Süddeutsche Zeitung

Kreditwirtschaft:Wie sich die Sparkassen künftig absichern müssen

Die deutschen Sparkassen und Landesbanken einigen sich aller Voraussicht nach auf eine Reform ihrer Notfallfonds. Für Banken-Rettungen sollen sie nun zusätzliche 5,2 Milliarden Euro ansparen. Der Druck der EZB zeigt Wirkung.

Von Jan Diesteldorf und Meike Schreiber, Frankfurt

Die Finanzkrise ist lange her, aber sie ist nicht wirklich vorbei - weder in Deutschland, noch in anderen europäischen Ländern. Auch nach 2008 mussten die Steuerzahler immer wieder Banken retten, der Bund ist weiterhin an der Commerzbank beteiligt. Jüngster Fall: Ende 2019 mussten Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und die dortigen Sparkassen 3,6 Milliarden Euro in die Nord-LB stecken, die sich mit Schiffskrediten verhoben hatte. Anstatt die Landesbank abzuwickeln, einigten sich die Länder und die Sparkassen schließlich nach einer monatelangen Hängepartie darauf, erneut in die Bank zu investieren. Sparkassen und Landesbanken gaben 1,1 Milliarden für die Rettungsaktion, den Rest übernahmen die Länder.

Das Urteil der Bankenaufseher fiel nach dem Fall Nord-LB eindeutig aus: die EZB und die deutsche Finanzaufsicht Bafin halten die Sparkassen mit ihrem vielschichtigen System zur gegenseitigen Absicherung für zu langsam, und für den Ernstfall halten die öffentlich-rechtlichen Institute aus Sicht der Aufseher viel zu wenig Geld bereit. Sie drängen deshalb darauf, dass Sparkassen und Landesbanken die für Rettungsaktionen zur Verfügung stehenden Mittel um etwa fünf Milliarden Euro aufstocken, wobei die Mittel zur Absicherung von Einlagen und Instituten getrennt werden sollen. Andernfalls, so die Drohung, würden sie wichtige aufsichtsrechtliche Privilegien verlieren.

Nach SZ-Informationen haben sich Sparkassen und Landesbanken nun nach abermals schwierigen Verhandlungen auf eine Lösung geeinigt, die sie der EZB in Kürze vorstellen wollen. An diesem Freitag soll die Mitgliederversammlung des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV) in Berlin die notwendige Satzungsänderung beschließen. Aus Sparkassenkreisen hieß es, noch sei nicht abschließend geklärt, ob die Aufsicht die Vorschläge akzeptieren werde, man sei aber zuversichtlich. Ein DSGV-Sprecher sagte, man sei in entscheidenden Fragen des gemeinsamen Sicherungssystems auf einem guten Weg. Ziel sei es, in den Gremien zu einem Beschluss zu kommen und diesen umzusetzen. "Damit wird die für unsere Kundinnen und Kunden vorteilhafte Institutssicherung der Sparkassen-Finanzgruppe weiter gestärkt", sagte der Sprecher.

"Einigungsfähiger Kompromiss"

Oliver Stolz, Präsident des Sparkassen- und Giroverbands für Schleswig-Holstein, äußerte sich etwas deutlicher: Nach vielen konstruktiven Gesprächen habe man einen guten und einigungsfähigen Kompromiss in der Sparkassen-Finanzgruppe erreicht. "Ich bin optimistisch, dass der Schulterschluss gelingt und auch bei der EZB auf Zustimmung stößt", sagte Stolz.

Die Pläne sehen vor, dass die Sparkassen von 2025 bis 2032 jährlich 250 Millionen Euro ansparen müssen und 600 Millionen als "Zahlungsversprechen" abgeben. Zudem zahlen die Landesbanken 2,6 Milliarden Euro in den neuen Topf und haften außerdem vorrangig und nicht gleichrangig mit den Sparkassen, falls eine der vier großen Landesbanken in Schieflage gerät. Insgesamt müssen Sparkassen und Landesbanken also 5,2 Milliarden zusätzlich ansparen, um ihr gegenseitiges Haftungsversprechen stärker zu untermauern.

Die EZB hält das für dringend geboten. Bei ihren Kunden werben die öffentlich-rechtlichen Institute damit, dass sie sich immer gegenseitig auffangen. Im Gegenzug zu diesem Versprechen genießen die Banken bestimmte Privilegien; sie müssen Kredite untereinander zum Beispiel nicht mit Eigenkapital unterlegen. Bislang konnten Sparkassen und Landesbanken ihr Versprechen immer einlösen, haben also nie eine Bank zulasten ihrer Kunden pleitegehen lassen. Dazu gibt es aber 13 unterschiedliche Sicherungssysteme der regionalen Verbände, der Landesbanken und der Landesbausparkassen, die über ein kompliziertes Regelwerk verbunden sind. Wer in welcher Konstellation wie viel zahlt, darüber muss erst einmal verhandelt werden, und das dauert im Zweifel sehr lang. Am Ende ging es im Ernstfall auch deshalb immer gut aus, weil die Geldhäuser zur Not Haushaltsmittel von Ländern oder Kommunen, also Steuerzahlergeld, anzapfen konnten.

Komplizierte Pläne für Pleiten

Aber hatten Politiker nach der Finanzkrise nicht versprochen, dass Steuerzahler keine Banken mehr retten müssen? Schließlich hatten sich viele Länder Europas in der Krise hoch verschuldet, um Geldhäuser zu retten, was sie dann an anderer Stelle einsparen mussten. Es gibt daher heute komplizierte Pläne, wie Bankpleiten ablaufen sollen, ohne das ganze System zu gefährden. In erster Linie sollen dabei die vermögenden Eigentümer und Gläubiger haften.

Bei Landesbanken und Sparkassen ist die Lage jedoch komplizierter. Ihre Eigentümer sind die Steuerzahler selbst, also Kommunen, Landkreise und Länder. Viele Politiker dort stehen wiederum auf dem Standpunkt, als Eigentümer jederzeit Geld nachschießen zu dürfen, sofern die Parlamente zustimmen. Andererseits sind sich in der Finanzwirtschaft fast alle einig, dass auch staatliche Banken nicht ständig mit Steuerzahlergeld gestützt werden sollten, sondern die dafür notwendigen Mittel selbst erwirtschaften.

Bei dem Gerangel in der Sparkassen-Finanzgruppe geht es nun auch um die Frage, wie die Lasten zwischen Ländern und Kommunen verteilt werden. Vor allem die Sparkassenverbände in Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein, Ostdeutschland und Hamburg haben keine bedeutende Landesbanken-Beteiligungen mehr und wollen daher auch nicht für eventuelle Schieflagen in Bayern, Baden-Württemberg, Hessen oder Niedersachsen geradestehen. Sie hatten unter anderem durchgesetzt, dass die Landesbanken künftig vorrangig untereinander haften, und zwar bis 2,6 Milliarden Euro. Erst bei größeren Summen müssten die Sparkassen auch für Landesbanken einspringen.

Die 371 deutschen Sparkassen, fünf Landesbanken sowie die dazugehörige Fondsgesellschaft Deka und die Bausparkassen dürften nun gut in der Lage sein, die zusätzlichen Milliarden anzusparen. Bis in vier Jahren müssen die Banken in den EU-Mitgliedstaaten zwar noch Geld für die europäische Einlagensicherung zurücklegen. Auch das kostet Milliarden, immerhin wären die Belastungen aber zeitlich entzerrt: Die Ansparphase für den neuen Sicherungstopf würde erst 2025 beginnen.

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