Süddeutsche Zeitung

Spanischer Modekonzern Mango:Familienfrucht

Von wegen vier Kollektionen im Jahr - jede Woche bekommen die Filialen neue Ware geliefert: Mango steigert seit Jahren stetig seine Umsätze. Das katalanische Unternehmen verkauft Mode in 107 Ländern. Doch Gründer Isak Andic setzt auf die Heimat und seine Verwandtschaft.

Viktoria Großmann, Barcelona

Die Inspiration sitzt im Vorgarten: eine überlebensgroße Skulptur des barcelonischen Künstlers Jaume Plensa. Denkt der "Body of Mind" darüber nach, was er heute anziehen soll? Die Firmenzentrale des Textilunternehmens Mango wäre der richtige Ort dafür.

Mango-Gründer Isak Andic, 57, setzt auf Dinge, die Moden unterworfen sind: privat auf die Kunst und unternehmerisch auf Kleider. Seine private Kunstsammlung verteilt sich auf die beiden Gebäude der Firmenzentrale in den Hügeln nördlich von Barcelona: über den Empfangsraum wachen mit ernsten Augen zwei riesenformatige Mädchengesichter des Karlsruher Malers Harding Meyer. Das schlichte Treppenhaus überkrönt eine barocke Kuppel - ein Fotografie von Candida Höfer. Die Kunst soll Andics Angestellte auf kreative Gedanken bringen.

Offenbar gelingt das. Mango steigert seit Jahren stetig seine Umsätze, im vergangenen Jahr waren es 1,4 Milliarden Euro, ein Umsatzplus von elf Prozent im Vergleich zu 2010. Gemeinsam mit seinem drei Jahre älteren Bruder Nahman hat Isak Andic 1984 den ersten Mango-Laden am Prachtboulevard Passeig de Gràcia in Barcelona eröffnet. In diesem Jahr wollen die Brüder auch in Pakistan und Myanmar Mango-Shops eröffnen, dann wäre die Kette in 109 Ländern mit insgesamt 2415 Geschäften vertreten. Schon jetzt werden 82 Prozent des Umsatzes im Ausland erwirtschaftet.

"In den nächsten Jahren wollen wir die Größe des Unternehmens auf das Doppelte steigern", sagt Daniel López, er ist im Management für die Expansion des Konzerns zuständig. Seit 15 Jahren arbeitet er für Mango und gehört damit fast zur Familie. Ebenso wie Geschäftsführer Enric Casi, der mit den Andics bereits seit den achtziger Jahren zusammenarbeitet und Isak Halfon, Stellvertreter der Chefs, der mit den Brüdern seit der Schule bekannt ist. Das Reden überlassen die Brüder Andic gern ihnen.

Das Familiäre bestimmt die Arbeitswelt und das unternehmerische Selbstverständnis: Seit 2008 führt Mango eine Herrenkollektion, verantwortlich ist einer der Söhne Isak Andics. Seine Tochter leitet das Accessoires-Label Touch. Und seine Nichte die Kollektionen für den außereuropäischen Markt.

Noch liegt Mango beim Umsatz hinter börsennotierten Konkurrenten wie der schwedischen H&M Group, deren bekanntestes Label H&M 2011 einen Bruttoumsatz von circa 14,3 Milliarden Euro machte. Die Modekette Zara, die zu Inditex im spanischen Galizien gehört, lag mit einem Umsatz von 1,7 Milliarden Euro vor Mango. Dabei ist Zara im Vergleich mit nur 1631 Läden in 82 Ländern vertreten, H&M mit 2500 Filialen in 40 Ländern. Das Mango-Konzept scheint umgekehrt zu funktionieren: erst in die Breite, dann in die Masse.

Obwohl Mango bereits auf die asiatischen und arabischen Märkte drängt, seien die europäischen mit gerade einmal 100 Filialen in Deutschland und 130 in Frankreich noch längst nicht ausgeschöpft, sagt López. Das ist die derzeitige Wachstumsstrategie des Konzerns, er investiert nicht in neue Marken, sondern in neue Läden. An die Börse gehen wolle Mango nicht.

Der Raum, in dem López sitzt, wird zur Hälfte von einem Gemälde dominiert, an der Wand gegenüber stehen mehrere mindestens 100 Jahre alte Registrierkassen: vergoldet, verziert, jede so groß wie ein Nachtschränkchen. Das ist Mango: Inspiration auf der einen Seite, Geldverdienen auf der anderen.

Das letzteres in der Krise schwieriger geworden ist, zeigt sich auch daran, dass Mango im März die Preise für die Saisonkleidung um 20 Prozent senkte. Seitdem hätten sich die Umsätze um 40 Prozent erhöht, sagte Geschäftsführer Casi kürzlich der spanischen Presse. Auch die Mitarbeiter spüren die Krise, es gab Entlassungen.

Der Wettbewerb sei härter geworden, erzählt eine Angestellte. "Es wird genau geprüft, wer wie viel arbeitet. Wer nicht genug leistet, muss gehen." Die 29-jährige Designerin ist seit drei Jahren dabei. "Alles, was ich heute kann, habe ich bei Mango gelernt", sagt sie. Und dass sie hier viel Raum finde, ihre Talente zu entfalten.

Die Hierarchien, sagt sie, seien hier so flach wie die beiden Hallengebäude, in denen ein Teil der 1800 Mitarbeiter an endlos langen Tischen Handtaschen entwirft und mit Einzelhändlern telefoniert. Für Außenstehende ist nicht zu erkennen, wo an den Tischen die Abteilungsleiter sitzen. Manchmal, so sagt Sprecherin Georgina Pratginestos, nehme Isak Andic, jener kleine, graulockige, bebrillte Mann in heller Canvas-Hose und blütenweißem Leinenhemd, der in diesem Moment eilig durch den Gang huscht, sich seinen Computer und setze sich mitten unter seine Angestellten.

Zum Familiensinn gehört auch die Heimat - sie liegt eindeutig in Barcelona. Hier laufen alle Unternehmensbereiche zusammen, hier engagiert sich Andic auch für die örtliche Kunstmesse Swab als Sponsor. Hier verleiht er - im Kunstmuseum MNAC - jährlich einen mit 300 000 Euro dotierten Designer-Nachwuchspreis. In der Zentrale wird die Gestaltungsbasis jedes Schaufensters und jeder Filiale weltweit erdacht und erprobt. Hier kaufen die Franchisenehmer aus Berlin, Prag und Taipeh für ihre Läden ein. Im Vorführraum nimmt Georgina Pratginestos ein Kleid von der Stange: sehr lang, sehr purpur, viele Pailletten - Kundinnen in Nahost mögen das.

Für den westlichen Markt wird das Modell ohne Ärmel und mit weniger Pailletten angeboten. Daneben plustert sich ein Wintermantel auf - für russische Kundinnen extra dick gefüttert. Genäht wird teils in Asien, zum Beispiel in Vietnam und Indien, zum großen Teil jedoch in Marokko und in der Türkei. Mit einem Zertifikat, Aitex heißt es, will Mango garantieren, dass keine giftigen Stoffe verwendet werden und die Näherinnen zu fairen Bedingungen entsprechend den Vorgaben der Internationalen Arbeitsorganisation arbeiten.

Mode, Kunst, Familie - was hat das alles mit Obst zu tun? Daniel López lacht. Der Name sei eine Idee von Isak Andic, der gern Obst esse, aber vor allem einen großen Plan hat: überall in der Welt präsent und bekannt zu sein. So, wie der Name für die gelbe Frucht, die in der ganzen Welt denselben Namen trägt: Mango.

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SZ vom 01.06.2012/fran
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