Nach dem Griechenland-Referendum:Wie Spanien auf das griechische "Nein" reagiert

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Für Pablo Iglesias, Chef der spanischen Protestpartei Podemos, steht fest: "In Griechenland hat die Demokratie gesiegt." (Foto: Quique Garcia/AFP)
  • Die linksalternative Podemos-Partei in Spanien kann bisher nicht recht von ihren Erfolgen bei den letzten Wahlen in Städten und Regionen profitieren.
  • Dabei ist Premier Rajoy der zweitunbeliebteste Politiker im Land - nur Russlands Präsident Putin mögen die Spanier noch weniger.
  • Weil die kleineren Parteien nicht aufschließen können und niemand mit den Konservativen von Rajoy koalieren will, könnte die sozialistische PSOE bei den Wahlen im Herbst an die Regierung kommen.

Von Sebastian Schoepp, München

Sie wurde vor kaum einem Jahr von der konservativen Stadtregierung eröffnet, nun soll sie schon wieder umbenannt werden, die Plaza Margaret Thatcher im teuren Madrider Viertel Salamanca. Die neue linke Bürgermeisterin Manuela Carmena wolle keinen Platz, der an die Eiserne Lady erinnere, wird aus ihrem Umfeld kolportiert. Er soll nun nach einem Schwulenaktivisten benannt werden. Auch in anderen Städten und Regionen Spaniens haben die von der linksalternativen Podemos-Partei unterstützten neuen Verwaltungsleiter seit ihrer Wahl im Mai einiges unternommen: Auf Mallorca wird es eine Ökosteuer geben, in Barcelona sollen die Zwangsräumungen von Wohnungen zahlungsunfähiger Schuldner aufhören.

Referendum in Athen, Krisensitzung in Madrid

Doch in der Wählergunst nach vorne katapultiert hat das Podemos bisher nicht. Die spanische Partei, die der griechischen Syriza am meisten ähnelt, liegt nach den jüngsten Umfragen an dritter Stelle in der Wählergunst bei knapp 21 Prozent, hinter den Sozialisten (23) und der regierenden rechtskonservativen Volkspartei (24,5). Kann die Euro-Gruppe also beruhigt sein?

Die Spanier können es - jedenfalls behauptet das Ministerpräsident Mariano Rajoy. Doch daran sind Zweifel angebracht, das zeigte schon die Krisensitzung, die Rajoy am Montag nach dem "Nein" beim griechischen Referendum einberief - immerhin hat Spanien sich mit sechs Milliarden Euro an der vermeintlichen Griechenland-Rettung beteiligt. Wirtschaftsminister Luis de Gundos verkündete anschließend eilig, Spanien könne einen Grexit verkraften. Die Lage sei mit der in Griechenland "überhaupt nicht zu vergleichen".

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Der Aufschwung kommt bei vielen nicht an

In der Tat ist von Radikalisierung oder Ausstiegs-Stimmung in Spanien abseits der Syriza-Unterstützungs-Zirkel wenig zu spüren. Sowohl Regierungschef Rajoy wie auch sein sozialistischer Herausforderer bei der Wahl im Herbst, Pedro Sánchez, hatten sich für ein griechisches "Ja" stark gemacht. Nur Podemos-Chef Pablo Iglesias stellte nach dem Referendum fest: In Griechenland habe die Demokratie gesiegt. Die Nummer zwei der Partei, Iñigo Errejon, sprach wie Yanis Varoufakis: Es gehe nun darum, ein neues, ein sozialeres Europa zu schaffen, jenseits der Austerität.

Das spricht zumindest denen aus der Seele, bei denen der zaghafte spanische Aufschwung bislang nicht angekommen ist. Den nahen Wahltermin vor Augen erhöht die Regierung fast wöchentlich ihre Wachstumsprognose, von 3,3 Prozent im Jahr 2016 ist inzwischen die Rede. Aber erstens startet dieses Wachstum nach Jahren von Stillstand und Rezession von einem niedrigen Niveau aus. Und zweitens ist die Arbeitslosigkeit von beinahe 24 Prozent bisher kaum zurückgegangen, was den Trend bestätigt, dass in Zeiten von Rationalisierung Wachstum nicht mehr zwangsläufig Jobs erzeugt.

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Sogar Merkel ist in Spanien beliebter als Rajoy

Neue Arbeitsplätze entstehen vor allem auf dem Bau, jener Branche also, die das Land durch Aufpumpen einer Immobilienblase erst in den Abgrund riss. Die Jobs in der Autoindustrie sind auf dirigistische Maßnahmen wie die Abwrackprämie zurückzuführen. Rajoy hat sie sich in Deutschland abgeschaut und sie spricht nicht eben für den wirtschaftsliberalen Kurs à la Margaret Thatcher mit Privatisierungen und Deregulierung, mit dem die Volkspartei das Land sanieren wollte.

Auch die bereits zweite Steuersenkung in diesem Jahr hat nichts geholfen: Mariano Rajoy ist derzeit der zweitunbeliebteste Politiker der Spanier, auf dem vorletzten Platz vor Wladimir Putin - selbst die neue Dama de Hierro (Eiserne Lady) Angela Merkel erreicht bessere Werte. Wenn es also nach der Wahl um die Frage "Wer mit wem?" geht, wird Rajoy wohl alleine bleiben. Keine andere Partei will eine Koalitionsaussage zugunsten der nachweislich hochkorrupten PP machen: Podemos sowieso nicht, die Sozialisten (PSOE) auch nicht - sie haben das Schicksal der untergegangenen griechischen Pasok und der abschmierenden SPD vor Augen; und auch nicht der neue Stern am Beliebtheitshimmel, Albert Rivera, Chef der liberal-konservativen Protestpartei Ciudadanos, der vierstärksten Kraft im Lande.

Neue Parteien könnten Sozialisten den Wahlsieg bringen

So ist die schon totgesagte PSOE derzeit in der unerwarteten Lage, dass die neuen Parteien um sie buhlen. Pedro Sánchez darf sich Hoffnungen auf den Job des Ministerpräsidenten machen, weshalb er sich jeder Radikalität enthält und eher spricht wie ein spanischer Matteo Renzi. Damit weiß er 43 Prozent der Spanier hinter sich, die laut Umfragen angeblich die Linie der Euro-Gruppe unterstützen. Und doch bleibt ein Unsicherheitsfaktor, denn die Umfrageinstitute und Zeitungen sind eher Instrumente der Traditionsparteien; was sich jenseits davon in sozialen Netzwerken, und den vielen, in der Krise entstanden Bürgerbewegungen an Protestpotenzial versammelt, ist kaum zu quantifizieren. Eine entscheidende Rolle wird spielen, was die linksalternativen Stadtregierungen von Cádiz bis Valencia in den nächsten Monaten bewirken - und ob es im Alltag der Menschen zu spürbareren Erfolgen reicht als dem Umbenennen von Plätzen.

© SZ vom 07.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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