Süddeutsche Zeitung

Spanien:Städte bekommen Gegenwind im Kampf gegen Airbnb

  • Spaniens Touristenmetropolen versuchen mit allen Mitteln, das boomende Geschäft von Miet-Plattformen wie Airbnb einzudämmen.
  • Die spanische Wettbewerbsbehörde will nun jedoch prüfen lassen, ob diese Maßnahmen überhaupt rechtmäßig sind.
  • Sie befürchtet, die Städte könnten damit das Grundrecht auf Eigentum der Wohnungsbesitzer verletzen.

Von Thomas Urban, Madrid

Schlag auf Schlag war es in den vergangenen Monaten gegangen: Die großen spanischen Touristenmetropolen kündigten vielerlei Maßnahmen gegen den Massenansturm von ausländischen Besuchern an, die den alteingesessenen Bewohnern der Städte den Alltag vergällen. Im Mittelpunkt steht die Vermietung von Privatquartieren über Internetportale, neue Regeln sollen diesen explosionsartig angewachsenen Markt stark beschneiden. Vor allem in Barcelona, wo sich in den letzten beiden Jahrzehnten die Zahl der Besucher verzehnfacht hat, nahm die Stadtverwaltung den amerikanischen Marktführer Airbnb aufs Korn.

Madrid, Bilbao, San Sebastian und Palma de Mallorca, die nächstgrößten Touristenmagneten, folgten mit eigenen Maßnahmenkatalogen, beginnend mit der systematischen Registrierung privater Anbieter und der Weiterleitung ihrer Daten an die Steuerbehörden. Allen Städten gemeinsam ist, dass sie in ihren Zentren den Anteil von an Touristen vermieteten Wohnungen stark begrenzen wollen. Lokalpolitiker und Bürgerinitiativen weisen darauf hin, dass sich wegen der gestiegenen Mieten, auch für Geschäfte, die sozialen Strukturen in ihren Vierteln immer mehr ändern.

Die Maßnahmen der großen spanischen Städte fanden ein starkes, überwiegend positives Echo in den europäischen Nachbarländern. Aus anderen EU-Staaten kommt das Gros der Touristen, die bisher sehr von der Vermittlung von Privatquartieren über Internetmakler profitierten. Auch die Europäische Kommission in Brüssel schaltete sich unterstützend in die Auseinandersetzungen mit Airbnb ein, nicht zuletzt, weil der Konzern wie andere amerikanische Internetgiganten in den EU-Ländern nur sehr wenig Steuern zahlt. Dies ist möglich und auch legal, weil Airbnb die EU-Mitgliedsstaaten mit geringen Steuersätzen als Firmensitze auswählen konnte, obwohl der Hauptumsatz in anderen Ländern mit deutlich höheren Steuersätzen verbucht wurde. Bisher hat die EU keine wirksamen Mittel dagegen gefunden.

Doch nun hat, mitten in der Feriensaison, ausgerechnet die Nationale Kommission für Märkte und Wettbewerb (CNMC) in Madrid angekündigt, die Neuregelungen von Madrid, Bilbao und San Sebastian gerichtlich überprüfen zu lassen. Bei der Kommission handelt es sich um eine Behörde mit starken Kompetenzen, wie sie in Deutschland das Bundeskartellamt und der staatliche Verbraucherschutz zusammen haben. Das Eingreifen der Kommission war erwartet worden. Denn seit Monaten streiten sich die Kommentatoren der spanischen Wirtschaftspresse, ob die Stadtverwaltungen, die die Internetmakler für die kurzfristige Vermietung von Wohnungen an Touristen attackieren, nicht das Grundrecht auf Eigentum verletzen.

Die Kontrolleure sind gar nicht in der Lage, den gesamten Markt zu überblicken

Es ist eine Grundsatzdiskussion, bei der sich die Gräben quer durch die politische Landschaft ziehen, sie entsprechen nicht der traditionellen Konfrontation zwischen dem sozial eingestellten linken und dem traditionell wirtschaftsfreundlichen rechten Lager in Spanien. So ziehen im Konflikt mit der CNMC die beiden linksalternativen Oberbürgermeisterinnen von Barcelona und Madrid, Ada Colau und Manuela Carmena, an einem Strang mit Juan María Aburto, dem konservativen Stadtoberhaupt von Bilbao. Sie verweisen auf die gestiegenen Mieten, die die Einwohner ihrer Städte zunehmend belasten: In Barcelona waren es in den letzten vier Jahren bis zu 40 Prozent, in Madrid bis zu 30 Prozent.

Die angekündigte gerichtliche Klärung aber betrifft keineswegs die Grundsatzfrage nach der Verfügungsgewalt über Privateigentum, vielmehr will die CNMC bisher nur Einzelaspekte auf ihre Rechtmäßigkeit überprüfen lassen. Im Fall Madrid ist es die Vorschrift, dass in der Innenstadt Lizenzen für die private Wohnungsvermietung nur für ein Jahr erteilt werden, eine Verlängerung um ein weiteres Jahr ist prinzipiell möglich, unter mehreren Voraussetzungen, unter anderem grünes Licht von der Steuerbehörde. Doch nach spätestens zwei Jahren muss die Wohnung vom Markt für Touristen genommen werden, für wie lange, ist nicht eindeutig definiert. In Bilbao dürfen Touristen nur Wohnungen im Erdgeschoss und im ersten Stock beziehen, um die anderen Bewohner des Hauses nicht zu stören. Dieselbe Regelung gilt für San Sebastian, zusätzlich wird die Erteilung von Lizenzen in den zentralen Stadtteilen stark begrenzt.

Sollten die drei Städte in der Auseinandersetzung mit der CNMC um diese räumlichen und zeitlichen Beschränkungen unterliegen, so würde dies einen kleinen Triumph für die Internetportale bedeuten. Die Kommunalverwaltungen wissen dabei den spanischen Verband der Hotelbetreiber auf ihrer Seite - eine kuriose Verbindung von Linkspolitikern und Großkapitalisten, wie die Wirtschaftszeitung Expansión spottete. Es ist nicht die einzige Kuriosität. Es gibt nämlich auch Linkspolitiker, die Airbnb und seine Konkurrenten verteidigen: Die Vermietung an Touristen sei für viele Familien in Zeiten der Krise die wichtigste Einnahmequelle, überdies profitiere auch das lokale Handwerk, da die Wohnungen ja renoviert und modernisiert werden müssen, bevor sie auf den Markt kommen. In der Tat wird in Madrid, Barcelona und vielen anderen Großstädten an allen Ecken und Enden renoviert. Die Fachleute dafür gibt es ja, nämlich aus der Zeit des Baubooms, der vor genau einem Jahrzehnt mit dem Platzen einer gigantischen Immobilienblase schlagartig endete.

Eine erste Bilanz der neuen Regulierungen zeigt indes, dass ihr Effekt bisher eher gering ist. In Barcelona durchforsten mehrere Dutzend Angestellte der Stadtverwaltung die Angebotsseiten. Vor zwei Jahren hat Colau den Giganten Airbnb in die Knie gezwungen, zumindest ein wenig: Sie verhängte ein Strafgeld von 600 000 Euro, weil über Airbnb damals Tausende nicht lizenzierter Wohnungen vermittelt wurden. Airbnb verpflichtete sich damals, alle Daten von Mietern und Vermietern an die Stadtverwaltung weiterzugeben.

Auch in Palma bekamen Airbnb und der Marktkonkurrent Tripadvisor wegen der Umgehung der Vorschriften zur Lizenzierung Bußgeldbescheide, jeweils 300 000 Euro, eher eine Kleinigkeit für die Marktführer. Doch hat sich gezeigt, dass die Kontrolleure gar nicht in der Lage sind, den gesamten Markt zu überblicken. Sie können nur Stichproben vornehmen, und die Datenschutzgesetze verbieten es ihnen, die Personalangaben der Anbieter automatisiert zu überprüfen. Eine Vernetzung der Datenbanken, die für eine effektive Kontrolle gebraucht würden, ist aus rechtlichen Gründen nicht möglich.

Für Madrid und Barcelona schätzen Experten, dass bis zu 40 Prozent der angebotenen Ferienwohnungen keineswegs von privater Hand kommen, sondern von Immobilienfirmen und Spekulanten, die aber oft fiktive Namen von Besitzern angeben. Für Barcelona hat sich herausgestellt, dass ganze 2,5 Prozent der Airbnb-Anbieter fast ein Drittel des gesamten Angebots kontrollieren; mehr als 60 Prozent kassieren mit mindestens zwei Wohnungen. Überdies haben sich Strukturen mit Untermietern herausgebildet, die meist formal legal sind, aber ebenfalls die Regulierungen der Kommunen unterlaufen. So wurde in Palma de Mallorca bekannt, dass eine Frau mit dem Vornamen Angela mehr als 700 Wohnungen angeboten hat. Für den Fall interessiert sich auch Brüssel, denn an ihm wird offenbar, wo die Schwachstellen des Kontrollsystems liegen. Die EU-Experten haben Vorschriften angekündigt, nach denen klar ausgewiesen werden muss, ob es sich um einen privaten oder einen professionellen Anbieter handelt. Doch ist das Projekt längst noch nicht spruchreif.

Auch die Zahlen sprechen dafür, dass die Stadtverwaltungen bisher nur wenig erreicht haben: Denn in den größten Touristenmetropolen ist das Angebot um durchschnittlich etwa zehn Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen. In Barcelona findet mittlerweile fast jeder fünfte Tourist seine Herberge über Airbnb, in Madrid, an dem bislang der Massentourismus vorbeiging, ist es schon jeder zehnte. Mit Spannung wartet man nun auf die Gerichtsverfahren, die die Aufsichtsbehörde CNMC anstrebt. Auch das wird dauern, denn die Seite, die unterliegen wird, dürfte in die nächste Instanz gehen, da es sich um einen Grundsatzstreit handelt.

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Quelle:
SZ vom 04.09.2018/lue
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