DSGV:Sparkassen wählen neuen Präsidenten im Hauruck-Verfahren

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Er wird 2024 den Lobby-Posten übernehmen: Ulrich Reuter, zurzeit der bayerische Sparkassenpräsident. (Foto: Stephan Goerlich/Imago)

Nach langem Hin und Her küren die Sparkassen ihren neuen Chef: Ulrich Reuter. Zuvor hatte es einen Machtkampf gegeben - auch um die Frage, ob nicht eine Frau den einflussreichen Posten übernehmen könnte.

Von Meike Schreiber, Frankfurt

So flexibel kennt man die Sparkassen gar nicht: Noch vor wenigen Tagen bekräftigte der bayerische Sparkassenpräsident Ulrich Reuter die Treue zur Heimat. Seine Konzentration gelte Bayern, sein Vertrag laufe noch lang, sagte er auf der Pressekonferenz seines Verbandes - ganz so, als sei noch völlig offen, ob er diesen Montag in Berlin zum nächsten Präsidenten des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV) gewählt werden soll.

Dabei war die Sache eigentlich klar: Wichtige Sparkassenfunktionäre hatten sich zuvor auf den CSU-Mann festgelegt und sich gegen eine Konkurrentin aus Westfalen entschieden. Und tatsächlich wählte die DSGV-Mitgliederversammlung Reuter am Montag einstimmig, wie der Verband mitteilte. In offener Abstimmung wurde gefragt, ob jemand dagegen sei. Das war nicht der Fall. 2024 werde deswegen der "ausgewiesene Fachmann", wie es in der Mitteilung heißt, den einflussreichen Lobby-Posten übernehmen - mit Zugang zum Finanzminister, Millionengehalt und Richtlinienkompetenz für rund 360 Sparkassen, sechs Landesbanken, Versicherer, Bausparkassen und zahlreiche Regionalverbände.

Vielleicht lässt sich Reuters Zurückhaltung aber auch durch den Machtkampf erklären, welcher der Wahl vorausgegangen war. Einige Sparkassenvertreter wollten nämlich den Vertrag von Amtsinhaber Helmut Schleweis, 69, verlängern. Grund dafür: Sie hielten beide Kandidaten für unzureichend. Dafür fand sich allerdings keine Mehrheit. Andere hatten sich für Liane Buchholz, Sparkassenpräsidentin aus Westfalen, ausgesprochen - was eine Chance gewesen wäre, erstmals eine Frau an die Spitze zu wählen. Allerdings war Buchholz einigen offenbar zu unbequem, weswegen zeitweise der Eindruck entstand, es gehe in erster Linie darum, die Kandidatin zu verhindern. Wer stattdessen DSGV-Chef werde, sei erst einmal zweitrangig.

Kommunen fordern "ein geordnetes und professionelles Verfahren"

Der ganze Wahlprozess aber ärgert nun auch die Vertreter von Kommunen und Landkreisen, also die Eigentümer der Sparkassen. Denn die fühlen sich übergangen, wenngleich sie am Montag mitgewählt haben. Markus Lewe, CDU, Städtetagpräsident und Oberbürgermeister von Münster, sagt der SZ, er gratuliere dem neuen Präsidenten. Er bedaure aber, dass die drei kommunalen Spitzenverbände keinerlei Gelegenheit gehabt hätten, den Kandidaten ausreichend kennenzulernen. "Die kommunalen Spitzenverbände fordern daher künftig ein geordnetes und professionelles Verfahren, das der Rolle der Städte und Landkreise als Träger der Sparkassen auch gerecht werde", sagt Lewe.

Die Wahl im stillen Kämmerlein habe viel Vertrauen zerstört, so könnten Transformationsprozesse in Sachen Digitalisierung und Nachhaltigkeit kaum gelingen. "Ich wünsche den Verantwortlichen in den Sparkassenverbänden da eindeutig mehr Gespür für ihren öffentlichen Auftrag", sagte Lewe, der sich dem Vernehmen nach für Buchholz eingesetzt hatte. Ähnlich hatte sich Hans-Günter Henneke vom Landkreistag geäußert.

Welche Pläne aber hat Reuter für sein Amt? Das bleibt derweil unklar. Dabei sind die Herausforderungen groß: Die Sparkassen müssen sich nicht nur gegen Direktbanken behaupten. Ihre Verbandsstrukturen sind verkrustet, die Gehälter der Vorstände hoch. Noch dazu wollen viele Sparkassen ihre Haftungsrisiken zu Landesbanken begrenzen. Zu all dem gab es am Montag keine öffentliche Positionierung von Reuter, sagten Teilnehmer der Sitzung. Er habe eher allgemein geworben. Er wolle, so ließ er sich zitieren, dazu beitragen, die Gruppe "weiter nachhaltig, zukunftsfähig und schlagkräftig zu positionieren". Ist Reuter am Ende jemand, der "niemandem wehtun soll?" Das vermutet ein Kritiker aus dem Sparkassenverband hinter vorgehaltener Hand und gab zu bedenken: "Für die Gruppe wäre es tödlich, wenn da nichts weiter kommt."

Auf seiner Pressekonferenz vor einigen Tagen in München gab sich Reuter jedenfalls überaus konsensorientiert. Er störe sich weder an den Vorstandsvergütungen, die zunehmend für Unmut in der Politik sorgen, noch scheint er sich für Landesbanken-Fusionen einsetzen zu wollen. Peter Schneider, Sparkassenpräsident aus Baden-Württemberg, lobt Reuter als "sehr sachlich, sehr ergebnisorientiert und kollegial". Er werde die Gruppe zusammenhalten.

Reuter ist promovierter Jurist, seine Karriere begann er bei der Deutschen Bank. Es folgte eine Berufung zum Professor an der Fachhochschule Aschaffenburg, bevor er 2002 bis 2020 Landrat im Kreis Aschaffenburg wurde und anschließend Sparkassenpräsident von Bayern. Nach SZ-Recherchen hatte der 60-Jährige unlängst seinen Lebenslauf korrigiert, weil er seinen Professoren-Titel in einem Fall zu großzügig verwendet hatte - nur ein Lapsus, wie nun aus dem DSGV zu hören war. Fragen dazu blieben Reuter am Montag erspart. Auch zur Sparkassenpolitik fragte ihn niemand.

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