Einlagensicherung:Kommt nun doch die Bankenunion?

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Während der Finanz- und Schuldenkrise bildeten sich in manchen Ländern lange Schlangen vor Geldautomaten wie hier in Athen im Sommer 2015. Das soll nicht noch mal vorkommen. (Foto: ANGELOS TZORTZINIS/AFP)

Lange leisteten Sparkassen und Volksbanken erfolgreich Widerstand gegen eine europäische Einlagensicherung. Nun nimmt die Debatte Fahrt auf, prominente Vertreter der Gruppe sind auf einmal offen für eine europäische Lösung.

Von Meike Schreiber, Frankfurt

Kaum ein Argument war den Sparkassen und Volksbanken in den vergangenen Jahren zu abwegig, um es nicht gegen die von ihnen gefürchtete europäische Einlagensicherung (Edis) ins Feld zu führen. Zeitweise behaupteten sie sogar, deutsche Sparer müssten direkt für die Fehler ausländischer Banken haften, sollten die Pläne der EU-Kommission umgesetzt werden. Das war Unsinn. Nach den Erfahrungen der Finanzkrise zielen die Pläne vielmehr auf eine Versicherungslösung ab, finanziert aus den Erträgen der Banken. Die gemeinsame Einlagensicherung soll Bank-Runs verhindern, also wenn viele Kunden gleichzeitig ihr Geld von einer Bank abheben, weil sie befürchten, dass das Institut pleitegeht. Das gilt vor allem in Staaten mit schwacher Finanzkraft. Die seit 2015 gesetzlich vorgeschriebenen nationalen Töpfe zur Einlagensicherung reichen nach Meinung der Edis-Befürworter nicht aus.

Die Sparkassen und Volksbanken spielten jedoch erfolgreich mit den Ängsten der Bürger, weswegen Deutschland die Pläne seit vielen Jahren blockiert. Das wiederum führte dazu, dass der europäische Bankenmarkt weiterhin zersplittert war. Große Fusionen und Übernahmen blieben aus, der Binnenmarkt für Finanzdienstleistungen – die sogenannte Bankenunion – wurde bislang nicht vollständig umgesetzt.

Nun kommt jedoch überraschend Bewegung in das Thema. Liegt es an der Bedrohung durch die neue US-Regierung? Oder steckt die Sorge vor einer neuen Finanzkrise dahinter? Fakt ist: Thomas Groß, Vorstandschef der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba), sprach sich gerade ungewöhnlich deutlich für eine europäische Einlagensicherung aus. Am Dienstagabend erklärte Groß im Internationalen Club Frankfurter Wirtschaftsjournalisten: „Es lohnt sich, das Thema zu diskutieren. Wir signalisieren Offenheit und wollen den Ball ins Rollen bringen.“ Weiter sagte er: „Wir werden in Summe als Banken mehr Vorteile haben, auch als Sparkassen-Finanzgruppe, wenn wir uns stärker in Europa einbringen und als Europa agieren.“

Zahlreiche deutsche Banken mussten in der Finanzkrise staatlich gerettet werden

Groß räumte ein, das Thema sei in der Vergangenheit häufig „holzschnittartig“ politisch diskutiert worden. Und plädierte für einen „weniger emotionalisierten“ Neustart in der Diskussion. Heute müsse man anerkennen, dass Banken in anderen europäischen Ländern seit der Finanzkrise enorme Fortschritte gemacht hätten. Tatsächlich hatten deutsche Banken lange auf den italienischen Bankensektor gezeigt, der nach der Krise unter einer hohen Last fauler Kredite litt. Doch inzwischen haben italienische Banken ihre Bilanzen deutlich bereinigt, während in Deutschland die Bestände ausgefallener Kredite sogar leicht zugenommen haben.

Zur Wahrheit gehört auch, dass zahlreiche deutsche Banken in der Finanzkrise staatlich gerettet werden mussten. Dass deutsche Banken besonders sicher sind, war daher schon immer ein Mythos.  Vielmehr profitierten deutsche Sparer davon, dass der Staat im Krisenfall einspringen konnte. „Wir haben heute keinen Anlass mehr zu sagen, dass es in manchen Ländern so viel schlechter ist als bei uns. Die Sachlage hat sich verändert, jetzt können wir das neu diskutieren“, sagte Groß.

Ähnlich äußerte sich Anfang Januar Liane Buchholz, Präsidentin des Sparkassenverbandes Westfalen-Lippe: Die Banken- und Kapitalmarktunion sei dringend überfällig. Es sei nicht konsequent, einerseits europäische Stärke zu fordern und sich andererseits abzuwenden, wenn es unbequem werde, sagte sie der FAZ.

Bundesbank-Präsident Joachim Nagel plädierte ebenfalls für eine zügige Umsetzung von Edis. „Ich habe die starke Hoffnung, dass es gelingen wird, das Thema in dieser Legislaturperiode in Europa umzusetzen – möglichst in der ersten Hälfte“, sagte er dem Fachdienst Platow. Dies würde bedeuten, dass Edis bis Ende 2026 Realität werden könnte.

Die geplante Übernahme der Commerzbank durch die Unicredit könnte die Pläne beschleunigen

Alle Beteiligten betonen jedoch, dass die deutsche Institutssicherung erhalten bleiben soll – eine Sonderregelung, wonach Sparkassen und Volksbanken sich gegenseitig stützen dürfen, bevor es zu einer Pleite kommt. Wer sein Geld zur Sparkasse oder Volksbank bringt, dessen Erspartes ist daher auch jenseits von 100 000 Euro sicher, der Obergrenze der gesetzlich vorgeschriebenen Einlagensicherung. Brüssel hatte zuletzt versprochen, dass nationale Sicherungssysteme weiter bestehen bleiben können. Dennoch befürchten deutsche Bankenverbände nun, dass ihre Institutssicherung in einem europäischen Modell ausgehöhlt werden könnte.

In den Verbänden sorgte der Vorstoß entsprechend für Unmut. „Die Diskussion um Edis ist verfrüht“, sagte Daniel Quinten, Vorstandsmitglied des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR). Er verwies auf das umfassende Gesetzesvorhaben der EU-Kommission aus 2023 zur Bankenabwicklung und Einlagensicherung, das zunächst finalisiert werden müsse. Vom Deutschen Sparkassen- und Giroverband hieß es, man lehne Edis in der aktuellen Form weiterhin ab: Ein System, das darauf abziele, die zur Sicherung angesparten Finanzmittel zur Risikoabsicherung internationaler Großbanken einzusetzen, verunsichere die Kunden und führe hier nicht weiter.

Womöglich nämlich wird die Debatte auch durch den Plan der Unicredit vorangetrieben, die Commerzbank zu übernehmen, die einige große deutsche Banken sogar wohlwollend begleiten. Auch Unicredit-Chef Andrea Orcel plädiert für eine rasche Vollendung der Bankenunion. Denn ohne eine funktionierende gemeinsame Einlagensicherung können grenzüberschreitend aktive Banken Spareinlagen nicht so effizient für die Refinanzierung in anderen Ländern der EU nutzen. Dies macht solche Institute weniger wettbewerbsfähig.

Thomas Groß wollte seine Forderung nach einer europäischen Einlagensicherung zwar nicht in den Kontext der Übernahmepläne von Unicredit stellen und diese auch nicht bewerten, ließ aber erkennen, dass aus seiner Sicht auch grenzüberschreitende Fusionen durchaus sinnvoll sein können. „Wir sollten uns in Deutschland nicht dezidiert abschotten.“ Das sind ungewöhnliche Töne für das Sparkassenlager.

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