Spanischer Konzern Telefónica:O2 - aus Verzweiflung an die Börse

Der spanische Mutterkonzern des Mobilfunkanbieters O2 sitzt auf einem Milliarden-Schuldenberg. Telefónica will deswegen nun Teile an Investoren verkaufen. Das Geschäft könnte Folgen für den deutschen Markt haben.

Björn Finke

Schon im 19. Jahrhundert gab Carl Mayer von Rothschild Investoren einen einfachen Rat mit auf den Weg: "Kaufen, wenn die Kanonen donnern, verkaufen, wenn die Violinen spielen." Krisenzeiten können gute Zeiten für Aktienkäufer sein, die Papiere sind billig; umgekehrt sollten Verkäufer den Aufschwung abwarten - auf jenes Rezept vertraute der Spross der Bankiersfamilie.

Telefonica O2

O2-Firmensitz in München: Der Mutterkonzern Telefónica bekommt die Wirtschaftskrise in Spanien zu spüren. Ein O2-Börsengang soll frisches Geld bringen.

(Foto: dpa)

In Spanien donnern gerade die Kanonen, zumindest metaphorisch: Es ist Krise - und wie. Banken stehen vor dem Kollaps, der Börsenindex des Landes stürzte in drei Monaten um fast 30 Prozent ab. Doch César Alierta Izuel hofft offenbar, dass bald wieder liebliche Violinentöne erklingen. Der Chef des spanischen Telekomkonzerns Telefónica plant, Minderheitsanteile der deutschen Tochter Telefónica Germany sowie von lateinamerikanischen Gesellschaften an die Börse zu bringen. Der 67-Jährige möchte so den Schuldenberg von 57 Milliarden Euro abtragen, der auf seinem Unternehmen, der Nummer eins in Europa, lastet. Alierta wollte mit diesem Beschluss nicht warten, bis sich die Stimmung bessert - das zeigt, wie angespannt die Lage ist.

Gelingt sein Manöver, hätte das auch Folgen für Deutschland: Die Spanier sind hier mit der Marke O2 die Nummer vier auf einem hart umkämpften Handy-Markt (Grafik). Wenn die Mutter in Madrid wieder mehr Kapital und Spielraum für Investitionen hat, würde das O2 im Wettbewerb nützen. Denn in den kommenden Jahren müssen die Anbieter Milliarden investieren - und das, obwohl die Umsätze schrumpfen und neue Angreifer auf das Spielfeld drängen. "Der Markt wird anspruchsvoll bleiben", sagt Holger Neinhaus, Partner der Unternehmensberatung SMP, "da ist das Geld der Investoren eine Hilfe."

Wie viel Geld die Spanier einnehmen möchten, ist unklar; die Mitteilung des Verwaltungsrats von Mittwochabend ist wolkig, ein Firmensprecher wollte am Donnerstag dem dürren Text nichts hinzufügen. Demzufolge bereitet der Konzern einen Börsengang der deutschen Tochter vor und analysiert die Chancen dieses Schrittes bei den lateinamerikanischen Sparten. Dies solle schon im laufenden Jahr die Verschuldung senken. Wie viel Prozent an Aktionäre verkauft wird und wann, blieb im Dunklen. Allerdings wird sich das Unternehmen mit weltweit 309 Millionen Kunden wohl nur von Minderheitsanteilen trennen.

Analysten schätzen, Telefónica könne so sechs Milliarden Euro einstreichen. Die deutsche Tochter wird auf acht bis zehn Milliarden Euro taxiert, der Verkauf eines Minderheitsanteils könnte also bis zu fünf Milliarden Euro in die Kasse der klammen Firma spülen. Die Spanier leiden unter der Wirtschaftsflaute im Heimatmarkt, zudem erschweren es Zweifel an der Bonität des Landes und der Banken, neue Kredite zu bekommen. Bei den Töchtern in Lateinamerika und Deutschland dagegen läuft es gut; der Umsatz in der Bundesrepublik stieg im ersten Jahresviertel um 2,5 Prozent auf 1,3 Milliarden Euro, 295 Millionen Euro blieben als Betriebsergebnis hängen. O2 versorgt 25 Millionen Kunden mit Mobilfunk, Telefon- und Internetanschlüssen.

Doch das Geschäft ist nicht einfach, die Erlöse der Mobilfunkanbieter in Deutschland sind von 2005 bis 2011 um vier Milliarden auf 24 Milliarden Euro geschrumpft, rechnet der Branchenverband VATM vor. Der Markt ist gesättigt, wer neue Kunden gewinnen will, muss Konkurrenten verdrängen - der Preiswettbewerb ist hart. Daher wurde immer wieder darüber spekuliert, dass sich die Nummer drei und vier im Lande zusammenschließen: dass also Telefónica Germany E-plus kauft oder E-plus, eine Tochter des niederländischen KPN-Konzerns, die deutsche Telefónica.

"Die Margen in der Branche werden stark unter Druck kommen"

Ein E-Plus-Sprecher wollte die Börsenpläne von O2 nicht kommentieren, allerdings gilt es als unwahrscheinlich, dass KPN das Vorhaben nutzt, um bei den Münchnern als Juniorpartner einzusteigen. Die Niederländer sind gerade gut damit beschäftigt, die Avancen des mexikanischen Milliardärs Carlos Slim abzuwehren. Slims Mobilfunkkonzern America Movil möchte seine Beteiligung von 4,8 auf bis zu 27,7 Prozent ausbauen.

In Deutschland hingegen sind KPN und E-Plus nicht auf Verteidigung, sondern auf Angriff eingestellt. Im April startete die Nummer drei des Marktes mit Yourfone einen Flatrate-Tarif, bei dem Kunden für 20 Euro unbegrenzt mit dem Handy telefonieren und im Internet surfen können. Damit unterbieten die Düsseldorfer die drei Konkurrenten deutlich, diese werden nachziehen müssen. Die Deutsche Telekom könnte den Wettbewerb zusätzlich anheizen. Auf der Hauptversammlung vergangene Woche sagte Vorstandschef René Obermann, das Unternehmen werde darum kämpfen, wieder umsatzstärkster Mobilfunkanbieter im Land zu werden.

Misst man den Marktanteil an den ausgegebenen Sim-Karten, ist Vodafone zwar schon seit 2010 die Nummer eins, beim Umsatz war es in den vergangenen Jahren aber die Telekom. Im ersten Quartal zog Vodafone jedoch auch hier an den Bonnern vorbei. Allerdings machen sich die Telekomkonzerne nicht nur untereinander Konkurrenz - Internetunternehmen drängen sich ebenfalls ins Geschäft. Mit Programmen wie Skype oder Whatsapp können Besitzer von internetfähigen Handys kostenlos telefonieren oder Textnachrichten verschicken, die hochprofitable SMS ist ein Auslaufmodell.

Zugleich müssen die Telekomanbieter Milliarden investieren, um Funkmasten auf den schnellen LTE-Standard umzurüsten und Glasfaserkabel zu vergraben. Denn immer mehr Kunden wollen immer länger und immer rasanter im Internet surfen, ob zu Hause oder auf dem Handy. Um Kosten zu senken, arbeiten O2 und Telekom beim Anschluss der Handy-Masten ans Glasfasernetz zusammen - ähnliche Partnerschaften werden wohl folgen.

Trotz allem verdienen die Konzerne noch ordentlich, vom Umsatz bleibt viel hängen, doch das ändere sich, meint Unternehmensberater Neinhaus: "Die Margen in der Branche werden stark unter Druck kommen, es wird schwer sein, sie weiterhin um 35 Prozent zu halten."

Es sind also Zeiten, in denen eine kleinere oder größere Kapitalspritze von Minderheitsaktionären richtig gut tut.

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