Banken:Wenn die Sparkasse zum Bürgeramt wird

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Sparkassen können nicht nach Belieben Filialen schließen, weil sie die Grundversorgung sichern müssen. Deswegen suchen sie nach Lösungen, um Standorte zusätzlich zu nutzen. (Foto: Sebastian Kahnert/dpa)

Filialen kosten viel Geld, ganz auf sie verzichten können die Sparkassen aber nicht. Einige wollen deshalb jetzt neue Aufgaben übernehmen - und ein bisschen Rathaus sein.

Von Nils Wischmeyer, Köln/Frankfurt

Die Sparkassen-Filiale in Köln-Rodenkirchen ist auf den ersten Blick unauffällig: viel Holz, viel rot, ein paar Bankschalter. Hier unten im Erdgeschoss wirkt alles ganz normal, dabei findet nur wenige Meter entfernt ein wichtiges Experiment statt: Der Besucher muss dazu zweimal abbiegen, eine kleine Treppe in den ersten Stock hinaufgehen und landet vor einer Glastür. Dort wartet schon ein Mitarbeiter der Sparkasse und strahlt einen an: "Sie haben einen Termin beim Bürgerservice?" Er bittet hinein in den ersten Stock des Sparkassen-Firmencenters, in dem die Stadt Köln seit Neuestem zwei Büros besetzt hat, davor ein kleiner Wartebereich. An den meisten Tagen arbeiten in dieser Etage Sparkassenmitarbeiter, doch immer dienstags kommen seit Dezember zwei Sachbearbeiterinnen von der Stadt, bauen ihr Equipment auf und tauschen dort Personalausweise oder Führerscheine, melden die Menschen um oder wickeln sonstige Amtsgeschäfte ab.

Es ist ein Pilotprojekt, von dem sich beide Seite viel versprechen in der Domstadt. Die Stadt Köln will näher an die Menschen rücken - und die Sparkassen brauchen eine Antwort auf eine schwierige Frage: Was machen wir mit all den Filialen? Denn eines ist klar: Sie brauchen neue Nutzungsmöglichen für die Tausende Quadratmeter Fläche, die sie in ganz Deutschland unterhalten. Die kosten die Geldhäuser jedes Jahr viele Millionen Euro, sind aber gerade bei jüngeren Kunden kaum noch von Nutzen, weil diese bei Bankgeschäften lieber zum Smartphone greifen. Kann der Bürgerservice vor Ort den Trend umkehren?

Schon vor Ende der Testphase: Köln will das Angebot ausbauen

In Köln testen sie das nun erst einmal bis in den Frühling hinein in der Filiale in Rodenkirchen, die sich besonders anbot: Das Rathaus in dem Stadtteil wird gerade abgerissen und neu aufgebaut, in der Zwischenzeit ist die Verwaltung in ein Gebiet gezogen, das mit dem Bus und zu Fuß nur schwierig zu erreichen ist. Da kam die Sparkassen-Filiale der Stadt sehr gelegen, sagt Stadtdirektorin Andrea Blome.

Etwa 40 bis 50 Anliegen arbeiten die zwei "Ortskräfte" jeden Dienstag ab, mehr als 200 sind es seit dem Start Mitte Dezember. "Das sind jetzt nicht viele Tausende, aber das Angebot ist natürlich ein Erfolg", sagt Blome. Sie will so nach der Pandemie wieder näher an die Menschen rutschen, sagt sie. Denn während der Corona-Pandemie verlängerten sich die Wartezeiten für Amtsgeschäfte enorm, selbst wenn hier und da das Digitale Ersatz schaffen konnte. "Wir wollen mit solchen Angeboten das Servicelevel auf den alten Stand vor der Pandemie bringen - und dann darüber hinaus", sagt Blome heute. Läuft es in der Sparkasse gut, will sie das Geschäft deshalb ausweiten: mehr Außenkräfte, mehr Orte, mehr Flexibilität.

Die Sparkassen müssen die leeren Filialen füllen

Für die Sparkasse, die selbst in kommunaler Hand ist, ist das eine Chance. Auch dort gibt man sich zufrieden mit den ersten Testwochen. Kein Wunder, immerhin hat das Geldhaus viele Dutzend Filialen in bester Lage, die an Personal, Strom und Miete viel Geld verschlingen, aber immer weniger Kunden anziehen. Da kommt eine zahlende Untermieterin wie die Stadt Köln gerade recht, um sich an den Kosten zu beteiligen und die Menschen wieder in die Filiale zu locken.

Dorthin verschlägt es schließlich nur noch die wenigsten. 41 Prozent der Kundinnen und Kunden haben im Jahr 2022 ausschließlich das Online-Banking ihrer Bank genutzt, Tendenz steigend. 2018 waren es noch 29 Prozent, wie aus der Bitkom-Studie "Digital Finance" hervorgeht. In dieser gaben ebenfalls 2018 immerhin noch 17 Prozent an, überwiegend die Filialen zu nutzen. 2022 waren es nur noch zwölf Prozent. Dazu kommt, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Sparkassen durchaus auch im Home-Office arbeiten können und wollen. Was aber dann tun, mit all dem Platz?

In den meisten Geldhäusern der Bundesrepublik ließ sich diese Frage in den vergangenen Jahren recht einfach beantworten: dichtmachen. Allein die Großbanken schlossen im Jahr 2021 mehr als 20 Prozent ihrer Niederlassungen. Das jüngste Beispiel dafür ist die Commerzbank, die zum Ärger vieler Kunden Dutzende Filialen geschlossen und Personal abgebaut hat.

Bei den Sparkassen sah es nicht viel besser aus, wenn auch in vielen Fällen in einem kleinerem Rahmen. Denn anders als bei Privatbanken haben die Sparkassen ein mehr oder minder gesetztes Limit, was die Streichungen und Schließungen angeht. Als quasi-öffentliche Einrichtung sind sie nämlich dazu verpflichtet, die Versorgung mit Bargeld und anderen Bankgeschäften vor Ort zu gewährleisten. Nur weil viele Leute lieber per Smartphone ihre Geldgeschäfte erledigen, bedeutet das gerade nicht, dass das alle machen. Genau für diese Menschen müssen Sparkassen weiterhin erreichbar bleiben, so die Ausgangslage. Doch was tun, damit das kein Minusgeschäft wird? "Es braucht unbedingt kreative Lösungen, sonst kosten die leeren Filialen einfach nur viel Geld", sagt Oliver Geiseler von der Unternehmensberatung Capco.

Angelschein in der Filiale

Landesweit gibt es dazu einige Ansätze. Beispielsweise teilen sich die Frankfurter Volksbank und die Taunus Sparkasse eine Filiale, in Düsseldorf gibt es eine speziell für Jugendliche und in Hamburg experimentieren sie ebenfalls schon mit der städtischen Untermieterin. In einer Filiale gibt es dort sogar den Angelschein - in Anlehnung an einen Titel von Fettes Brot quasi nordisch by Sparkasse. Beim Sparkassenverband sehen sie einige solcher Experimente, aber: "Schule macht das eher nicht, zumal nicht alle Gebäude das hergeben", sagt ein Sprecher. Dort, wo es möglich sei, würde man aber prüfen, ob zusätzliche Angebote Sinn ergeben. "Daraus ergibt sich dann meist eine Win-win-Situation."

Für die Sparkasse besteht der Gewinn nicht nur in geteilter Miete, sagt Capco-Experte Geiseler. "Es bringt den Sparkassen im besten Fall auch mehr Kontakt mit bereits bestehenden Kunden oder sogar ganz neue." Wer schon einmal in einer Sparkassen-Filiale ist, nutzt den Termin möglicherweise, um mit dem eigenen Bankberater über die nähere Zukunft zu sprechen. Vielleicht möchte der Kunde ein Haus bauen, einen Kredit aufnehmen oder ein Auto finanzieren? "Wenn er zu Hause sitzt, wird er die Preise im Internet vergleichen, und da können Sparkassen selten mithalten. Aber in der Filiale kann man den Kunden direkt für sich gewinnen", sagt Geiseler. Ob das dann am Ende immer die beste Variante für den Kunden ist, sei dahingestellt. Für die Sparkasse und ihre Vertriebler ist es aber sicherlich ein Weg, mehr Abschlüsse rauszuholen.

Ähnlich sieht es bei Neukunden aus, die wegen ihres Besuchs vielleicht sogar erstmalig in Kontakt mit den Sparkassen kommen, warten, einen Flyer lesen und das Geldhaus bei der nächsten Entscheidung im Hinterkopf haben. Dass bei so einem Amtsbesuch auch negative Gefühle aufkommen und dann auf die Sparkasse abstrahlen, glaubt Geiseler hingegen nicht. Und auch in Rodenkirchen sehen die Menschen in den Beratungszimmern nicht unglücklich oder verärgert aus. Die meisten, so erzählt ein Mitarbeiter vor Ort, seien einfach froh, wenn sie nicht so weit laufen müssten, gerade ältere Menschen oder Familien, die mit Kindern zum Termin kämen. Noch läuft die Testphase.

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