Spaniens Regierungschef:Rajoy zwischen allen Fronten

Spaniens Ministerpräsident versucht der Welt zu beweisen, dass er sein Land durch die Krise steuern kann. Für kommendes Jahr plant Rajoy ein gewaltiges Sparprogramm. Reicht das?

Hans von der Hagen

Spanish PM Rajoy gestures during a meeting with NASA administrator Bolden at Moncloa Palace in Madrid

Spaniens Permierminister Rajoy verordnet seinem Land weitere Milliarden-Einsparungen.

(Foto: REUTERS)

Es ist einer der kritischsten Momente im Berufsleben des spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy gewesen: die Präsentation des Haushaltsentwurfs für 2013 am gestrigen Donnerstag. So heftig wurde hinter den Kulissen bis zuletzt gerungen, dass die Präsentation in letzter Minute nochmals verschoben werden musste. Es geht ja auch um viel: Rajoy wollte belegen, dass er die Lage im Griff hat und es zugleich versteht, die Interessen aller zu berücksichtigen.

Er steht zwischen allen Fronten: Auf der einen Seite die Bevölkerung, die mit wütenden Protesten deutlich macht, dass sie weitere Einschnitte nicht tolerieren will.

Zugleich muss sich Rajoy aber mit einem ambitionierten Sparprogramm der Europäischen Union als ein Land empfehlen, das die Kriterien für Hilfen aus dem Rettungsfonds ESM erfüllt. Nur dann wäre auch die Europäische Zentralbank bereit, Spanien mit dem Kauf von Staatsanleihen zu stützen.

Die dritte Front bilden die Finanzmärkte, die in ihren Fieberkurven die Furcht vor der Pleite Spaniens nachbilden. Die Renditen für die Staatsanleihen sind zuletzt wieder deutlich gestiegen. Von ihren Höchstständen von mehr als sieben Prozent sind sie allerdings mit derzeit knapp sechs Prozent noch ein Stück entfernt.

Bangen vor Moody's

Das könnte sich freilich in wenigen Tagen schon wieder ändern: Spanien steht derzeit unter scharfer Beobachtung der Ratingagentur Moody's. Die dürfte in den kommenden Tagen - vielleicht schon an diesem Freitag - verkünden, wie sie aktuell die Kreditwürdigkeit Spaniens einschätzt. Im August hatte Moody's gesagt, dass wahrscheinlich bis Ende September eine Entscheidung fallen werde.

Da Spanien mit der Note Baa3 schon derzeit nur noch eine Stufe über dem berüchtigten Ramschniveau liegt, fürchten Experten eine neuerliche Herabsetzung - große Anleger dürften dann in diese Papiere nicht mehr investieren. Die weniger bekannte US-Ratingagentur Egan-Jones stufte bereits am Donnerstag die Kreditwürdigkeit Spaniens weiter zurück. Spanien werde unweigerlich zusätzliches Geld aufbringen müssen, um einen Teil seines Bankensektors und schwache Regionen zu stützen, hieß es zur Begründung.

Doch wie hat sich Rajoy nun geschlagen? Die Regierung will nicht nur mit einer wahren Flut neuer Gesetze in den nächsten sechs Monaten den Energie- und Telekomsektor liberalisieren, sondern streicht im Haushaltsentwurf für das kommende Jahr weitere 40 Milliarden Euro.

Zusammen mit den zuvor schon vorgestellten Sparprogrammen liegt Rajoy mittlerweile 127 Milliarden Euro unter den Plänen der im Herbst 2011 abgewählten sozialistischen Vorgängerregierung. Auf diese Weise will Rajoy das Haushaltsdefizit von 6,3 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung in diesem Jahr auf 4,5 Prozent im Jahr 2013 drücken. Ein sportliches Ziel - und die Märkte goutieren es an diesem Freitag nur anhand der alten Chef-Regel: Keine Kritik ist Lob genug. Will sagen: Die Börsen tun so, als sei nichts gewesen. Der spanische Aktienmarkt notiert an diesem Freitag leicht im Plus, die spanischen Renditen sind nahezu unverändert. Immerhin machte der Euro einen Sprung um einen Cent nach oben. Doch das war es dann auch schon: Was Rajoy präsentiert hat, barg keinerlei Überraschungen mehr.

Wirbel um den Stresstest

Zu viel Unsicherheit steckt überdies im Markt. Schon die Ergebnisse des Bankenstresstests, die voraussichtlich an diesem Freitag veröffentlicht werden, könnten für helle Aufregung sorgen - selbst wenn die spanische Zeitung El País bereits berichtete, die drei größten Banken Santander, BBVA und La Caixa hätten den Test bestanden. Die gewaltige Summe von 100 Milliarden Euro wurde von den Euro-Partnern zur Rettung der spanischen Geldinstitute zur Verfügung gestellt. Experten schätzen, dass davon 60 bis 80 Milliarden Euro auch tatsächlich benötigt werden könnten.

Ob die nun von Rajoy vorgestellten Maßnahmen auch am Ende durchgesetzt werden und entsprechend Wirkung zeigen, ist unklar. Bislang tat sich die Regierung jedenfalls schwer, die selbst gesteckten Ziele zu erreichen. Der Blick auf das aktuelle spanische Sparziel verheiße wenig Gutes, kommentieren die Analysten der Commerzbank: Selbst an dem nach oben revidierten Budgetdefizit von 6,3% werden das Land in diesem Jahr wohl vorbeischlittern. Zudem dürfte auch der "anhaltende spanische Widerwille, sich den erweiterten Bedingungen und Auflagen von ESM-Hilfen zu beugen", für Ernüchterung sorgen, warnen die Experten. Darum sei bis auf weiteres kaum mit einem nachhaltigen Rückgang der spanischen Finanzierungskosten zu rechnen.

Eine Zigarre zu viel

Zudem könnte das Land an dem Griechenland-Effekt scheitern. In Athen muss zur Erfüllung der Auflagen so einschneidend gespart werden, dass die Wirtschaft keinen Tritt mehr fast. Im Gegenteil: Die Wirtschaft schrumpft derart stark, dass die gesetzten Ziele fortlaufend nach unten revidiert werden müssen. Das könnte auch in Spanien passieren, selbst wenn Rajoy betont, es würden in seinem Programm vor allem Ausgaben gekürzt und weniger die Steuern heraufgesetzt. Steuererhöhungen gelten als besonders gefährlich für die Konjunkturentwicklung, weil sie Privaten und Unternehmen das Geld für mögliche Ausgaben entziehen.

Bislang geht die Regierung davon aus, dass die Wirtschaft 2012 um 1,5 Prozent und im kommenden Jahr um 0,5 Prozent schrumpft. Vor allem die Prognose für 2013 sei dabei sehr optimistisch, heißt es bei der Deutschen Bank. Deren Volkswirte gehen davon aus, dass die spanische Wirtschaft mit 1,1 Prozent doppelt so stark schrumpft wie von Madrid prognostiziert.

Nun muss Rajoy beweisen, dass er recht hat. Dass ein Mann, der seinem Volk in den kommenden Monaten viel abverlangen wird, sich nicht den kleinsten Ausrutscher mehr erlauben darf, bemerkte Rajoy nun auch an ganz unvermuteter Stelle: Erbost registrierten die Spanier, dass er sich bei seinem jüngsten Aufenthalt in New York eine Zigarre ansteckte. Eine Sprecherin des Ministerpräsidenten erklärte eilends, Rajoy habe in den Vereinigten Staaten einen extrem engen Terminplan gehabt und diese Zigarrenpause sei seine einzige Erholung gewesen. Die Spanier beeindruckte diese Erklärung indes überhaupt nicht. Vielmehr fühlten sich manche auf Twitter an die französische Königin Marie-Antoinette erinnert. Die hatte gesagt, die verarmte Bevölkerung solle doch statt des fehlenden Brotes einfach Kuchen essen. Ihr Ausspruch wurde zum Sinnbild der Ignoranz einer abgehobenen politischen Klasse.

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