Spanien:Schmiergeld für den König

Spanien: BBVA-Zentrale in Madrid: Der Ex-Chef des spanischen Finanzinstituts wollte angeblich die Übernahme der Bank verhindern – mit allen Mitteln.

BBVA-Zentrale in Madrid: Der Ex-Chef des spanischen Finanzinstituts wollte angeblich die Übernahme der Bank verhindern – mit allen Mitteln.

(Foto: Dani Pozo/AFP)

Die Bank BBVA macht Schlagzeilen mit einer beispiellosen Abhöraffäre.

Von Thomas Urban, Madrid

Ábaco (Abakus) heißt die Hochglanzillustrierte, die die spanische Großbank BBVA einmal im Quartal herausgibt. Auf der Titelseite der aktuellen Ausgabe strahlen der neue Vorstandschef Carlos Torres Vila, dessen Managerkarriere in der Energiebranche begonnen hatte, und sein Vorgänger Francisco González, der 18 Jahre an der Spitze des im baskischen Bilbao beheimateten Finanzkonzerns stand, um die Wette. Doch in den vergangenen Tagen dürfte ihnen die gute Laune gründlich vergangen sein, nicht nur wegen der verhagelten Jahresbilanz 2018, sondern vor allem wegen der Berichte über eine beispiellose Abhöraffäre, wie sie die durchaus skandalerprobte spanische Bankenwelt noch nicht erlebt hat.

Im Mittelpunkt des Skandals steht kein Geringerer als Francisco González selbst: Vor fast 15 Jahren soll er eine Detektei beauftragt haben, Spitzenpolitiker und Konkurrenten in der Finanzbranche abzuhören. Er wollte den Berichten zufolge auf diese Weise nicht nur Informationen, sondern offenbar auch Erpressungsmaterial bekommen, um die Übernahme der BBVA und somit auch den Verlust seines lukrativen Chefpostens zu verhindern.

Ein früherer Polizeikommissar soll Mitarbeiter von Telefonfirmen bestochen haben

Nahezu täglich wurden in der vergangenen Woche Einzelheiten bekannt. Zu den Abgehörten gehörten nicht nur der damalige sozialistische Regierungschef José Luis Rodríguez Zapatero und seine Fachminister, sondern sogar König Juan Carlos, der sich hinter den Kulissen immer wieder als Vermittler bei großvolumigen Geschäften in der Wirtschaft betätigte. Dass der Monarch dabei gern die Hand aufhielt, wurde im vergangenen Juli bekannt: Zwei Internetportale veröffentlichten den Mitschnitt eines Telefonats, in dem davon die Rede war, er habe für die Vermittlung eines Großauftrags für die spanische Industrie in Saudi-Arabien, nämlich den Bau einer Hochgeschwindigkeitstrasse, um die 80 Millionen Euro bekommen und nicht versteuert.

Die Information stammt aus einem Gespräch des früheren Polizeikommissars José Manuel Villarejo mit der deutschen Geschäftsfrau Corinna zu Sayn-Wittgenstein, der die spanische Presse nachsagt, Geliebte von Juan Carlos gewesen zu sein. Villarejo befindet sich seit einem Jahr wegen Bestechung, Geldwäsche und Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation in Untersuchungshaft; Ermittlungsrichter werten sein beschlagnahmtes digitales Archiv aus, das auch zahlreiche Videomitschnitte enthält. Man weiß mittlerweile, dass er mit jeweils etwa 1000 Euro Mitarbeiter von Telefonkonzernen bestochen hat, damit seine Leute die von bestimmten Nummern geführten Gespräche aufzeichnen konnten.

Doch Villarejo hatte für den Fall seiner Verhaftung vorgesorgt: Materialien, die Spitzenpolitiker in Misskredit bringen, hat er rechtzeitig kopiert, Mittelsmänner lassen sie dem Internetportal Moncloa zukommen, das sich auf die Aufdeckung von Politikerskandalen spezialisiert hat. Der Name bezieht sich auf den Palast von Moncloa im Nordwesten Madrids, den streng bewachten Amtssitz des Premierministers. Zu den Materialien, die landesweit Schlagzeilen machten, gehörte das Gespräch über die nicht versteuerten Millionen für den emeritierten König. Zuletzt veröffentlichte Moncloa die Mitschriften von abgehörten Telefonaten um die BBVA, die ebenfalls aus dem Archiv Villarejos stammen. Dieser hatte als Spezialist für die Bekämpfung der baskischen Terrororganisation Eta Kontakte zu den beiden großen Parteien geknüpft, der konservativen Volkspartei (PP) und den Sozialisten (PSOE). Nach seinem Ausscheiden aus dem Polizeidienst gründete er ein Detektivbüro und übernahm Schmutzeleien für Politiker, nämlich die Bespitzelung von Konkurrenten, sowohl innerparteilichen als auch beim politischen Gegner. Er arbeitete dabei sowohl für die PP als auch die PSOE, was beide Parteiführungen offenkundig nicht voneinander wussten. Die Presse nennt sein Archiv "die Kloake Madrids".

Durch einen Telefonmitschnitt wurden Einzelheiten aus dem Leben Juan Carlos' bekannt

Der Fall der BBVA reicht weit in die Politik hinein, denn González hat den Posten als Vorstandsvorsitzender, den er im Jahr 2000 antrat, der Förderung durch den damaligen Premierminister José Maria Aznar (PP) zu verdanken. In dessen Regierungszeit (1996 bis 2004) bildete sich das korrupte Netzwerk "Gürtel" heraus, über das Villarejo ebenfalls Materialien sammelte. Der Codename ist die Übersetzung des Familiennamens des Hauptdrahtziehers Francisco Correa, warum aber die Ermittler dafür das deutsche Wort wählten, ist nicht bekannt. Über "Gürtel" füllten Bauunternehmer, die den Zuschlag für große Infrastrukturprojekte bekamen, die schwarzen Kassen der PP auf. Der Prozess gegen die Hauptakteure, an der Spitze Correa, führte im vergangenen Mai zum erfolgreichen Misstrauensvotum gegen den konservativen Premier Mariano Rajoy, den langjährigen PP-Vorsitzenden.

Die Madrider Presse spekuliert, dass PP-Politiker González mit Villarejo zusammengebracht haben. Die 2004 ins Amt gekommene sozialistische Regierung unter Zapatero betrachtete die BBVA, die erst wenige Jahre zuvor aus dem von Aznar durchgesetzten Zusammenschluss mehrerer Banken hervorgegangen war, als Bastion der PP und störte sich daran. Sie unterstützte deshalb den Madrider Mischkonzern Sacyr, der sich auf große Bauprojekte und Industriedienstleistungen spezialisiert hat, beim Versuch, die BBVA zu übernehmen. Folglich gab BBVA-Chef González der Detektei Villarejos den Auftrag, so meinen Madrider Kommentatoren, belastende Materialien gegen die Entscheidungsträger in der Politik zu sammeln. Dazu gehörten auch Informationen über Seitensprünge und sexuelle Vorlieben. Durch die Veröffentlichung eines Telefonmitschnitts wurden nun auch weitere pikante Einzelheiten aus dem Leben Juan Carlos' bekannt. So soll es in einer der königlichen Sommerresidenzen eine Geheimtür zum Schlafzimmer des notorischen Seitenspringers gegeben haben.

Es ist nicht das erste Mal, dass der BBVA-Vorstand große Aufregung in Spanien auslöst. Zwar musste er keine Staatshilfe während der jüngsten Bankenkrise in Anspruch nehmen. Doch wurde im Krisenjahr 2012 bekannt, dass der BBVA-Generaldirektor José Ignacio Goirigolzarri eine jährliche Rente von drei Millionen Euro bekommen soll, nach gerade einmal acht Jahren auf dem Posten - es war die Zeit, als fünf Millionen Spanier wegen des Kollektivversagens der Großbankiers, die wegen ihrer Inkompetenz und Gier entscheidend zur Immobilienblase beigetragen hatten, arbeitslos geworden waren.

Der 75-jährige González, der wie alle anderen Branchengrößen vor mehr als einem Jahrzehnt die Gefahr einer Immobilienblase verkannt hat, hüllt sich bisher dazu in Schweigen. Auch seinem Nachfolger Torres Vila hat es die Sprache verschlagen, er stand zur fraglichen Zeit noch nicht in Diensten der Großbank, die González zum international agierenden Konzern mit weltweit mehr als 120 000 Angestellten gemacht hat. Allerdings ist dieser bei seinem Expansionskurs zahlreiche Risiken eingegangen, sein letztes Jahr an der BBVA-Spitze war von zahlreichen Rückschlägen geprägt. In der Bilanzsumme für 2018 wird ein Minus von rund einem Drittel gegenüber dem Vorjahr erwartet.

Das Jahr war auch für die anderen spanischen Großbanken schlecht, doch die BBVA steht am schlechtesten da. Problemfälle wurden für sie Mexiko (bisher 35 Prozent der Gesamtbilanz), Südamerika (13 Prozent) und die Türkei (zwölf Prozent), wo der Kursverfall der Lira die BBVA hart traf. In den 18 Jahren unter dem einst als Finanzmagier gepriesenen González hat sich der Wert der BBVA-Aktie mehr als halbiert: von 15,85 auf 7,11 Euro. Vermutlich wird er nicht mehr so bald auf der Titelseite des Ábaco zu sehen sein. Zu den vielen Kuriositäten um BBVA gehört, dass die Firmenzeitschrift auch einen Preis hat: drei Euro pro Exemplar.

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