Prämiensparen:Sparkassen haben womöglich zu wenig Zinsen ausgezahlt

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"Wir sind optimistisch, dass wir mit unserer Rechtsposition vor Gericht durchdringen", sagt Andrea Heyer, Finanzexpertin bei der sächsischen Verbraucherzentrale. Ein Urteil könnte richtungsweisend sein. (Foto: Daniel Naupold/dpa)
  • Im Zusammenhang mit gekündigten Sparverträgen hat die Verbraucherzentrale Sachsen ausgerechnet, dass die Sparkasse Leipzig womöglich zu wenig Zinsen ausgezahlt hat.
  • Nun verhandelt das Oberlandesgericht Dresden über eine Musterfeststellungsklage der Verbraucherzentrale.
  • Im Durchschnitt geht es um rund 3100 Euro pro Sparer - in der Summe also um einen Millionenbetrag.

Von Andreas Jalsovec, München

Die Zahlen, um die es geht, hat Sabine Ludwig auf Nachfrage genau parat: Insgesamt 14 512,66 Euro an Zinsen fordert die 76-jährige Ruheständlerin zusammen mit ihrem Mann Ingo von der Stadt- und Kreissparkasse Leipzig. Im Jahr 1994 haben die beiden bei dem Kreditinstitut zwei Sparverträge vom Typ "Prämiensparen flexibel" abgeschlossen. 2017 kündigte die Sparkasse die Verträge. Über die Jahre jedoch, so hat es die Verbraucherzentrale Sachsen ausgerechnet, haben die Ludwigs zu wenig Zinsen ausgezahlt bekommen. "Wenn das wirklich so ist", sagt Sabine Ludwig, "dann ist das ein Vertrauensbruch der Sparkasse ihren Kunden gegenüber."

Ob die Verbraucherschützer recht haben, soll ab Mittwoch das Oberlandesgericht (OLG) Dresden feststellen. Es verhandelt über eine Musterfeststellungsklage der Verbraucherzentrale Sachsen. Beteiligt sind daran knapp 1000 Kunden der Sparkasse in Leipzig. Genau wie die ehemalige Bauingenieurin Ludwig fordern sie von dem Geldhaus zu wenig ausgezahlte Zinsen für ihre Prämiensparverträge. Im Durchschnitt geht es um rund 3100 Euro pro Sparer - in der Summe also um einen Millionenbetrag. "Wir sind optimistisch, dass wir mit unserer Rechtsposition vor Gericht durchdringen", sagt Andrea Heyer, Finanzexpertin bei der sächsischen Verbraucherzentrale. Mit dem Prozess wolle man ein "richtungsweisendes Urteil erreichen", von dem auch Sparer in anderen Bundesländern profitieren könnten.

Tatsächlich dürften von möglicherweise falschen Zinsberechnung in Sparverträgen bundesweit Zehntausende Kunden betroffen sein. Grund dafür sind fehlerhafte Klauseln zur Zinsanpassung in den Verträgen. So hat der Bundesgerichtshof (BGH) bereits in mehreren Urteilen klar gemacht, dass sich die Institute bei der Zinsberechnung an festen Bezugsgrößen orientieren müssen. Die Berechnung dürfe nicht alleine nach dem Ermessen der Bank erfolgen.

Im Durchschnitt geht es pro Sparer um Nachzahlungen von 3100 Euro - es kann aber deutlich mehr sein

Längst nicht alle Institute jedoch erfüllen nach Auffassung der Verbraucherschützer diese Vorgaben. "Wir finden regelmäßig fehlerhafte Klauseln in Sparverträgen", sagt Niels Nauhauser, Finanzexperte bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Eine online verfügbare Liste der Verbraucherzentralen weist etwa 150 Kreditinstitute aus, in deren Verträgen sich unwirksame Zinsanpassungs-Klauseln finden. Die Nachberechnung der Zinsen ergebe dann meist Nachzahlungen für die Sparer, sagt Nauhauser. "Viele Institute zahlen auch", meint er: "Man muss sich aber aktiv beschweren."

Etliche Geldhäuser mauerten allerdings auch. Gegen ein Dutzend Institute habe man daher erfolgreich vor Gericht Urteile und Unterlassungserklärungen erstritten. Gegen weitere gehe man rechtlich vor, berichtet Nauhauser. Auch er meint, dass das Verfahren gegen die Sparkasse Leipzig "Signalwirkung" haben könnte. Selbst bei einem positiven Urteil dürften aber "längst nicht alle Kreditinstitute freiwillig ihren Kunden die Zinsen nachzahlen".

Die Sparkasse Leipzig jedenfalls wehrt sich gegen den Vorwurf, zu wenig Zinsen gezahlt zu haben. Ihr Verfahren zur Zinsanpassung gebe "die Marktgegebenheiten fair und transparent an den Kunden weiter", heißt es dort. Dennoch hofft Verbraucherschützerin Andrea Heyer auf ein Urteil für die Kunden. Schließlich hatte ihnen zuletzt sogar die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) den Rücken gestärkt. Im hauseigenen Fachjournal mahnte sie, Banken müssten ihre Kunden "über unwirksame Zinsklauseln informieren und ihnen angemessene Lösungen anbieten". Heyer glaubt, dies könne bei der Verhandlung helfen. Sie kündigt aber auch an: Sollte das Urteil zu Ungunsten der Verbraucher ausgehen, werde man vor den Bundesgerichtshof ziehen. "Wir wollen endlich mehr Klarheit und Transparenz bei der Zinsanpassung erreichen, und eine Benachteiligung der Verbraucher ausschließen."

Sabine Ludwig hätte nichts gegen einen solchen Schritt. Sie hofft "dass die Sparkasse überhaupt zahlt. Schließlich hat sie lange mit unserem Geld gearbeitet". Das ist nun nicht mehr so: Das Geld aus den gekündigten Sparverträgen haben die Ludwigs bei der Fondsgesellschaft einer anderen Bank angelegt.

© SZ vom 22.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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