Spanien im Zentrum der Euro-Krise:Madrid zieht die Sparschrauben an

Mariano Rajoy verlangt seinen Landsleuten eine Menge ab: Die neuen Haushaltspläne der Regierung sehen vor, dass Spanien in den kommenden zwei Jahren 102 Milliarden Euro einspart. Trotz aller Proteste - und deutlich mehr als bereits geplant. Auch verdichten sich die Anzeichen, dass Madrid unter den Euro-Rettungsschirm schlüpfen wird.

Spanien muss bluten. Soweit klar. Aber nun legt die spanische Regierung nochmal nach: Bis zum Jahr 2014 sollen insgesamt 102 Milliarden Euro eingespart werden. Dies geht aus am Freitagabend vorgelegten neuen Haushaltsplänen hervor. Die Börse in Madrid schloss etwa zeitgleich mit der Ankündigung der Maßnahmen mit einem Plus von etwa sechs Prozent.

Spain's PM Rajoy gestures during a news conference at Madrid's Moncloa Palace

Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy hat Sparmaßnahmen auf den Weg gebracht und schließt ein neues Gesuch um EU-Hilfen nicht mehr grundsätzlich aus.

(Foto: Reuters)

Im Juli hatte die Regierung unter Mariano Rajoy bereits Sparmaßnahmen über 65 Milliarden Euro beschlossen. Dagegen hatte es in der Bevölkerung scharfe Proteste gegeben. Nun zieht Madrid nochmal die Sparschrauben an: Wie die Zeitung El País meldet, sollen nach den neuen Plänen im laufenen Jahr 13 Milliarden, 2013 fast 39 Milliarden und 2014 mehr als 50 Milliarden Euro eingespart werden.

Es ist die zweite schlechte Nachricht für die spanische Bevölkerung binnen kurzer Zeit. Am gestrigen Donnerstag hatte EZB-Chef Mario Draghi verdeutlicht, dass die Notenbank nur dann Anleihen klammer Euro-Staaten kaufen würde, wenn sie sich gleichzeitig den Sparauflagen des Euro-Rettungsfonds beugten. Danach brach der spanische Aktienmarkt ein und die Renditen des Landes schnellten nach oben. Ohne die Hilfe der EZB bleibt dem Land offensichtlich keine andere Wahl.

An diesem Freitag näherte sich auch der spanische Ministerpräsident Rajoy dieser Position an: Er schließt ein neues Gesuch um EU-Hilfen nicht mehr grundsätzlich aus. Bislang hat Spanien nur um Beistand für die maroden Banken des Landes gebeten. Wie weit Spanien bei einem neuerlichen Antrag gehen würde, bleibt allerdings offen. Rajoy betonte: "Ich habe noch keine Entscheidung getroffen." Er wolle zuerst wissen, wie eine mögliche Intervention der EZB aussehen werde, sagte Rajoy.

"Draghi versenkt Spanien"

Offensichtlich hat ihm Draghi nun also einen Strich durch die Rechnung gemacht. "Draghi gibt Deutschland nach und versenkt Spanien", titelte denn auch die Zeitung El Mundo. Das Wirtschaftsblatt Expansión schrieb: "Die EZB verpasst Spanien eine kalte Dusche und lässt das Land in der Gefahrenzone schmoren."

Die Rendite für Madrider Zehn-Jahres-Anleihen bewegen sich in einer Größenordnung von fast sieben Prozent, was auf die Dauer als nicht finanzierbar gilt.

Wie lange wird die viertgrößte Volkswirtschaft der Euro-Zone dem Druck der Märkte standhalten? Bis September muss der spanische Staat sich kein Geld auf den Anleihemärkten beschaffen. Aber danach könnte es ernst werden. Vor dem Jahresende muss der Staat Anleihen im Wert von rund 30 Milliarden Euro aufnehmen.

Viele Experten halten es für praktisch unvermeidbar, dass Madrid, das bereits die EU um Hilfen bei der Rettung von Banken gebeten hatte, im Herbst ein neues Hilfegesuch stellen muss.

"Das wäre dann die Light-Version einer Rettung und nicht eine umfassende Rettung wie im Fall von Griechenland, Irland oder Portugal", betont Expansión. Der Unterschied läge darin, dass Spanien keine direkten Finanzhilfen, sondern nur den Erwerb von Staatsanleihen bei den Rettungsfonds beantragen würde.

Allerdings hätte ein solches Gesuch zur Folge, dass Madrid eine Reihe ökonomischer Bedingungen zu erfüllen hätte. "Diese Auflagen könnten auch einen Verlust von Souveränität im Bereich der Wirtschaftspolitik bedeuten", betonte die Zeitung El País.

Die Entscheidung der EZB löste in Spanien teils Empörung und teils Resignation aus. "Man hat Spanien und Italien einen Tritt in den Hintern versetzt", protestierte der sozialistische Oppositionsführer Alfredo Pérez Rubalcaba. "Die allmächtige Bundesbank hat sich in der EZB durchgesetzt und Draghi die Flügel gestutzt", kommentierte die Zeitung La Vanguardia. "Sie hat gezeigt, dass Deutschland in der EZB den Ton angibt."

Mehrere Experten plädierten dafür, dass Spanien sich seinem Schicksal fügen und das von Draghi erwähnte Hilfegesuch stellen sollte. "Die Bedingungen, die man uns Spaniern auferlegen wird, dürften sich kaum von dem unterscheiden, was wir ohnehin tun", meinte der Vermögensverwalter José Ramón Iturriaga.

Rajoy versicherte an diesem Freitag in Madrid, die von ihm geführte konservative Regierung werde an ihrer Sparpolitik und an der Erhöhung der Mehrwertsteuer festhalten. Als seine Priorität bezeichnete der seit Dezember amtierende Regierungschef die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit.

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