luuk und Steiner schon auf. Klar: Beide sind nur Angeschuldigte, nichts ist bewiesen. Man wird sehen, ob die Anklage überhaupt vom Landgericht zugelassen werden wird. Aber komisch ist es schon, dass in einem solchen Zusammenhang Sozialdemokraten eine Rolle spielen.

Luuk und Steiner kamen beide 1980 erstmals in den Bundestag. Damals herrschte in der Fraktion noch der Zuchtmeister Herbert Wehner als Fraktionsvorsitzender.

Dagmar Luuk war Aufsteigerkind, klassische SPD-Karriere. Als Primanerin trat sie schon der IG-Metall bei. Am Otto-Suhr-Institut in Berlin hat sie studiert: "Stipendium Mitbestimmung". Nach Eintritt in die SPD war die Diplom-Politologin in der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen aktiv. Ausländerfragen, Asylprobleme, bedrohte Völker - das waren die Themen und besonders kümmerte sie sich um griechische Emigranten, als in Griechenland eine Militärdiktatur herrschte. Im Bundestag wurde sie rasch Vorsitzende einer Parlamentariergruppe von deutschen und griechischen Sozialisten. Die frühere Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit, Marie Schlei, hat sie gefördert.

Der Sozialdemokrat Steiner war zwar gelernter Dreher, aber ein alter Soldat. 1959 war er Berufssoldat geworden. Als Hauptmann schied er 21 Jahre später nach dem Einzug in den Bundestag aus dem Militärdienst aus. Er wurde Stellvertretender Vorsitzender des Verteidigungsausschusses, Mitglied der Versammlung der Westeuropäischen Union und war auch Präsident des Verbandes der Reservisten.

Luuk schied 1990 aus dem Parlament aus, Steiner war bis 1994 Mitglied des Bundestages. Karrieren, an denen Wehner nichts auszusetzen gehabt hätte. Dann aber geschah das, was jetzt zu der Anklage führte - und was der alte Wehner vermutlich nie verstanden hätte.

Ende 1997 gründeten die Sozialdemokratin Luuk und der Sozialdemokrat Steiner gemeinsam mit einem Bekannten ein "Büro für Südeuropaberatung", Kürzel BfS. Wenn man der Anklage trauen darf, war der alleinige Zweck dieses Büros der Verkauf von Panzerhaubitzen nach Griechenland. Nach dem Verkauf der Haubitzen wurde das Büro im Jahr 2006 wieder aufgelöst. Es sollen in der Zeit Provisionen in Höhe von 5 620 327,49 Euro geflossen sein, für die - wie es sich gehört - Einkommensteuer, Gewerbesteuer gezahlt wurden.

Die Angeklagten bestreiten die Vorwürfe, die von den Staatsanwälten erhoben werden

Aber warum gab es die BfS überhaupt? Weder der ehemalige Berufssoldat Steiner noch gar die Diplom-Politologin Luuk sollen irgend etwas vom Geschäft mit Panzerhaubitzen verstanden haben. Sie sollen die Millionen bekommen haben, weil sich der damalige griechische Verteidigungsminister Akis Tsochatzopoulos für sie eingesetzt hatte. Kein Kauf ohne BfS. Das soll die Parole gewesen sein. Tsochatzopoulos, der wegen anderer Rüstungsgeschäfte in Griechenland im Gefängnis sitzt, und dessen frühere Frau waren gut mit Luuk bekannt. Reicht so etwas als Grundlage für Millionengeschäfte?

Die Ankläger argumentieren, die Millionen für die BfS, die beim Finanzamt München III von KMW als Betriebsausgaben abgesetzt wurden, hätten keine Grundlage. Die BfS habe nichts gemacht, keiner verstand was vom Geschäft - eine steuerliche Luftnummer.

Es ist ein seltsamer Fall. Offenbar haben hier Lobbyisten Millionen Euro kassiert, die in Wirklichkeit nichts oder nur wenig zum Geschäft beigetragen haben. Zumindest kannte die Griechenlandtreue Dame Luuk den zuständigen Minister und dessen frühere Ehefrau. Das geht aus der Anklage hervor.

Erklärt das was?

Ob sich die üppigen Beraterprovisionen der BfS in Griechenland, wie üblich, in Schmiergeld verwandelt haben oder nicht, ist unklar. Sicherlich wollten die Griechen deutsche Spitzentechnologie, aber vielleicht wollten sie diesmal dabei nur Freunden in Deutschland was abgeben.

© SZ vom 22.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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